REPORT:
Dialog statt Monolog


[6.12.2010] Hamburg hat vorgemacht, wie Social Media die Außenwirkung einer Stadt positiv beeinflussen kann. Andere Kommunen machen sich ebenfalls auf den Weg ins Web 2.0 und zeigen sich mit der Resonanz zufrieden. Wichtig kann eine Social-Media-Präsenz auch vor dem Hintergrund von Bürgerprotesten sein.

Die Zahl der Facebook-Freunde unter den Städten nimmt zu. Social Media bietet Bürgern völlig neue Kommunikationsmöglichkeiten. Um mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen oder in Kontakt zu bleiben, sollte auch die Verwaltung entsprechende Angebote machen. Die Freie und Hansestadt Hamburg gehört hier zu den Vorreitern und hat bislang ausnahmslos positive Erfahrungen mit dem Web 2.0 gesammelt, wie Georg Konjovic, Geschäftsführer von hamburg.de, im Interview mit Kommune21 erzählt: „Besonders erfreulich ist für uns, dass die Reputation der Stadt aufgrund unserer Social-Media-Aktivitäten gestiegen ist: Hamburg steht für eine nahbare, sympathische Stadt, die via Facebook und Twitter direkt ansprechbar ist, die schnell antwortet, die duzt und wenn es sein muss auch einmal zurückschimpft.“

Web 2.0 in Hamburg

Die hamburg.de GmbH & Co. KG betreibt nicht nur das Stadtportal hamburg.de, sondern ist auch für die Social-Media-Kommunikation verantwortlich. Dabei gilt laut Konjovic das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit: „Wir entscheiden autark welche Web-2.0-Dienste wir wie bespielen. Dabei versuchen wir natürlich, städtische Inhalte je nach Geeignetheit einzubauen. Im Fokus steht aber immer die Kundenzufriedenheit.“ Hamburg speist einige Web-2.0-Kanäle: Neben einem Mobilportal und einer Hamburg-App steht seit Kurzem auch ein Blog-Angebot zur Verfügung (wir berichteten): Jedermann kann auf dem Stadtportal zum Blogger werden. Die Hamburg-Blogs sind nach Aussage von Konjovic intuitiv und leicht zu bedienen. Die Nutzer können unter 150 verschiedenen Designs wählen. Außerdem werden alle Blogs auf der gemeinsamen Plattform vernetzt. Die beiden wichtigsten Standbeine der Hamburger Web-2.0-Aktivitäten sind jedoch Twitter und Facebook. Bei dem Microblogging-Dienst verzeichnet die Hansestadt über 7.400 Follower, bei dem sozialen Netzwerk mehr als 316.000 Fans. Ausgewählt wurden die Plattformen nach Angaben von Konjovic aufgrund der simplen Möglichkeiten der direkten Kommunikation mit den Usern.

Facebook gefällt Städten

Aber nicht nur Hamburg ist von Facebook begeistert, die Zahl der Facebook-Freunde unter den Städten wächst. So haben unter anderem Hamm, Lorch, Fulda und Braunschweig einen Account bei dem sozialen Netzwerk eingerichtet. Die Stadt Hamm ist dort seit Juni 2010 vertreten. Die Zahl der Freundschaftsanfragen – durchschnittlich 20 pro Tag – hat die Erwartungen der Verantwortlichen deutlich übertroffen. Dabei sieht die Kommune Facebook nicht als Konkurrenz zu den lokalen Medien oder zur städtischen Homepage, sondern will über Verlinkungen vielmehr zusätzliche Nutzer für das öffentliche Leben in Hamm interessieren. Ähnlich geht es der Stadt Lorch am Rhein. Bürgermeister Jürgen Helbing hofft, dass viele auf der städtischen Facebook-Seite auf „gefällt mir“ klicken und somit zur Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Stadt beitragen. Eine weitere Motivation für das Einrichten des Facebook-Accounts fasst Helbing folgendermaßen zusammen: „Damit steht uns ein zusätzliches Kommunikationsmittel zur Verfügung, mit dem außerdem auch noch eine neue Zielgruppe erreicht wird.“ Denn insbesondere Jugendliche würden zu Informationszwecken auf das Web 2.0 zurückgreifen.
Dies kann die Stadt Fulda bestätigen, die seit Kurzem auf Facebook Hinweise zu städtischen Veranstaltungen, Straßensperrungen, Fotos und Videos veröffentlicht. Die von Facebook zur Verfügung gestellte Statistik hat jetzt gezeigt, dass vor allem jüngere Nutzer angesprochen werden. Die Stadt Braunschweig, die auch über einen Twitter-Account verfügt, will mit ihrem Facebook-Auftritt insbesondere im Social Web aktive Menschen erreichen, erzählt Gerold Leppa, Geschäftsführer der Braunschweig Stadtmarketing GmbH. Mit der Präsenz auf Facebook würde auf die veränderten Gewohnheiten im Internet eingegangen: Der Austausch unter den Nutzern habe heute einen hohen Stellenwert und viele Menschen würden zuerst in ihrem Profil bei Facebook nachsehen, was es Neues gibt.

