REPORT:
Priorität fürs Kfz-Wesen


[25.10.2010] Soll ein 100 Jahre altes Verwaltungsverfahren mit vielen Akteuren verändert werden, braucht man einen langen Atem. Diese Erfahrung wurde im Rahmen des Deutschland-Online-Vorhabens Kfz-Wesen gemacht, bei dem jetzt Stufe 1 der Umsetzung gestartet ist.

Pilottest in Berlin: Mit dem Perso zum neuen Auto. (Foto: Fraunhofer-Insitut FOKUS) Es ist Bewegung ins Kfz-Wesen gekommen. Zum einen arbeiten IT-Dienstleister wie die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) und der Zweckverband Kommunale Datenverarbeitung Oldenburg (KDO) an innovativen Fachverfahren für die Kfz-Zulassung, zum anderen ist im vergangenen Jahr die Experimentierklausel-Ermächtigung in Kraft getreten, dank der Zulassungsverfahren unter IT-Einsatz erprobt werden dürfen. Außerdem ist beim Deutschland-Online-Vorhaben Kfz-Wesen die erste Stufe der Umsetzung gestartet. Nachdem die Revolution im Verkehrswesen 2008 aufgrund der Widerstände der Fachebene auf der Standspur angelangt war, gewinnt das Projekt nun an Fahrt. Langsamer vielleicht als erhofft, was angesichts der Tatsache, dass ein 100 Jahre altes Verwaltungsverfahren mit zahlreichen Akteuren verändert werden soll, allerdings auch wenig verwunderlich ist.

Komplexes E-Government-Projekt

2006 wurde das Kfz-Wesen zu einem priorisierten Deutschland-Online-Vorhaben erhoben. Die Federführung liegt bei der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, die Projektleitung bei der dort ansässigen Stabsstelle E-Government. Projektleiter Andreas Kirstein: „Mit der Umsetzung der Online-Zulassung für Kraftfahrzeuge hat Hamburg eines der bundesweit spannendsten und komplexesten E-Government-Projekte übernommen.“ Ziel ist es, die Kfz-Zulassung mit organisatorischen, rechtlichen und technischen Mitteln so zu verändern, dass die An-, Ab- und Ummeldung von Fahrzeugen möglichst durchgängig online ausgeführt werden kann. Hintergrund sind nicht zuletzt der demografische Wandel und die Forderung, die öffentliche Daseinsvorsorge auch in Zukunft und in schrumpfenden Regionen zu sichern. Das Online-Verfahren soll Vorteile für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung bringen. Die Verwaltungskunden profitieren von einer schnelleren Zulassung und sparen sich Behördengänge, der Verwaltung entstehen Kostenerleichterungen, die bei etwa 20,6 Millionen Zulassungsvorgängen (im Jahr 2009) nicht unerheblich sein dürften.

Dialog und schrittweises Vorgehen

Für die Gestaltung des Online-Zugangs ist der gesamte Zulassungsprozess zu betrachten. Kirstein: „In kaum einem anderen Vorhaben formieren sich so viele Interessen und Anforderungen von A wie Autohäuser über B wie Banken bis Z wie Zulassungsbehörden.“ Die fachliche Ebene, die von Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen gebildet wird, arbeitet in der Arbeitsgruppe Kfz-Wesen zusammen. Wirtschaftsverbände mit Bezug zum Kfz-Wesen und Interessengruppen, wie beispielsweise Zulassungsdienste, Schilderhersteller, Haftpflichtversicherungen, Siegel- und Dokumentenhersteller werden über ein Projektforum eingebunden. Nach Aussage des bis August 2010 für das Vorhaben verantwortlichen Staatsrates der Finanzbehörde Hamburg, Robert Heller, ist ein enger Dialog zwischen Fachseite, E-Government und Unternehmen entscheidend für den Erfolg. Da eine derartige Reform nur gelingen kann, wenn die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden, wurden die Schwerpunkte und einzelnen Schritte zur Online-Zulassung gemeinsam festgelegt. Laut Projektleiter Andreas Kirstein stand dabei von Anfang an fest, dass es nicht den einen großen Schritt geben kann, um Papier und Blech durch einen Online-Prozess zu ersetzen. Schließlich müsse nicht nur die Frage geklärt werden, wie das Kennzeichenschild durch die Leitung komme, sondern auch, wie die Antragstellung per Internet reibungslos, sicher und technisch vollzogen werden könne und wie das Anbringen der Stempelplakette auf dem Kennzeichenschild in einem Online-Verfahren ausgestaltet sein müsse. Aus diesem Grund wurde beschlossen, die Reform in mindestens zwei Stufen durchzuführen und Stufe 1 in ausgewählten Pilotbezirken zu erproben. In der ersten Stufe bleiben nach Angaben von Kirstein bewusst die Elemente des bisherigen Zulassungsverfahrens erhalten. Der Fokus liege auf der Übermittlung der Antragsdaten an die Zulassungsbehörden via Internet, der Einrichtung von Lieferdiensten oder der Schaffung weiterer Anlaufstellen für die Überbringung von Fahrzeugdokumenten und Kennzeichenschildern. So haben in der Pilotregion Hamburg ausgewählte Kfz-Händler und Flottenbetreiber die Möglichkeit, online Anträge an den Landesbetrieb Verkehr (LBV) zu senden. Die Abholung von Dokumenten und Kennzeichen erfolgt außerhalb der Behörde, auf Wunsch auch bei LBV-Mobil-Einsätzen etwa in Einkaufszentren. Der Gang zur Zulassungsbehörde entfällt.

