REPORT:
Europäische Strategien


[8.8.2011] Landesgrenzen sollen in der EU auch beim E-Government kein Hindernis darstellen. Wichtig hierfür sind ein interoperabler Datenaustausch sowie ein elektronisches Identitätsmanagement. Weitere Aspekte nationaler Strategien sind Open Data, Kostensenkungen und rechtliche Rahmenbedingungen.

Die Europäische Union strebt ein E-Government ohne Grenzen an. (Foto: PEAK) Die EU hat im Bereich E-Government erhebliche Fortschritte gemacht, für eine Führungsposition reichen sie allerdings noch nicht aus, so Neelie Kroes. Die für die Digitale Agenda zuständige EU-Kommissarin schreibt in Kommune21, dass sich die Zahl der E-Government-Angebote in den vergangenen Jahren zwar beträchtlich erhöht hat, nach wie vor aber eine deutliche Lücke zwischen der Verfügbarkeit elektronischer Services und der tatsächlichen Nutzung besteht. Zudem seien zahlreiche E-Government-Dienste technisch nicht sehr ausgereift. Aus diesem Grund ist die Förderung von E-Government ein elementarer Bestandteil der Digitalen Agenda für Europa, mit der bis 2020 eine florierende Digitalwirtschaft geschaffen werden soll. Mittels E-Government lasse sich die Konkurrenzfähigkeit der EU verbessern, und öffentliche Verwaltungen könnten bei Budgetbeschränkungen bessere Dienste kosteneffizienter erbringen. Bis 2015 sollen 50 Prozent der Bürger und 80 Prozent der Unternehmen auf E-Government setzen.

Grenzenloses E-Government

Der von der EU-Kommission Ende 2010 verabschiedete E-Government-Aktionsplan 2011-2015, der fester Bestandteil der Digitalen Agenda für Europa ist, will den Wechsel auf eine neue Generation offener, flexibler und medienbruchfreier Online-Dienste auf kommunaler, regionaler, nationaler und EU-Ebene unterstützen. Konkreter noch zielt er darauf ab, die Dienstleistungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten ebenso gut nutzbar zu machen wie im eigenen Land und Nutzern den Weg zu ebnen, Online-Verwaltungsservices aktiv zu gestalten. Dieser ganzheitliche Ansatz weist laut Kroes über Staatsgrenzen hinaus und muss bei allen E-Government-Projekten und -Strategien berücksichtigt werden. Die EU-Kommission strebt ein E-Government ohne Grenzen an. Entscheidend hierfür ist die Interoperabilität beim Datenaustausch.

Forschen für Interoperabilität

Interoperable und wiederverwendbare Dienste, die auf gemeinsamen offenen Spezifikationen basieren und von einer großen Anzahl an EU-Mitgliedern anerkannt werden, werden im Rahmen von groß angelegten, von EU und Mitgliedsstaaten unterstützten Pilotprojekten wie STORK zur grenzüberschreitenden Anerkennung von eID-Systemen oder PEPPOL für E-Procurement entwickelt. Wie weit Europa beim Thema Interoperabilität vorangekommen ist, hat das Forschungsprojekt „Pan-European Struggle for Interoperability in e-Government Environments“ der Staatlichen Universität Moskau und des Europäischen Zentrums für Semantische Interoperabilität (SEMIC.EU) untersucht. Die Autoren der Studie empfehlen, dass für die Entwicklung von E-Government-Anwendungen etablierte Technologien und Standards vorgeschrieben werden müssten. Zum Beispiel die deutschen Standards und Architekturen für E-Government-Anwendungen (SAGA). Das von der Bundesregierung bereitgestellte SAGA-Dokument sei bereits von mehreren Ländern, darunter Großbritannien, adaptiert worden und spiele eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung paneuropäischen E-Governments.

Deutschland: Ambitionierte Ziele

Ein schöner Erfolg für E-Government Made in Germany. Einen weiteren bescherte der Bundesrepublik die aktuelle Vergleichsstudie der EU-Kommission, bei der Deutschland das beste Resultat seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2001 erzielte. Das ist auch gut so, schließlich ist es das erklärte Ziel der Bundesregierung bis 2015 beim E-Government in Europa einen Spitzenplatz einzunehmen. So steht es zumindest in der ersten Nationalen E-Government-Strategie, die der IT-Planungsrat im Herbst vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Das Papier legt unter anderem eine Nutzerorientierung von E-Government-Services fest und fordert ein One Stop Government nach dem Vorbild des Einheitlichen Ansprechpartners gemäß EU-Dienstleistungsrichtlinie. Zudem sollen alle geeigneten Verwaltungsangelegenheiten über das Internet abschließend elektronisch erledigt werden können. Dazu werden laut dem Dokument die elektronische und die papiergebundene Kommunikation rechtlich gleichgestellt.
Die deutsche E-Government-Strategie fordert außerdem: Verwaltungsabläufe werden so modelliert, dass ebenenübergreifende Prozesse gestaltet werden können. Bund und Länder schaffen darüber hinaus die Voraussetzungen für eine verpflichtende Nutzung elektronischer Verfahren. Auch die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen findet mit IT-Unterstützung statt. Der IT-Planungsrat definiert dazu fachübergreifende Interoperabilitäts- und Sicherheitsstandards, die den sicheren Austausch digitaler Akten und Dokumente ermöglichen und baut eine IT-Plattform für die Zusammenarbeit von Ämtern und Behörden in einer sicheren Umgebung auf. Auch eine rechtliche Grundlage wird geschaffen. Noch in dieser Legislaturperiode soll ein E-Government-Gesetz verabschiedet werden.

