REPORT:
Planungsrat steuert IT


[27.9.2010] Der IT-Planungsrat ist die neue zentrale Steuerungsinstanz für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der IT der öffentlichen Hand. Das per Staatsvertrag konstituierte Gremium, das jetzt die erste Nationale E-Government-Strategie beschlossen hat, wird auch kritisch gesehen: Die Kommunen haben kein Stimmrecht.

Cornelia Rogall-Grothe, Vorsitzende des IT-Planungs-rates: „E-Govern-ment verbindlich weiterentwickeln.“ Innerhalb von fünf Jahren will Deutschland beim E-Government in die europäische Spitzengruppe vorstoßen. Dieses Ziel steckt die erste Nationale E-Government-Strategie, die der IT-Planungsrat in seiner nunmehr dritten Sitzung am 24. September 2010 beschlossen hat. In dem Papier sind sechs Ziele definiert, die ab sofort der Maßstab sind für die weitere Entwicklung elektronischer Verwaltungsdienstleistungen für Bürger und die Wirtschaft. Genannt werden unter anderem die maßgebliche Orientierung am Nutzen für Bürger, Unternehmen und Verwaltung, die Erhöhung der Effizienz des Verwaltungshandelns, die Transparenz über Daten und Abläufe sowie der Datenschutz. Ein weiteres Ziel der Strategie ist die Stärkung der gesellschaftlichen Teilhabe über Internet-Angebote des Staates (siehe eigener Bericht).

IT im Grundgesetz verankert

Dass in Deutschland erstmals eine gemeinsame E-Government-Strategie von Bund, Ländern und Kommunen vorliegt, ist ein Verdienst des IT-Planungsrates, der in nur sechs Monaten seit seinem Bestehen ein konsensfähiges Papier formulierte und verabschiedete. Das neue Gremium ist Ergebnis einer Verfassungsänderung. Im Zuge der Föderalismusreform II wurden Regelungen über die IT-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung in das Grundgesetz aufgenommen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Informationstechnik der öffentlichen Verwaltungen ist nun in Artikel 91 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geregelt. Zudem wurde ein neues System der IT-Steuerung von Bund und Ländern eingerichtet.
Am 1. April 2010 trat der IT-Staatsvertrag in Kraft (genauer: Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Art. 91c GG). Darin ist geregelt, dass der IT-Planungsrat als zentrale Steuerungsinstanz die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der IT koordiniert, IT-Interoperabilitäts- und -Sicherheitsstandards beschließt sowie E-Government-Projekte steuert. Der IT-Planungsrat löste den Arbeitskreis der E-Government-Staatssekretäre und den Kooperationsausschuss Automatisierte Datenverarbeitung Bund / Länder / Kommunaler Bereich (KoopA ADV) ab. Der Bund ist im IT-Planungsrat durch die Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik vertreten. Die Mitglieder der Länder sind in der Regel die für IT zuständigen Staatssekretäre. Darüber hinaus nehmen drei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit beratend teil. Der Vorsitz wechselt jährlich zwischen Bund und Ländern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière kommentierte die Regelungen so: „Der IT-Staatsvertrag bringt Bund, Länder und Kommunen in einem gemeinsamen Steuerungsgremium an einen Tisch. Die Informationstechnik bekommt somit eine einheitliche Stimme und damit auch deutlich mehr Gewicht in der politischen und fachlichen Diskussion.“ Der Bundesinnenminister sprach von einer neuen Ära der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen.

Kommunen am Katzentisch?

Am 22. April 2010 fand im Bundeskanzleramt die erste Sitzung des IT-Planungsrates statt – und löste prompt kommunale Kritik aus. Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) war mit der Einbindung der Kommunen in die Vorbereitung der ersten Sitzung des Gremiums unzufrieden. Beschlussvorlagen seien den kommunalen Vertretern erst zwei Tage vor der Sitzung zugegangen. Auf diese Weise sei es nicht möglich, den Sachverstand der Kommunen aus der Praxis einzuholen und in die Arbeit des IT-Planungsrates einzubringen, hieß es in einer Pressemitteilung. Wenige Tage später legte Petra Lausch, Bürgermeisterin der Gemeinde Edewecht und Vorsitzende des Personal- und Organisationsausschusses des NSGB, nach: Von einer neuen Ära der Zusammenarbeit zu sprechen, seien nichts als schöne Worte, die Praxis sehe leider anders aus. „Die Kommunen sind zwar dabei, aber ohne Stimmrecht und somit am Katzentisch.“ Nun würden ohne kommunales Stimmrecht Beschlüsse für Projekte gefasst, deren Finanzierung an den Kommunen hängen bleibe.
In einem Statement für Kommune21 fordert deshalb Thorsten Bullerdiek, Beigeordneter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und Mitglied des niedersächsischen IT-Planungsrates, den Kommunen baldmöglichst ein gleichwertiges Stimmrecht einzuräumen. Dies wäre ein selbstbewusstes und deutliches Signal für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Leider sei der Start des IT-Planungsrates sehr holperig verlaufen. Bullerdiek: „Dies lag im Wesentlichen daran, dass seitens des Bundes das im kommunalen Bereich sehr umstrittene Pilotprojekt des Behördenrufs D115 durchgedrückt werden sollte. Es macht keinen guten Eindruck und spricht auch nicht für das Projekt, wenn die Projektakzeptanz von oben verordnet und die Basis nicht beteiligt wird.“ Bullerdiek äußerte die Auffassung, das Gremium sollte seine Kompetenz nutzen und konkrete übergreifende Lösungen für drängende Probleme entwickeln, wie den Breitband-Ausbau in der Fläche, die elektronische Archivierung oder den elektronischen Rechtsverkehr. Wenn zudem noch die Basis für mehr Wettbewerb der Anbieter etwa im Standesamtswesen und bei der elektronischen Kfz-Zulassung geschaffen würde, sei der IT-Planungsrat auf einem erfreulichen Weg.

