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Facebook gefällt


[20.6.2011] In Zeiten des Web 2.0 müssen Städte, Gemeinden und Kreise offen sein für Diskussionen. Wer den Anspruch hat, dialogorientiert zu kommunizieren, sollte die klassische Öffentlichkeitsarbeit um Social-Media-Angebote ergänzen. Dabei sollten Kommunen aber wissen, worauf sie sich einlassen.

Immer mehr Städte finden Freunde auf Facebook. (Foto: PEAK) Klassische Kommunikationskanäle reichen heute nicht mehr aus, um Themen zu transportieren. Diese Erkenntnis setzt sich auch bei immer mehr Kommunen durch, die in der Folge in sozialen Netzwerken aktiv werden oder ein derartiges Engagement erwägen. Laut einer Studie des Unternehmens Steria Mummert Consulting in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.-Institut wollen 55 Prozent der öffentlichen Verwaltungen noch in diesem Jahr in das Web 2.0 investieren. Als eine der beliebtesten Plattformen hat sich Facebook herauskristallisiert. „Facebook verleiht der kommunalen Interaktion noch einmal ganz neuen Schwung“, sind Claus Arndt und Thorsten Schröder, Internet-Beauftragter und Pressesprecher der Stadt Moers überzeugt. Gerade die Mischung aus kurioser Randnotiz wie dem Schnappschuss von Frühlingsblumen mit nettem Kommentar und Hinweis auf Entscheidungen von Verwaltung und Politik würden die Menschen an den Kanal binden sowie Meinungsäußerungen und Bewertungen provozieren.

Warum Web 2.0?

Als weitere Ziele von Web-2.0-Aktivitäten nennen die Vertreter der Stadt Moers eine Reichweitenerhöhung bei der Öffentlichkeitsarbeit, das Erschließen neuer Zielgruppen sowie die Erweiterung des Nachrichtenspektrums. Zudem biete die Bürgerbeteiligung die Möglichkeit, ein Stimmungsbarometer zu erhalten. Mobile Applikationen erlaubten darüber hinaus eine spontane Berichterstattung. Der städtische Internet-Auftritt sowie die E-Government-Angebote ließen sich über Querverweise stärken. Außerdem könnten die Web-2.0-Aktivitäten der Image-Pflege und der Service-Verbesserung dienen. Laut der Steria-Mummert-Umfrage sind mehr als acht von zehn Entscheidern in der Verwaltung überzeugt, dass Social-Media-Angebote Kommunen zu einem positiven Image verhelfen können. Zwei Drittel sehen in sozialen Netzwerken, Blogs, Twitter oder Apps zudem ein geeignetes Instrument, um die Arbeit der Behörden für Bürger transparenter zu gestalten.

Veränderung der Organisation gefordert

Aber nicht nur über die Ziele, die mit dem Social-Media-Auftritt erreicht werden sollen, müssen sich Kommunen im Vorfeld Gedanken machen. Es gilt auch die Organisationsstrukturen zu überdenken. Denn die Social-Media-Kanäle wollen bespielt und gepflegt werden. Dass dies eine personalpolitische Herausforderung darstellt, ist kein Geheimnis. Zusatzaufwand entsteht zum einen dadurch, dass jetzt mehrere Kanäle mit Inhalten versorgt werden müssen, für die jeweils eigenes Know-how notwendig ist. Zum anderen gilt es, die Nutzerreaktionen im Blick zu behalten und zu beobachten, was die Netzgemeinde über die Kommune schreibt. Darüber hinaus sind in sozialen Netzwerken schnellere Reaktionen gefordert als in klassischen Medien. Schwer wiegt auch die Tatsache, dass Erreichbarkeit und Reaktion rund um die Uhr, sieben Tage die Woche erwartet werden. Ohne persönliches Engagement der Beschäftigten sind diese Herausforderungen nicht zu meistern. Von der Verwaltungsspitze wird verlangt, den mit Social Media betrauten Mitarbeitern ihr Vertrauen zu schenken, da langwierige Freigabeprozesse in diesem Bereich nicht eingehalten werden können.

