REPORT:
Auf Kurs zur Service-Hauptstadt


[24.1.2011] Berlin will Service-Metropole werden und richtet das Verwaltungshandeln an den Bedürfnissen der Bürger aus. Diesem Ziel dient das Projekt ServiceStadt Berlin, das in diesem Jahr ausläuft. Über den Stand der Dinge und die Perspektiven der Berliner Verwaltungsmodernisierung.

Arm, aber Service: Berlin investiert in moderne Bürgerservices. Die Berliner Verwaltung ist an Mammutaufgaben gewöhnt. Nach der Wende fiel in Berlin nicht nur die Mauer. Es gab auch eine besondere Art der politischen Wiedervereinigung: Senat (West) und Magistrat (Ost) sowie die Landesverwaltungen und -institutionen beider Teile Berlins mussten zusammenwachsen. Mitte der 1990er-Jahre begann das Land Berlin dann mit einer konsequenten Verwaltungsmodernisierung und führte Elemente des Neuen Steuerungsmodells auf Haupt- und Bezirksverwaltungsebene ein. Dieser Binnen- und Strukturreform schloss sich von 2000 bis 2006 eine Überprüfung von Umfang und Art staatlicher Aufgabenwahrnehmung an. Mitte 2007 schließlich beschloss der Berliner Senat die Ausrichtung der Ämter und Behörden an den Grundsätzen eines bürgerorientierten Verwaltungshandelns.

Programm ServiceStadt Berlin 2007-2011

Ziel des Modernisierungsprogramms ServiceStadt Berlin 2007-2011 ist es, den Zugang zu den Dienstleistungen der Ämter und Behörden zu erleichtern und die Verwaltungsprozesse zu vereinfachen. Dazu wurden über 130 Projekte in folgenden vier Handlungsfeldern gestartet:
– Bürger- und Wirtschaftsservice: Projekte und Vorhaben, die überwiegend service- und nutzerorientierte Dienstleistungen für Bürger und Wirtschaft gewährleisten.
– Aktive Bürgergesellschaft / Teilhabe von Bürgern an Entscheidungsprozessen: Projekte und Vorhaben, die das bürgerschaftliche Engagement und die Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Wohnumfeld und ihrer Stadt stärken.
– Strategie und Steuerung: Projekte und Vorhaben der Strukturplanung sowie zur Verbesserung des Verwaltungscontrollings und der Prozesssteuerung.
– Verwaltungseffizienz und Personal-Management: Projekte und Vorhaben, welche die Effizienz und Wirkung der Verwaltungsarbeit verbessern oder zum optimalen Personaleinsatz beitragen.

Leitprojekte der Modernisierung sind fünf E-Government-Vorhaben: elektronische Bereitstellung aller internetfähigen Dienstleistungen der Berliner Bürgerämter, Weiterentwicklung des Berlin-Telefons zur zentralen Servicenummer 115, Einrichtung Einheitlicher Ansprechpartner und die elektronische Verfahrensabwicklung für EU-Dienstleister, elektronische Melderegisterauskunft und elektronische Baugenehmigung.

Neue Philosophie für die Verwaltung

Inzwischen sind etwa 40 Vorhaben abgeschlossen. Ulrich Freise, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, glaubt dennoch, dass der Weg bis zum Ziel noch weit ist. Im Gespräch mit Kommune21 verweist der Staatssekretär auf die Größe des Projektes: „Wir verändern Lebenswirklichkeiten und damit Grundphilosophien, angefangen von rechtlichen Rahmenbedingungen über gewohnte Verwaltungsabläufe bis hin zum Bewusstsein der Behördenmitarbeiter.“ Dies könne nicht in einer einzigen Legislaturperiode erreicht werden, meint Freise. Der bisherige Erfolg spreche aber dafür, den eingeschlagenen Kurs auch nach den Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen im September dieses Jahres fortzusetzen.

Auszeichnung für EU-DLR-Umsetzung

Einer der Erfolge: Ein Preis für die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR) beim 10. E-Government-Wettbewerb der Firmen BearingPoint und Cisco. Der Jury gefiel insbesondere, dass die IT-Infrastruktur für den Einheitlichen Ansprechpartner generell zur sicheren elektronischen Kommunikation und rechtsverbindlichen Verfahrensabwicklung geeignet ist. Ulrich Freise sagt: „Im Ergebnis haben wir eine technische, funktionale und prozessorientierte Referenzarchitektur für E-Government-Verfahren geschaffen, mit deren Hilfe die Bürger und Unternehmen mit der Berliner Verwaltung und die zuständigen Behörden untereinander über ein Portal elektronisch kommunizieren können.“ Über das System seien rund 500 Mitarbeiter in Senats- und Bezirksverwaltungen sowie in Kammern und Berufsgenossenschaften vernetzt. Das Portal des Einheitlichen Ansprechpartners stehe In- und Ausländern zur Verfügung und werde 2011 mehrsprachig erweitert.

