[27.8.2012] Durch den Einsatz von iPads im Gemeinderat ist die Kommunikation in Illingen einfacher und schneller geworden. Doch das ist nur der Anfang. Ziel ist die App-Kommune mit größtmöglicher Vernetzung, einfacher politischer Tagesarbeit und hoher Transparenz.
Anfangs waren es nur die Fraktionsvorsitzenden, die Beigeordneten und der Bürgermeister, die das Experiment iPad-Sitzungsdienst wagten, doch sehr schnell fand der gesamte Gemeinderat im saarländischen Illingen Gefallen an dieser Form der mobilen Kommunikation. Statt tonnenweise Papier zu schleppen, zu stapeln und zu archivieren, statt sich über schlecht kopierte Vorlagen zu ärgern, setzen die Lokalpolitiker auf Tablet-PCs und Vernetzung. Von einem Paradigmenwechsel spricht der Erste Beigeordnete Christian Petry, von einer kleinen Revolution der grüne Beigeordnete Hans Peter Metzinger, von einem notwendigen Schritt der CDU-Fraktionsvorsitzende Alfons Vogtel. Es gebe keinen Grund, warum die Politik antiquiertes Arbeitsgerät nutzen solle, wenn Wirtschaft und Institutionen wie selbstverständlich auf neue Technik setzten.
Tauglichkeit prüfen
Voraussetzung für das Experiment war zum einen die überparteiliche Übereinkunft von CDU, SPD, Linken, FDP und Grünen, auf Papierunterlagen zu verzichten und konsequent das Ratsinformationssystem ALLRIS zu nutzen und zum anderen die Verständigung darauf, die Beschaffung der iPads nicht an die große Glocke zu hängen, um keine Debatte über Sinn und Unsinn einer Tablet-PC-Nutzung zu provozieren. Denn zunächst sollte die Tauglichkeit des Systems getestet werden.
Ressourcen schonen
Der Einsatz von Notebooks war zwar bei einem Teil der Ratsmitglieder Standard, doch erwiesen sich die Geräte im praktischen Einsatz als sperrig und schwer. Die Freude am Einsatz der Laptops für Sitzungen wurde zudem durch kurze Akkulaufzeiten und Verbindungsprobleme getrübt. Ein Erfahrungsbericht zum Kongress Moderner Staat im Ältestenrat war die Initialzündung für ein Modernisierungskonzept. Dabei wurden vor allem die Erfahrungsberichte in der Zeitschrift Kommune21 genutzt. Als wichtigste Argumente wurden die Einsparung von Papier und die Chancen einer optimierten Kommunikation angeführt. Der Gemeinderat hat 33 Mitglieder, die Ausschüsse bis zu 13 Mitglieder. Bei 12 Gemeinderats- und 40 Ausschusssitzungen pro Jahr werden in einer Wahlperiode rund 150.000 Blatt Papier für Vorlagen benötigt – Testdrucke, Fehlkopien und Dubletten nicht eingerechnet. Da Illingen als eine von zwei saarländischen Kommunen nach dem europäischen EMAS-Standard (Eco-Management and Audit Scheme) zertifiziert ist, erwies sich das Argument der Ressourcenschonung als besonders schlagkräftig.
Herausforderungen meistern
Das Projekt stellte für den Illinger Gemeinderat und die Verwaltung in jeder Hinsicht eine große Herausforderung dar, zumal auch iPad-Novizen als Pilotanwender fungieren wollten. Gefordert war insbesondere die IT-Abteilung im Rathaus. „Aufgrund einer gewissen Scheu vor Veränderungen hatten viele Gemeinderatsmitglieder auch nach Einführung des Sitzungsdienstprogramms ALLRIS Papiervorlagen vorgezogen“, erzählt Elmar Meiser, Fachbereichsleiter Zentrale Dienste. Sein Stellvertreter Ralf Schreiner, der gleichzeitig IT-Chef ist, hatte mehrfach versucht, die Ratsmitglieder für papierlose Sitzungen zu begeistern, war aber immer wieder auf Widerstände gestoßen. Mit klassischen Notebooks war dies offensichtlich keine attraktive Alternative. Mit iPad und Apps sollte sich das ändern.