Soziales Netzwerken in Moers

In der nordrhein-westfälischen Stadt Moers, die sich auf Facebook, Twitter, YouTube, flickr, Qik und Netvibes tummelt und bereits die Erschließung weiterer Kanäle wie eines Wikis und Microblog-Systems vorbereitet, ist die Arbeit fachbereichsübergreifend auf mehrere Schultern verteilt, wie Claus Arndt und Thorsten Schröder berichten. Dies sei auch gut so. Denn der Social Networker sei anspruchsvoll. Statt einer Verlinkung von Pressemeldungen seien Authentizität und Exklusivität gefragt. Zwei Journalisten der Pressestelle und der Internet-Beauftragte kümmern sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten um die verschiedenen Angebote. Die übrigen Mitglieder der zentralen Internet-Redaktion tragen ebenfalls zum Gelingen des Web-2.0-Projektes bei, indem sie die von der Pressestelle gedrehten Videos schneiden und mit Untertiteln versehen oder die Blog-Beiträge des Bürgermeisters editieren. So wird nach Angaben von Arndt und Schröder erreicht, dass sich die Mehrbelastung im Rahmen hält beziehungsweise durch Aufgabenverschiebungen oder veränderte Priorisierungen kompensieren lässt.

Social Media Scouts

Entscheidend ist, so die Moerser, dass sich in der Verwaltung Social Media Scouts finden lassen, die mit dem Medium umgehen und in Abstimmung mit Verantwortlichen eine Plattform wie Facebook bespielen können. Auch Kommunen, die nicht über eine eigene Pressestelle oder Internet-Redaktion verfügen oder bei denen in den genannten Bereichen keine Affinität zum Web 2.0 vorhanden ist, müssen laut Arndt und Schröder nicht verzagen. Denn in jeder Verwaltung fänden sich Interessierte oder Begeisterte, die autorisiert werden können, die neuen Kanäle zu öffnen.
In der Stadt Stuttgart, die Anfang des Jahres eine regelrechte Web-2.0-Offensive gestartet hat, bei der die gesamte Öffentlichkeitsarbeit neu ausgerichtet und um Social-Media-Komponenten ergänzt wurde, steht eine Änderung der Organisationsstruktur kurz bevor. Bei der Neuaufstellung des Teams setzt die baden-württembergische Landeshauptstadt auf eine Matrix-Organisation, eine Struktur, die Kooperation fördert, wie Markus Vogt, Leiter der Abteilung Kommunikation der Stadt Stuttgart, im Interview mit Kommune21 sagt. Ein zentraler Newsdesk, an dem alle Themen bearbeitet werden und gemeinsam entschieden wird, wie sie crossmediale Verbreitung finden, sei bereits eingerichtet.
Um den Überblick über die Veröffentlichungen auf den verschiedenen Plattformen zu behalten und die Konsistenz der Inhalte zu gewährleisten, können darüber hinaus so genannte Content-Distribution-Systeme (CDS) hilfreich sein, meint Detlef Sander, Vorstandsvorsitzender der Firma net-Com, die derartige Systeme anbietet. Solche Front Ends dienen der Verwaltung mehrerer Social-Media-Präsenzen mit voller Umsetzung des Freigabeprinzips.

