Interview:
Einen Schritt voraus


[2.4.2014] Die Zuständigkeiten für das Top-Thema Digitalisierung sind in Bayern ab sofort beim Finanzministerium gebündelt. Welche Aufgaben im Fokus stehen, erläutert Finanzminister Markus Söder, neuer Chief Information Officer des Freistaats, im Kommune21-Interview.

Bayern soll zu einer Leitregion für den digitalen Aufbruch werden, sagt Finanzminister und CIO Dr. Markus Söder. Herr Minister Söder, Ihre Ernennung zum Bayern-CIO war schon eine kleine Überraschung. Was hat den Freistaat dazu bewogen, die IT zur Chefsache zu erklären?

Die Digitalisierung Bayerns ist eine der größten Herausforderungen der aktuellen Legislaturperiode. Dazu zählen allen voran der Breitband-Ausbau, die Datensicherheit und der Ausbau von staatlichen Online-Services für Bürger und Unternehmen. Wir wollen Bayern zu einer Leitregion für den digitalen Aufbruch machen. Bis 2018 soll ganz Bayern mit einem flächendeckenden Hochgeschwindigkeitsnetz erschlossen sein. Das sind große Aufgaben, deshalb ist es wichtig, dass die Zuständigkeit gebündelt wird.

Welche Vorteile erhoffen Sie sich von der Bündelung der Aufgaben?

Durch den Neuzuschnitt der Ressorts ist das Finanzministerium noch mehr als bisher auch Digitalisierungsministerium. Digitalisierung aus einer Hand bündelt Know-how, beschleunigt die Umsetzung und senkt Kosten. Die beiden bislang getrennten staatlichen Rechenzentren Nord und Süd haben wir zum Bayern-Server zusammengeschlossen – ein weiterer entscheidender Schritt zur Steigerung von Effizienz und Sicherheit. So erreichen wir eine bessere Absicherung der Verwaltungsnetze gegen Hacker- und Abhörangriffe. Eigenständig bleiben nur Polizei und Steuerverwaltung. Parallel dazu haben wir das Bayerische Breitband-Konzept entwickelt. Unsere Philosophie: Richtlinie vereinfachen, Beratung verbessern, Förderung erhöhen. Ich finde, das kann sich sehen lassen.

„Es ist von Vorteil, wenn die Koordination und Steuerung der zentralen IT-Themen aus einer Hand erfolgen.“

Wollen Sie mit dieser Aufwertung der IT auch ein Signal an andere Bundesländer und den Bund senden?

Es ist von Vorteil, wenn die Koordination und Steuerung der zentralen IT-Themen, wie in Bayern, aus einer Hand erfolgen. Wir sind davon überzeugt: Das ist der richtige Weg.

Mit dem erwähnten Breitband-Konzept haben Sie gleich zu Beginn Ihrer Tätigkeit als CIO Akzente gesetzt. Was ist konkret geplant?

Für eine flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet wollen wir bis zum Jahr 2018 1,5 Milliarden Euro investieren. Ende 2012 wurde hierzu ein Förderverfahren gestartet. Mit seinen insgesamt 19 Schritten wird das Verfahren aber von vielen Kommunen als zu bürokratisch und umständlich empfunden. Das neue bayerische Breitband-Konzept basiert auf drei Säulen: Beratung verbessern, Fördermittel erhöhen und das Verfahren deutlich straffen. Wir gehen davon aus, dass die EU die überarbeitete Richtlinie im Frühjahr akzeptiert.

Ihr Parteikollege Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, hat kürzlich eine Netzallianz Digitales Deutschland ins Leben gerufen, um den Breitband-Ausbau in Deutschland voranzutreiben. Wie bewerten Sie den Vorstoß?

Mit Bundesminister Dobrindt spielen wir gewissermaßen einen digitalen Doppelpass. Auch der Bund ist gefragt: Um Anreize für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau zu schaffen, erwarten wir von Berlin Änderungen bei den Nutzungsentgeltregelungen. Der von der Regierung angestrebte flächendeckende Breitband-Ausbau mit 50 Mbit/s bis 2018 kann nur Hand in Hand mit den beteiligten Akteuren gelingen. Dazu gehören unter anderem die Telekommunikationsunternehmen. Wir streben auch für den Freistaat Bayern einen Breitband-Pakt mit Netzbetreibern an.

Warum ist die Digitalisierung für den ländlichen Raum so wichtig?