Generation 2.0 als treibende Kraft

Und genau das könnte für die öffentliche Verwaltung ein Grund sein, sich für das Web 2.0 zu entscheiden. Die Digital Natives sind privat in sozialen Netzwerken unterwegs – im wahrsten Sinne des Wortes, denn das Smartphone ist schließlich immer dabei. Außerdem wollen sie sich aktiv einbringen und nicht mehr nur Empfänger von Informationen sein. Und sie verlangen einen neuen Dialog mit Politik und Verwaltung. Die Kommunen tun also gut daran, diese Realität der Bürger auch in ihren Angeboten abzubilden.
Aber nicht nur im Privatleben hat sich durch Social Media ein Wandel vollzogen. Die Generation 2.0 hat auch an den öffentlichen Dienst als Arbeitgeber bestimmte Erwartungen. Eine attraktive Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Web-2.0-Instrumente integriert, sollten Kommunen nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels angehen. Georg Konjovic, Geschäftsführer von hamburg.de, macht den Verwaltungen jedoch Mut: „Der Verwaltungswandel wird gar nicht so schwer werden, denn auch die neuen Verwaltungsmitarbeiter sind ja zunehmend Digital Natives.“
Und tatsächlich sind die Treiber innerhalb der Verwaltung häufig jüngere Personen, die sich auch privat mit dem Web 2.0 befassen. Laut Konjovic muss Social Media in die Hände von authentischen Verwaltungsmitarbeitern gelegt werden. Und authentisch sind insbesondere die Beschäftigten, die sich mit den entsprechenden Medien und Kanälen auskennen und sie schätzen. Diese Mitarbeiter sollten dann auch umfänglich agieren und kommunizieren dürfen, meint Konjovic. Die vorhandenen Freigabestrukturen vieler Verwaltungen müssten aufgebrochen werden und eine Beschleunigung interner Prozesse stattfinden. Denn ein erfolgskritischer Faktor im Web 2.0 ist die Geschwindigkeit. Konjovic: „Eine Anfrage via Twitter oder Facebook benötigt keine wissenschaftlich tiefgründige, sondern eine schnelle Reaktion.“ Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die ehrliche Bereitschaft zur direkten Kommunikation mit den einzelnen Usern des Social Web. Dies unterstreicht auch Stefan Domanske, IT-Leiter des Kreises Lüneburg: Die Follower wollen sich angesprochen fühlen. Meinungen müssen berücksichtigt und Fragen beantwortet werden.