Haftung für fremden Content

Auch rechtliche Aspekte dürfen bei einer Präsenz auf Facebook nicht außer Acht gelassen werden. Viele der mit sozialen Medien einhergehenden rechtlichen Fragen sind jedoch (höchst-)richterlich noch nicht abschließend geklärt, erläutert Jan-Peter Psczolla, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Medien- und Internet-Recht. Eine Frage ist zum Beispiel, unter welchen Voraussetzungen Anbieter von Städteprofilen in sozialen Netzwerken für Inhalte haftbar gemacht werden können, die sie entweder selbst dort veröffentlichen oder die von Usern mittels Upload eingestellt werden. Zwar gelte der Grundsatz, dass eine Haftung des Plattformbetreibers für fremde Inhalte grundsätzlich erst dann eintritt, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt und es dennoch unterlassen hat, die rechtswidrigen Inhalte zu entfernen. Eine Haftung des Plattformbetreibers auch ohne Kenntnis der Inhalte sei aber dann zu bejahen, wenn sich der Anbieter die Inhalte zu eigen gemacht hat. Davon ist nach Angaben von Psczolla immer dann auszugehen, wenn der Plattformbetreiber aus Sicht eines objektiven Betrachters fremde Inhalte als eigene erscheinen lässt. Der Anwalt führt weiter aus: Wer eigene und fremde Inhalte nicht eindeutig trennt, fremde Inhalte mit dem eigenen Namen, Logo oder Stadtwappen kennzeichnet, fremde Inhalte einer Vorabprüfung und Bewertung unterzieht oder sich in den Nutzungsbedingungen weitgehende Rechte an den fremden Inhalten einräumen lässt, haftet nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sowohl für fremden Content wie für eigene Inhalte und kann im Verletzungsfall auf Unterlassung und gegebenenfalls auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

Einbinden des Like-Buttons

Offen ist zudem, inwiefern der Like-Button von Facebook mit geltendem Datenschutzrecht vereinbar ist, schreibt Psczolla. Der Button, der in die eigene Internet-Präsenz eingebunden werden kann, bewirkt, dass der Nutzer bei dessen Betätigung in seinem Facebook-Account einen Hinweis hinterlassen kann, dass ihm die Web-Seiteninhalte gefallen. Problematisch an diesem Tool sei, dass nicht nur personenbezogene Daten desjenigen an Facebook übertragen werden, der die Funktion nutzt, sondern noch vollkommen unklar ist, ob und in welchem Umfang Daten von sämtlichen Besuchern der Web-Seite an Facebook übermittelt werden. Sollte letzteres der Fall sein, bedürfte es zwingend einer ausdrücklichen Einwilligung der Web-Seitenbesucher in die Datenübermittlung, die faktisch nicht zu bekommen ist. Zudem muss der Nutzer in einer Datenschutzerklärung über Art und Umfang der Datenerhebung und -bearbeitung informiert werden. Vor dem Hintergrund der bestehenden Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Like-Button von Facebook oder vergleichbaren Funktionen anderer Anbieter ist nach Aussage von Psczolla von dessen Verwendung derzeit abzuraten.

Zubringer zum Portal

Die organisatorischen Herausforderungen und rechtlichen Unsicherheiten sollten Kommunen aber nicht davon abhalten, auf Social Media zu setzen. Schließlich sind die damit erreichbaren Ziele vielversprechend und die Erfahrungen, welche die Städte und Gemeinden machen zumeist positiv. Maria Pöttering von der Abteilung Kommunikation der Braunschweig Stadtmarketing GmbH beispielsweise beschreibt Facebook als Chance, mit und bei den Menschen im Gespräch zu bleiben, die nicht aktiv nach Informationen der Stadt suchen. Die Reaktionen auf den Facebook-Auftritt, für dessen Inhalt die Braunschweig Stadtmarketing GmbH verantwortlich ist, seien fast ausschließlich positiv, und das, obwohl der betriebene Aufwand vergleichsweise gering bemessen sei. Sichtbar werde dies durch die gestiegenen Nutzungszahlen der städtischen Internet-Seiten: Statistiken belegen laut Pöttering, dass auf der Facebook-Seite veröffentlichte Links aktiv genutzt werden, um weiterführende Informationen zu erhalten. Auch Detlef Sander von net-Com meint, dass sich Synergien ergeben, wenn externe Medien als Zubringer zum Stadtportal eingesetzt werden. In Moers ist man davon überzeugt, dass die ständigen Verweise auf die städtische Website die Basis für eine fundierte Diskussion festigen und die Bürger somit stärker an gemeinschaftliche Belange herangeführt werden, was ein Einstieg in E-Partizipation und E-Demokratie sein könne.