Schnelles Internet liefert einen wesentlichen Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse und ist ein wichtiger Standortfaktor. Es ist der Schlüssel, um ein Bayern der zwei Geschwindigkeiten zu vermeiden. Strukturschwache Regionen müssen schnell und effektiv gefördert werden, damit sie nicht auf dem digitalen Abstellgleis landen.

Maßstäbe setzen soll Bayern auch beim Thema E-Voting: Es könnte als erstes Bundesland bei der Landtagswahl 2018 die elektronische Stimmabgabe ermöglichen. Wie konkret ist dies?

Das Thema Online-Wahlen ist noch Zukunftsmusik. Zunächst möchten wir eine gesellschaftspolitische Diskussion – nicht nur auf Landesebene – anstoßen. Die Einführung von Online-Wahlen ist mit technischen und rechtlichen Herausforderungen verbunden, die bewältigt werden müssen. Daher könnte ein Einstieg stufenweise erfolgen. Als Testlauf würden sich Bürgerbefragungen oder -begehren anbieten. Die elektronische Wahl als Alternative zur Wahlkabine und klassischen Briefwahl könnte auch die Wahlbeteiligung erhöhen.

Von Grünen und Piraten haben Sie Kritik für den Vorstoß geerntet; diese sehen etwa die Gefahr von Wahlmanipulationen. Sind die Einwände berechtigt?

Angesichts der Digitalisierung fast aller Lebensbereiche wäre es anachronistisch, sich der Diskussion um eine elektronische Wahl nicht zu stellen. Bei der Umsetzung von Online-Wahlen müssen allerdings berechtigte Bedenken in der Bevölkerung aufgegriffen werden. Das gilt insbesondere für die Manipulationssicherheit und den Datenschutz.

Wo sehen Sie in den kommenden Jahren weitere Schwerpunkte Ihrer Arbeit als Bayern-CIO?

Neben dem Breitband-Ausbau liegt unser Fokus auf dem Ausbau von Online-Diensten der Verwaltung und auf der IT-Sicherheit. Für die Sicherheit sorgt der Bayern-Server. Dieser versorgt rund 135.000 staatliche IT-Arbeitsplätze und 2.500 IT-Fachverfahren. Spezialisten wehren täglich mehr als 40.000 Angriffe auf die IT-Systeme des Freistaats ab. Mit neuen Strategien, wie zum Beispiel der Entschlüsselung von Angriffsmustern (Profiling) und schnellerem Aufspüren erfolgreicher Angriffe (Intrusion Detection) wird der Bayern-Server künftig noch sicherer. Unsere Sicherheitstechnologien werden laufend weiterentwickelt. Ziel ist es, immer einen Schritt voraus zu sein.

Welche Projekte sind geplant, um E-Government im Freistaat voranzutreiben?

Mit ELSTER, der digitalen Steuererklärung, haben wir schon viel erreicht. Fast jede zweite Steuererklärung wird in Bayern mittlerweile elektronisch eingereicht. Wir wollen den digitalen Kreislauf schließen. Mit der vorausgefüllten Steuererklärung kann der Bürger bereits jetzt schneller und einfacher seine Steuererklärung online abgeben. Zukünftig soll dann auch der Steuerbescheid auf elektronischem Wege zugestellt werden. Mit dem Serviceportal Digitales Bayern werden wir das auch für andere staatliche und kommunale Verwaltungsleistungen ermöglichen. So schließen wir auch den digitalen Verwaltungskreislauf mit den Kommunen. Während Anträge oft schon online abgegeben werden können, erfolgt die Antwort der Behörde in der Regel noch auf Papier. Das soll sich ändern. Auch hier ist die Datensicherheit oberstes Gebot.

Wie sieht es mit der Finanzierung dieser umfassenden Digitalisierungsvorhaben aus?

Geld steht für die angesprochenen Verfahren zur Verfügung. Höchste Priorität haben der Ausbau des schnellen Internets und die Datensicherheit. Für den Breitband-Ausbau stehen 2014 in Bayern rund 500 Millionen Euro zur Verfügung. Sobald die EU der neuen Förderrichtlinie zugestimmt hat, erhöhen wir das Fördervolumen sogar auf 1,5 Milliarden Euro. Das ist in Deutschland und Europa einmalig.

Interview: Bettina Schömig

http://www.stmflh.bayern.de
http://www.schnelles-internet-in-bayern.de
Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Politik, Bayern, Markus Söder, Breitband, CIO

Bildquelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat

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