Konsequenter Papierverzicht
Meinungsführer wie der SPD-Fraktionsvorsitzende Guido Jost, der CDU-Fraktionschef und langjährige Landtagsvizepräsident im Saarland Alfons Vogtel sowie der langjährige FDP-Landtagsabgeordnete Karl-Josef Jochem testeten im Echtbetrieb, ob der Umstieg auf digitale Unterlagen mit iPads möglich ist. Und: Die Pilotanwender blieben beim Papierverzicht konsequent und ließen sich auch von kleinen Programmfehlern, von Netzzugangshürden und Passwörtern nicht von ihrem Kurs abbringen. Der Test verlief sehr viel besser als erwartet und motivierte auch die übrigen Ratsmitglieder, dem Verzicht auf Papiervorlagen schriftlich zuzustimmen. Das war die Voraussetzung dafür, mobile Geräte für den Gemeinderat anzuschaffen. Die Ratsmitglieder müssen lediglich eine Vereinbarung unterschreiben. Einschränkungen gibt es keine. Dafür verzichten die Politiker auf einen Teil ihrer Aufwandsentschädigung. Mit dieser Regelung, die einstimmig abgesegnet wurde, sollte all jenen in der Öffentlichkeit der Wind aus den Segeln genommen werden, die eventuell Neiddebatten lostreten wollten.
Paradigmenwechsel gelungen
Dass der Paradigmenwechsel gelungen ist, lässt sich schon nach wenigen Monaten sagen. Die Kommunikation ist einfacher und schneller geworden – und das nicht nur zwischen Rat und Fraktionen, sondern auch mit Ausschussexperten und Externen. „Man kann tatsächlich effizienter arbeiten“, stellt der Beigeordnete Gerhard Meiser (SPD) fest. Die Meinungsführer aus den Fraktionen sind ebenfalls begeistert.
Den ersten Erfahrungen nach zu urteilen, erlauben mobile Geräte dem Gemeinderat ein einfacheres, wirtschaftlicheres, effizienteres, effektiveres, kommunikativeres und zeitgemäßeres Arbeiten. Zum ersten Mal hat ein IT-System nicht zusätzlich Papier produziert, sondern tatsächlich eingespart. Selbst kurzfristig einberufene Sitzungen können ohne Materialschlacht bewältigt werden. Der Einsatz von Tablet-PCs ist also kein Luxus, sondern Stand der Technik und allgemein zu empfehlen. Insbesondere im Bau- und im Finanzausschuss, wo mit umfangreichen Tabellen, Plänen, Grafiken und Charts gearbeitet wird, schätzt man die Vorteile der Digitalisierung. Und dabei wird bislang erst ein Bruchteil der Möglichkeiten, die ein Tablet-PC bietet, genutzt.
App-Kommune als Ziel
Ziel ist die App-Kommune der Zukunft mit größtmöglicher Vernetzung, einfacher politischer Tagesarbeit und hoher Transparenz. Der Anfang ist gemacht. Jetzt folgt die Komplett-Digitalisierung mit Unterstützung des integrativen kommunalen Betriebs DSI. Der nächste Schritt soll die Vereinfachung und Standardisierung von Verwaltungsabläufen sein. Eine landesweite App pro Anwendung und keine zehn Software-Varianten mehr – so lautet ein Ziel, dem sich die Illinger verschrieben haben. Zu diesem Zweck haben sich die Kommunen im Landkreis Neunkirchen darauf verständigt, alle angewandten Verwaltungs- und Sitzungsprogramme zu dokumentieren. Ziel ist eine kreisweite Harmonisierung.
Dr. Armin König ist Bürgermeister der Gemeinde Illingen (Saar).
Dieser Beitrag wird in der September-Ausgabe von Kommune21 veröffentlicht. Das Heft erscheint am 31.08.2012. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: PEAK