Einigkeit im föderalen System

Naturgemäß sehen die Mitglieder des Gremiums dies anders. Jürgen Häfner, Chief Information Officer (CIO) des Landes Rheinland-Pfalz: „Trotz schwieriger Abstimmungsprozesse ist der IT-Planungsrat ergebnisorientiert und pragmatisch gestartet.“ Bund und Länder hätten mit der Einrichtung des Gremiums bewiesen, dass die viel beschworene Einigkeit des föderalen Staates trotz regionaler und politischer Differenzen nicht nur vorhanden, sondern auch abrufbar sei. Nun müsse gezeigt werden, dass die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse auch langfristig tragen. Häfner: „Einigungen beruhen immer auf dem Vertrauen, dass sich alle Parteien an die Absprachen halten. Dass dies nicht immer einfach sein wird, liegt in der Natur der Sache.“ Da der IT-Planungsrat bestimmte Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip treffen könne, sei Kompromissfähigkeit ebenso gefragt, wie das Bewusstsein für die Verantwortung, die es mit sich bringe, wenn einzelne Partner überstimmt werden sollen. „Letztlich wird es auch im IT-Planungsrat darauf ankommen, eine Kommunikationskultur zu entwickeln, in der allen, unabhängig vom Mitgliedsstatus, den Finanzierungsanteilen oder Ähnlichem, mit Respekt begegnet wird und in der Konflikte offen und sachlich ausgetragen werden können“, so der CIO von Rheinland-Pfalz.

Städtetag reicht beratende Rolle

Der Kritik des NSGB wollen sich auch nicht alle Kommunen anschließen. Helmut Fogt, Dezernent Personal und Organisation beim Deutschen Städtetag, äußerte sich gegenüber Kommune21 positiv über das neue Gremium: „Die kommunalen Spitzenverbände haben die Einrichtung des IT-Planungsrates von Anfang an begrüßt – in der Erwartung, dass es dem Gremium mit seinen neu geschaffenen Kompetenzen gelingen kann, die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen bei der Entwicklung elektronischer Verwaltungsleistungen auf eine neue Stufe zu heben.“ Die beratende Rolle hätten die Kommunen für ausreichend erachtet, auch aufgrund der Erfahrungen in dem vorausgegangenen Arbeitskreis der E-Government-Staatssekretäre. Dissens habe es schon bisher kaum gegeben – vor allem, weil die dort verfolgten Projekte mittelfristig auch für die Kommunalverwaltungen Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen versprechen. Fogt: „Dass Einwendungen von kommunaler Seite im Planungsrat ignoriert werden könnten, scheint angesichts der Bedeutung der kommunalen Ebene für die Umsetzung der Projekte heute so wenig zu befürchten wie in den Jahren zuvor. Im Gegenteil: Eine Initiative von kommunaler Seite zur Beteiligung an der SGB-II-Software ALLEGRO hat sich der Planungsrat jüngst ausdrücklich zu eigen gemacht.“

Positive Bilanz der Bundes-CIO

Auch die diesjährige Vorsitzende des IT-Planungsrates, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, betont die Bedeutung der Kommunen. Mit dem IT-Planungsrat bestehe die Chance, E-Government in Deutschland mit mehr Verbindlichkeit fortzuentwickeln. Ohne Einvernehmen mit den Städten, Gemeinden und Kreisen sei dies nicht möglich, schrieb die Beauftragte der Bundesregierung für Informationstechnik in einem Statement für Kommune21. Nach der dritten Sitzung des Gremiums zog Rogall-Grothe eine positive Bilanz. Die Strukturen der E-Government-Staatssekretärsrunde und des KoopA ADV seien in das neue Gremium überführt sowie ein Arbeitsplan für das nächste Jahr aufgestellt worden. Neben der Nationalen E-Government-Strategie wurde zudem ein Finanzierungsmodell für die zentrale Plattform des Projektes D115 beschlossen. Der einheitliche Behördenruf soll ab März 2011 die Pilotphase hinter sich lassen und in den Dauerbetrieb übergehen.

Baden-Württemberg übernimmt den Vorsitz

Die nächste Sitzung des IT-Planungsrates ist für März 2011 geplant. Dann übernimmt Baden-Württemberg den Vorsitz in Person von Ministerialdirektor Günther Benz, Amtschef des baden-württembergischen Innenministeriums. Benz kündigte an, dass die Themen Kfz-Wesen, nationales Waffenregister und der weitere Ausbau von D115 im kommenden Jahr vorne auf der Agenda stehen. Der IT-Planungsrat tut gut daran, das vorgelegte Arbeitstempo beizubehalten. Die Erwartungen sind hoch. Bundesinnenminister Thomas de Maizière: „Ich bin mir sicher, dass der IT-Planungsrat mit seinen neuen Kompetenzen entscheidend dazu beitragen wird, die öffentliche IT in Deutschland effektiver auszugestalten und unsere Verwaltung zu modernisieren.“ (al)

http://www.cio.bund.de
IT-Staatsvertrag (PDF, 218 KB) (Deep Link)

Stichwörter: IT-Planungsrat, Nationale E-Government-Strategie, Thomas de Maizière, Jürgen Häfner, Helmut Fogt, Cornelia Rogall-Grothe, Günther Benz, Thorsten Bullerdiek



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