Digitale Bürgerdienste mit dem nPA

Noch keine Meriten waren für das ambitionierteste Ziel zu holen: als erste Stadt Online-Bürgerdienste komplett medienbruchfrei anzubieten. Einzelne Online-Bürgerdienste wie die Sondernutzungserlaubnis öffentlicher Straßenraum wurden zwar im Rahmen der EU-DLR bereits medienbruchfrei umgesetzt. Weitere Vorhaben mussten jedoch zurückgestellt werden, weil der Aufbau einer prozessorientierten Referenzarchitektur für E-Government-Verfahren im Zusammenhang mit dem Einheitlichen Ansprechpartner Vorrang hatte. Freise: „Andernfalls hätten hier Parallelstrukturen gedroht, wie wir sie in Berlin noch immer viel zu häufig erleben.“ Die EU-DLR-Plattform könne nun aber genutzt werden, um die definierten Online-Anwendungen schrittweise umzusetzen.
Für diese Online-Bürgerdienste sei der neue Personalausweis von enormer Bedeutung, sagt Freise. Bei Wohnungsummeldung oder Kfz-Anmeldung, den von Bürgern am meisten gewünschten Online-Services, sei eine sichere Identifikation des Antragstellers zwingend vorgeschrieben. Dieser Identitätsnachweis kann mit der eID-Funktion des Ausweises erbracht werden. Ein erstes Beispiel zeigte die Senatsverwaltung für Inneres auf der Messe Moderner Staat Anfang November 2010: Demonstriert wurde, wie die Online-Kfz-Zulassung eines Neuwagens mit dem neuen Personalausweis funktioniert.

Studie ServiceStadt Berlin 2016

Um zu klären, wie es nach 2011 weitergehen soll mit der Modernisierung der Berliner Verwaltung, holte sich der Senat Unterstützung beim Deutsche Institut für Urbanistik (Difu). In der Studie ServiceStadt Berlin 2016 gab das Difu Hinweise, wie das zukünftige Angebot von Serviceleistungen des Landes Berlin und seiner Bezirke aussehen könnte. Die Difu-Studie habe bestätigt, „dass wir mit der Ausrichtung unseres aktuellen Modernisierungsprogramms richtig liegen“, sagt Ulrich Freise. Direkt nach Erscheinen der Studie im Jahr 2009 seien konkrete Maßnahmen abgeleitet und zehn neue Projekte gestartet worden. So hat beispielsweise der Bezirk Marzahn-Hellersdorf ein neues Format der Mitarbeiterbeteiligung erprobt. Fast 500 Beschäftigte nahmen über eine webbasierte Plattform an einem vierwöchigen Online-Diskurs über die weitere Entwicklung der Verwaltungsmodernisierung teil. Ergebnis: In dem Bezirk sollen bald eine permanente Online-Kundenbefragung, ein Beschäftigtenportal und ein Kiosksystem für die Bürger zur Verfügung stehen. Zudem, so Ulrich Freise, seien in den vom Difu definierten Handlungsfeldern „aufsuchende“ und „partizipative“ Verwaltung schon erste Schritte gemacht, etwa die mobilen Bürgerdienste, die bezirklichen Bürgerhaushalte oder Bürgerbeteiligungsverfahren bei der Bauplanung.