Ausgewählte Angebote in Pilotregionen

Zwölf Zulassungsbezirke in sechs Bundesländern zählen aktuell zu den Piloten. Neben Hamburg sind dies der Landkreis Rosenheim sowie Ingolstadt und München in Bayern, der hessische Kreis Marburg-Biedenkopf und der nordrhein-westfälische Rhein-Erft-Kreis, der auf eine einfach zu bedienende Internet-Vorerfassung und einen Dokumententransport zum Bürger setzt. Außerdem zählen zu den Pilotbezirken die Kreise Esslingen und Heidelberg, der Zollernalbkreis sowie die Städte Karlsruhe und Stuttgart in Baden-Württemberg. Hier sollen in einem ersten Schritt die meisten bislang im Fachverfahren abgewickelten Prüfschritte der Kfz-Zulassung in die Antragstellung über das Portal service-bw integriert werden. Vorgesehen ist, Ende 2010 mit einer Vorstufe zum Produktionseinsatz die Usability der Anwendung mit ausgewählten Bürgern zu testen. Sobald die daraus gewonnenen Erkenntnisse umgesetzt sind, soll das Verfahren zur Pilotierung freigegeben werden, heißt es auf der Website des Deutschland-Online-Vorhabens.
Weiter fortgeschritten sind die Arbeiten im Pilotland Berlin. Hier hat die interdisziplinäre Arbeitsgruppe eKfz auf Grundlage des neuen Personalausweises (nPA) die Lösung Online-Kfz-Zulassung entwickelt. Ab 1. November wird sie zunächst in den Autohäusern der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin angeboten. „Das Verfahren verknüpft die IT-Systeme eines Autohauses, einer Zulassungsstelle und eines Zulassungsdienstleisters so miteinander, dass die Kunden künftig alle Leistungen aus einer Hand erhalten können“, erläutert Martin Löhe vom Kompetenzzentrum für Electronic Government and Applications beim Fraunhofer-Institut FOKUS. Das konkrete Vorgehen sieht folgendermaßen aus: Mit der eID-Funktion des nPA kann der Bürger die Halterdaten im Autohaus für den Zulassungsprozess bereitstellen. Dazu legt er seinen Personalausweis auf ein spezielles Kartenlesegerät, bestätigt das Auslesen der erforderlichen Daten für den Zulassungsdienstleister und die Zulassungsstelle und gibt seine PIN ein. Die Informationen werden zusammen mit den Fahrzeugdaten über ein Portal des Zulassungsdienstleisters an die Zulassungsstelle übermittelt. Fahrzeugschein, -brief und Kfz-Kennzeichen werden vom Zulassungsdienstleister hin- und zurücktransportiert. Die Zulassungsstelle empfängt validierte Daten, die verschlüsselt übertragen werden und in elektronischer Form vorliegen. Außerdem können durch die Zusammenarbeit der Zulassungsprozess transparenter gestaltet und Statusmeldungen zurückgegeben werden, so Löhe.
DOL-Projektleiter Andreas Kirstein bezeichnet die Piloten als wichtigstes Glied der Modernisierungskette. Er sagt: „Ihre Erfahrungen sind ein entscheidender Baustein für die Online-Zulassung und wir erwarten weitere aktive Teilnehmer.“ Diese müssten das Rad nicht neu erfinden, sondern könnten auf die Servicestrukturen des Deutschland-Online-Vorhabens zurückgreifen, vorhandene Konzepte übernehmen, ergänzen und eigene Innovationen einbringen.

Ausblick

Für 2011 und 2012 ist die Auswertung der Piloten vorgesehen, um – wie Kirstein erläutert – gegebenenfalls nachsteuern und den Rechtsrahmen weiter anpassen zu können. Stufe 2 soll die Entwicklungen von Stufe 1 aufnehmen und in der Praxis Bewährtes weiterführen. Der Aktionsplan Deutschland-Online sieht vor, dass ab 2013 die herkömmlichen Fahrzeugdokumente durch Medien ersetzt werden sollen, die elektronisch aus- und einlesbar sind. Laut Projektleiter Kirstein wird in Stufe 2 jedoch weniger der Einsatz neuer Technologien als vielmehr die intelligente Veränderung der Prozesse im Vordergrund stehen. Absehbar sei bereits, dass die durchgängig elektronische Zulassung über die Pilotansätze der Stufe 1 hinausgehen müsse. Deshalb seien im Frühjahr 2009 zahlreiche unterschiedliche Prüfungen in Auftrag gegeben worden. So würden Alternativen zur Siegelung von Kennzeichen geprüft, die Standardisierung der Kfz-Daten vorangetrieben und an einer zum Steuer-Online-Verfahren passenden Online-Zulassung gearbeitet.
Vom neuen Personalausweis könnten Impulse für die Kfz-Zulassung ausgehen. Das wird der Pilotversuch in der Bundeshauptstadt zeigen. Weiter an Fahrt könnte das Vorhaben zudem durch den IT-Planungsrat gewinnen. Günther Benz, Amtschef des baden-württembergischen Innenministeriums, der bei der nächsten Sitzung des Gremiums im Frühjahr 2011 den Vorsitz übernehmen wird, kündigte an, dass das Thema Kfz-Wesen im kommenden Jahr vorne auf der Agenda steht. (rt)

Zum Deutschland-Online-Vorhaben Kfz-Wesen (Deep Link)
Informationen der Arbeitsgruppe eKfz (Deep Link)

Stichwörter: Kfz-Wesen, Deutschland-Online, Hamburg, Andreas Kirstein, Online-Kfz-Zulassung, eKfz, Fraunhofer FOKUS, Martin Löhe



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