Rückmeldung erwünscht

Rückmeldung ist auch in Stuttgart erwünscht. Als weitere Ziele nennt Markus Vogt das Werben um Vertrauen, die Verbesserung der Informationsbereitstellung und insbesondere die Offenheit für Diskussionen. Dabei sei die Stadt lediglich einer von mehreren Kommunikationsteilnehmern. Der offene Dialog, der auch der Stadt Moers wichtig ist, führte in Stuttgart im Vorfeld zu einigen Diskussionen, erzählt Vogt, weil über die Social-Media-Kanäle eben auch Kritik und kontroverse Themenerörterungen stattfänden. Doch wer den offenen Dialog mit den Bürgern möchte, muss das aushalten, ist Vogt überzeugt.
Bislang lag der Schwerpunkt in den Fachämtern und den Stellen für Öffentlichkeitsarbeit darin, Informationen aus Politik und Verwaltung gut aufbereitet der Öffentlichkeit näherzubringen. Heute gilt es hingegen, sich auch den Botschaften zu stellen, welche Bürger und Unternehmen in die andere Richtung absetzen, schreibt Renate Mitterhuber, Leiterin des Referats E-Government- und IT-Strategie der Finanzbehörde Hamburg, im Vorwort zum Leitfaden „Social Media in der Hamburgischen Verwaltung“. „Die Frage, der sich eine moderne Verwaltung heute stellen muss, lautet nicht mehr, ob sie sich dieser neuen Form von Kommunikation öffnet, die bereits weite Teile der Gesellschaft prägt, sondern wie sie es am besten anstellt, daraus einen Gewinn für sich und diejenigen, die mit ihr diskutieren wollen, zu generieren. Dass die Verwaltungskultur der Philosophie von Social Media weitestgehend entgegensteht, sollte dabei nicht als Hindernis, sondern als eine besondere Herausforderung angesehen werden, die es zu gestalten gilt.“ Der Hamburger Leitfaden stellt mehrere Social Media Tools detailliert vor, beschreibt Best Practices, geht auf rechtliche Rahmenbedingungen ein und bietet darüber hinaus ein Muster für Social Media Guidelines. Eine Rückmeldung der Verwaltungsmitarbeiter zu dem Dokument ist ausdrücklich erwünscht. Stuttgart erstellt momentan ebenfalls eine solche Richtschnur, um Beschäftigten Hilfestellung bei der Kommunikation über Social Media zu bieten und das Thema verwaltungsintern auf eine breite Basis zu stellen.

Kein temporäres Phänomen

Die interne Akzeptanz wird für die Zukunft ganz entscheidend sein, denn der Stellenwert sozialer Netzwerke wird sich noch deutlich erhöhen. Detlef Sander von net-Com ist davon überzeugt, dass sie zusammen mit anderen Medien wie Fachportalen und mobilen Plattformen mindestens die gleiche Bedeutung erlangen werden wie das Stadtportal. Schließlich gilt es, die Zielgruppen dort abzuholen, wo sie sich am häufigsten aufhalten. Und das ist nun mal im Web 2.0 – gerade was die jüngeren Bevölkerungsschichten anbelangt. Facebook wird von vielen zunehmend auch als Informationsmedium genutzt. Dabei konsumieren Nutzer Inhalte, produzieren und verbreiten sie aber auch. Markus Vogt von der Stadt Stuttgart meint: „Wer den Anspruch hat, dialogorientiert zu kommunizieren, sollte die klassische Medienarbeit um Social-Media-Angebote ergänzen. Ich warne aber vor Schnellschüssen: Wer auf Social Media setzt, öffnet neue Tore, weckt Erwartungen bei den Bürgern. Man sollte wissen, worauf man sich einlässt.“ (rt)

http://www.facebook.com/stadtmoers
http://www.facebook.com/stadt.stuttgart
http://www.facebook.com/braunschweig
Der Hamburger Leitfaden Social Media zum Download (PDF; 5,9 MB) (Deep Link)

Stichwörter: Social Media, Web 2.0, Soziale Netzwerke, Facebook, Moers, Stuttgart, Braunschweig, net-Com, Hamburg, Renate Mitterhuber



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