Spanien: E-Government-Gesetz als Motor

Deutschland arbeitet noch daran, Spanien hat bereits ein E-Government-Gesetz. Und das schon seit einigen Jahren. Gemäß dem 2007 erlassenen Gesetz müssen spanische Verwaltungen Bürgern die Möglichkeit bieten, mit dem öffentlichen Dienst auf elektronischem Wege zu kommunizieren. Da es für die Landesregierung seit 2009 verbindlich ist, stehen heute fast 100 Prozent der Prozesse auf Landesebene elektronisch zur Verfügung, auf regionaler Ebene sind es 77 Prozent. Das Gesetz gilt als Motor für die weitere Umsetzung von E-Government in Spanien. Die Vergleichsstudie der EU-Kommission belegt, dass der iberische Staat einen Sprung nach vorne gemacht hat: Spanien belegt hier Platz 8.
Eine weitere Säule der aktuellen spanischen E-Government-Strategie ist der so genannte Avanza-Plan, dessen Realisierung auf einem Kooperationsmodell basiert, bei dem jede der 17 autonomen Gemeinschaften einen eigenen Aktionsplan hat. Ein Schwerpunkt der zweiten Phase des Avanza-Vorhabens liegt auf der Weiterentwicklung des elektronischen Identitätsnachweises DNIe (Documento Nacional de Identidad electronico), der seit 2006 ausgegeben wird. Laut der EU-Benchmark-Studie besitzt aktuell jeder dritte Spanier ein DNIe. Und obwohl rund 500 E-Services auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene bereitstehen, werden diese von den Bürgern nur zögerlich angenommen. Um die Nutzung zu forcieren, wurde Mitte 2009 eine Zusammenarbeit zwischen der Regierung und IT-Unternehmen vereinbart.
Für ein E-Government ohne Grenzen ist die Möglichkeit, sich elektronisch ausweisen zu können von grundlegender Bedeutung. Die Bundesrepublik ist laut EU-Kommissarin Neelie Kroes ein Vorreiter bei der Bereitstellung einer sicheren eID-Lösung für die Bürger. Allerdings gilt beim neuen Personalausweis (nPA) ebenso wie beim spanischen DNIe: Es sind Anreize notwendig, damit das Dokument genutzt wird.
Neben dem elektronischen Identitätsnachweis legt der spanische Avanza-Plan einen Schwerpunkt auf die Veröffentlichung von Verwaltungsdaten. Hier haben insbesondere die spanischen Regionen entsprechende Initiativen erarbeitet. Um die Open-Data-Strategie auch auf nationaler Ebene zu forcieren, fand Anfang Juni 2011 in Madrid eine Veranstaltung statt, bei der sich Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler, Bürger und Akteure von Non-Profit-Organisationen unter anderem mit Sicherheitsaspekten, technischen Herausforderungen sowie neuen Möglichkeiten der Kommunikation und Partizipation zwischen Behörden, Wirtschaft und Öffentlichkeit beschäftigten. Fernando de Pablo aus dem Ministerium für Territorialpolitik und Öffentliche Verwaltung sagte: „Die Wiederverwertung der öffentlichen Daten sorgt für eine hohe Effizienz des Public Sector und ermöglicht einen Konjunkturaufschwung durch Zusammenarbeit.“