Einheitliche Strukturen und Prozesse

Die größte Herausforderung bei der Modernisierung ist jedoch, gleiche Strukturen und einheitliche IT-gestützte Geschäftsprozesse der Berliner Verwaltung zu gestalten. Diesem Ziel dient das Projekt zur Vereinheitlichung der Ämterstruktur der Berliner Bezirke. Denn: Obwohl die zwölf Bezirksämter grundsätzlich die gleichen Aufgaben wahrnehmen, sind sowohl der Aufbau als auch die Bezeichnungen der Organisationen verschieden. Verwaltungskunden, die mit mehreren Bezirksämtern zu tun haben, rätseln deshalb oft über Zuständigkeiten. Um diesem Zustand abzuhelfen, haben Senat und Abgeordnetenhaus beschlossen, eine einheitliche Ämterstruktur zu schaffen. Gesetzlich verankert wurde, dass bis Herbst 2011 jedes Bezirksamt unterhalb der Abteilungsebene in zehn Fachämter, drei Serviceeinheiten sowie sonstige Organisationseinheiten und Beauftragte gegliedert wird. Dabei wurden nicht nur die Bezeichnungen festgelegt, sondern auch das Aufgabenspektrum der Organisationseinheiten. Außerdem sollen verbindliche und vereinfachte einheitliche Geschäftsprozesse und Verfahren für deren IT-gestützte Abwicklung entwickelt werden. Das lässt sich jedoch nicht von heute auf morgen realisieren. Hoffnungen, bereits im Herbst 2011 flächendeckend einheitliche Verwaltungsverfahren in den Berliner Bezirken vorzufinden, seien weder realistisch noch berechtigt, so Frank Brockmann vom Referat „Landesweites Organisationsmanagement“ der Berliner Senatsverwaltung.

E-Government-Gesetz in Vorbereitung

Um für Rechtssicherheit der digitalen Verwaltungsverfahren zu sorgen, wird in Berlin derzeit ein E-Government-Gesetz vorbereitet. Ein Eckpunkte-Papier wurde bereits erstellt und mit den anderen Verwaltungen landesweit diskutiert. Ulrich Freise: „Wir erarbeiten auf dieser Grundlage gerade einen Referentenentwurf, der dem Staatssekretärsausschuss zur Verwaltungsmodernisierung im Februar vorlegt wird.“ Der Entwurf soll nicht nur mit den Senatsverwaltungen und den Bezirken abgestimmt werden, auch die Bürger können mitreden: „Wir beabsichtigen, diesen Referentenentwurf im Internet zu veröffentlichen – wir wollen über E-Partizipation nicht nur reden, sondern auch danach handeln“, kündigte Freise im Gespräch mit Kommune21 an. Im Juni 2011 soll ein abgestimmter Entwurf vorliegen. Das Gesetzgebungsverfahren wird – angesichts der Wahlen im September – aber erst im nächsten Jahr in Gang kommen.

Berliner Verwaltung der Zukunft

Folgt Berlin auch nach der Wahl dem eingeschlagenen Pfad und setzt die Vorschläge aus der Difu-Studie um, arbeiten die Ämter und Behörden der Hauptstadt künftig so:
Die Verwaltung geht aktiv auf die Bürgerschaft zu und moderiert gemeinsame Vorhaben. Sämtliche Anträge können die Bürger online stellen oder sich an die zentralen Anlaufstellen im jeweiligen Stadtteil wenden oder die mobilen Bürgerdienste nutzen, die flächendeckend angeboten werden. Alle telefonischen Anfragen werden über die zentrale Behördenrufnummer 115 beantwortet. Die Strukturen der Verwaltung sind auf die Bedürfnisse der Bürger ausgerichtet, die Dienstleistungen nicht nach Zuständigkeit, sondern nach Lebenslagen aufgebaut. Die zwölf Berliner Bezirksämter haben eine einheitlichen Organisationsstruktur und arbeiten mit identischen Geschäftsprozessen. Anliegen der Bürger werden IT-gestützt vom Antrag bis zur Bezahlung und Archivierung bearbeitet und medienbruchfrei abgewickelt.

Bei Aufruf SMS vom Bürgeramt

Das ist noch Zukunftsmusik. Heute schon können die Berliner Bürger Nützlicheres tun als auf dem Amt zu warten. In fünf Bezirken lenkt ein neues Termin- und Zeit-Management-System die Besucherströme und minimiert Stoß- und Wartezeiten. Im Amt erhalten die Bürger mittels eines Kiosksystems eine Nummer und werden gleich über die Wartezeit informiert. Beträgt diese mehr als 30 Minuten, können sie einen besonderen Service nutzen. Beim Ziehen der Wartenummer müssen sie lediglich ihre Handynummer eingeben und werden dann rechtzeitig vor dem Aufruf ihrer Nummer informiert: per Short Message Service. (al)

http://www.berlin.de/verwaltungsmodernisierung
Informationen zur einheitlichen Ämterstruktur der Berliner Bezirke (Deep Link)

Stichwörter: Berlin, ServiceStadt Berlin, Ulrich Freise, Verwaltungsmodernisierung



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