Bürgerproteste im Web 2.0

Werden ihre Meinungen berücksichtigt, fühlen sich die Bürger auch ernst genommen, was wiederum die Legitimation von Verwaltungsentscheidungen unterstützen kann. Rheinland-Pfalz-CIO Jürgen Häfner sagte im Interview mit Kommune21: „Neue elektronische Kommunikationsplattformen werden Information, Interessenausgleich und Partizipation an politischen Entscheidungsprozessen ermöglichen. Dadurch wird auch eine höhere Akzeptanz der Verwaltungsentscheidungen erreicht und das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen gestärkt.“ Sven Jürgensen, Pressesprecher der Stadt Osnabrück, ist überzeugt, dass Bürger ihre Meinungen, Vorschläge, Anregungen und Kritik in jedem Fall äußern – egal ob mit oder ohne Beteiligung der Stadt. Zielführender sei es da, städtische Themen, Schwerpunkte, Kontroversen und Ziele verstärkt mit den Möglichkeiten des Web 2.0 in die Öffentlichkeit zu tragen, sie zu erklären und zu begründen.
Hätten Politik und Verwaltung diese neuen Formen der Bürgerkommunikation bei dem umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 berücksichtigt, wäre mit Sicherheit einiges anders gelaufen. Heiner Geißler sagte im Schlichtungsspruch zu Stuttgart21: „In Zeiten des Web 2.0 kann Politik nicht mehr funktionieren wie bisher.“ Viele Diskussionen über Infrastrukturprojekte finden im Netz derzeit fast ausschließlich ohne Beteiligung der Kommunen statt, sagt Andreas Jungherr, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politische Soziologie der Universität Bamberg, gegenüber Kommune21 und liefert auch gleich die Erklärung: „Wenn eine Kommune ein Projekt kommunizieren will, beruft sie eine Pressekonferenz ein. Bürgerinitiativen haben es da schwerer, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb haben sie schon früh den Weg ins Netz gefunden und informieren auf eigenen Web-Seiten und Profilen in sozialen Netzwerken über ihre Anliegen.“ Wenn sich aber Bürgerproteste gegen Großprojekte zunehmend in sozialen Netzwerken organisieren und die Kommunen dort nur unzureichend präsent seien, treffe der interessierte Bürger im Web meist nur auf die Informationen der Kritiker von umstrittenen Projekten.

Bürger anhören

Hier sollten die Kommunen gegensteuern, müssen jedoch die Bereitschaft zum Dialog und auch eine gewisse Demut mitbringen. Der Osnabrücker Pressesprecher Sven Jürgensen spricht von einer Relativierung des eindimensionalen Monologs zugunsten eines mehrdimensionalen Dialogs. Dies bedeute, dass die Stadt trotz ihrer Rolle als Moderator, der bei virtuellen Bürgerbeteiligungen die technische Plattform zur Verfügung stellt, lediglich einer von mehreren Diskussionsteilnehmern ist. Und auch wenn das Primat der Entscheidung bei der Politik verbleibt, wie der Berliner Innenstaatssekretär Ulrich Freise auf der diesjährigen Moderner Staat betonte, täten Politik und Verwaltung gut daran, auf die Wünsche der Bürger zu hören – und zwar frühzeitiger und besser. Denn daraus können sie laut Freise viel lernen. Dieser Meinung ist auch das Stadtoberhaupt von Osnabrück. „Die ausgeprägten Diskussionen und Meinungsäußerungen in den Internet-Foren gerade von jüngeren Menschen versprechen einen Erkenntnisgewinn, auf den die Verwaltung nicht verzichten kann. Denn es ist völlig unstrittig, dass sich der Meinungsbildungsprozess inzwischen verstärkt in Internet-Foren und Blogs abspielt“, so Oberbürgermeister Boris Pistorius.
Was bei Stuttgart 21 versäumt wurde, will die baden-württembergische Landeshauptstadt bei der Gestaltung des Rosenstein-Quartiers besser machen und hat die Bürger aufgerufen, sich an der Planung der durch die Tieferlegung des Bahnhofs frei werdenden Fläche zu beteiligen. An der Auftaktveranstaltung zur Reihe „Rosenstein – Wir gestalten unsere Stadt von morgen“ haben nach Angaben der Stadt mehr als 400 Interessenten teilgenommen. Weitere rund 2.000 Besucher haben die Veranstaltung via Livestream verfolgt und über das Fragemodul, Twitter und Facebook diskutiert. Auch die weiteren Phasen des städtebaulichen Projektes sollen im Internet begleitet und erörtert werden. So bestehe etwa die Möglichkeit, online Fragen, Ideen und Wünsche zu dem neuen Stadtquartier zu äußern. Die am häufigsten gestellten Fragen will die Stadt so schnell wie möglich beantworten und Bürgervorschläge in den Planungsprozess einbeziehen. Ob allerdings die Reputation Stuttgarts durch dieses Bürgerbeteiligungsprojekt steigt, bleibt abzuwarten. (rt)

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Stichwörter: Social Media, Web 2.0, Hamburg, Georg Konjovic, Blog, Twitter, Facebook, Hamm, Lorch, Fulda, Braunschweig, Digital Natives, Sven Jürgensen, Osnabrück, Boris Pistorius, Jürgen Häfner, Andreas Jungherr, Bürgerbeteiligung, Ulrich Freise, Stuttgart



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