Großbritannien: Digitale Revolution

Während Spanien Open Data auf Landesebene noch diskutiert, hat sich das Konzept in Großbritannien bereits etabliert. Das Vereinigte Königreich gilt neben den USA als Vorreiter bei der Offenlegung von Verwaltungsdaten. Die neue IT-Strategie, welche die britische Regierung Mitte März 2011 verkündete, sieht neben einem weiteren Ausbau der Transparenz des Verwaltungshandelns einen radikalen Sparkurs vor. Ziel ist es, die IT-Kosten um mehrere Millionen Pfund zu senken. Mit der neuen Strategie verpflichtet sich die Regierung außerdem, die Kosten für Rechenzentren, in denen öffentliche Daten verarbeitet werden, innerhalb von fünf Jahren um 35 Prozent zu senken. Über eine gemeinsame IT-Infrastruktur sollen künftig Anwendungen geteilt und wiederverwendet werden. Dazu wird ein Register der Lösungen aufgebaut und ein Public Sector App Store ins Netz gestellt. Allgemeine und offene Standards sollen für die Interoperabilität der IT-Systeme der Behörden sorgen und dazu beitragen, dass das Angebot breiter wird und mehr IT-Unternehmen innovative Lösungen für Ämter und Behörden entwickeln können. Damit sind insbesondere Firmen angesprochen, die Lösungen auf Basis von Open Source Software programmieren.
Kostensenkungen will die britische Regierung auch im Online-Bereich erzielen. Eine Kommission unter Leitung von Martha Lane Fox, Digital Champion der britischen Regierung, hatte Ende vergangenen Jahres im Bericht „Directgov 2010 and Beyond: Revolution Not Evolution“ vorgeschlagen, statt bislang mehr als 800 Behörden-Websites nur noch ein einziges Online-Portal zu schaffen. Mit dem einheitlichen Zugang zur Verwaltung sollen mehr als die Hälfte der 130 Millionen Pfund (etwa 148 Millionen Euro) gespart werden, die der Betrieb der Websites kostet. Im Mai startete ein Testlauf für das einheitliche Regierungsportal. Der Prototyp alpha.gov.uk nutzt rund 200 einfache, wiederverwendbare Tools, um einige der häufigsten Fragen an die Verwaltung zu beantworten. Ziel ist es, von der Öffentlichkeit ein Feedback zu bekommen, ob die neuen Ansätze den Bedürfnissen der Bürger Rechnung tragen. Der Prototyp erlaubt zudem einen ersten Blick darauf, wie sich eine Behörde auf einer einheitlichen Regierungsdomain präsentiert. Darüber hinaus wird mit alpha.gov.uk eine neue Informationsarchitektur auf Basis von Open Source Software erprobt. Der jetzt planmäßig beendete Testlauf hat laut Cabinet Office kein klares Bild über die künftigen Nutzer erbracht. Das Programm zur Etablierung eines zentralen Verwaltungsportals soll aber fortgeführt werden. Nähere Informationen werden in Kürze erwartet.
All diese revolutionären Aktivitäten soll ein neu ernannter Executive Director of Digital der britischen Regierung umsetzen: Mike Bracken, der künftig für die Überwachung und Verbesserung jeglicher Internet-Präsenzen der Verwaltung verantwortlich zeichnet und dafür sorgen soll, dass mehr Verwaltungsdienstleistungen online angeboten werden. Der ehemalige Chef der Online-Entwicklung bei der Zeitung The Guardian hat seinen Dienst Anfang Juli 2011 angetreten.

Gemeinsam zum Erfolg

In Großbritannien ist zwar einiges in Bewegung im Bereich IT und E-Government, die europäische Dimension ihres Handelns spielt bei den Briten allerdings keine so große Rolle. Anders in Deutschland: Der IT-Planungsrat weist in seinem Memorandum zur Umsetzung der Nationalen E-Government-Strategie explizit auf die europäische Dimension hin. In dem Papier heißt es: Wir wollen das deutsche E-Government stärker in Richtung Europa orientieren. Zukünftig wird die europäische Ausrichtung des deutschen E-Government stärker im IT-Planungsrat abgestimmt. Zudem soll die deutsche Beteiligung beispielsweise an europäischen Aktivitäten für Pilotprojekte im E-Government durch den IT-Planungsrat befördert werden.
EU-Kommissarin Neelie Kroes wäre erfreut. Denn ihrer Meinung nach muss für ein E-Government ohne Grenzen bei der Ausarbeitung und Einführung neuer IT-Strategien und Verfahren stets ein ganzheitlicher, grenzüberschreitender Ansatz im Blick behalten werden. Auch jede einzelne Kommunalverwaltung müsse sich der europäischen Dimension ihres Handelns bewusst sein. Da die digitale Welt ständig in Bewegung und die Entwicklungen vielfach so schnell sind, sei Zusammenarbeit notwendig, um den Herausforderungen begegnen und von den Möglichkeiten profitieren zu können. (rt)

Informationen zur Digitalen Agenda für Europa (auf Englisch) (Deep Link)
Europäischer E-Government-Aktionsplan 2011-2015 (Deep Link)
http://www.epractice.eu
Die deutsche E-Government-Strategie (Deep Link)
http://www.planavanza.es
http://www.cabinetoffice.gov.uk
http://alpha.gov.uk
Memorandum des IT-Planungsrates (Deep Link)

Stichwörter: EU-Kommission, E-Government-Aktionsplan, Digitale Agenda für Europa, Neelie Kroes, E-Government-Studie, Nationale E-Government-Strategie, IT-Planungsrat, Spanien, elektronisches Identitätsmanagement, Großbritannien, Open Data, alpha.gov.uk



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