E-Procurement:
Praxis prescht vor


[12.1.2016] Die E-Vergabe hat mit dem Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts an Schwung gewonnen. Unabhängig davon ist die elektronische Beschaffung in etlichen deutschen Vergabestellen bereits seit Jahren Realität – weil sie sinnvoll und wirtschaftlich ist.

Ab 2018 werden Aufträge in der EU elektronisch vergeben. EU-weite Vergaben finden ab dem Jahr 2018 komplett papierlos statt. So sieht es der im Juli 2015 verabschiedete Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts vor. Bis April 2016 werden damit drei EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht umgesetzt. Ziel ist laut Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Wettbewerbsstärkung. Auf der neuen Grundlage sollen Vergabeverfahren schneller und effizienter durchgeführt werden.
Die neuen Richtlinien betreffen Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte und damit nur rund fünf Prozent aller Vergaben in Deutschland. Dennoch wird von ihnen eine weitere Dynamisierung des Themas E-Procurement erwartet. Denn warum sollte ein neuer Prozess, der für die europaweiten Ausschreibungen einzuführen ist, nicht ebenfalls für die nationalen Verfahren genutzt werden? Einhellig plädieren auch die kommunalen Spitzenverbände, die Auftragsberatungsstellen und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) dafür, die E-Vergabe ober- und unterschwellig parallel umzusetzen. Schließlich entlasten elektronische Beschaffung und Vergabe die öffentlichen Haushalte. Allein aus wirtschaftlicher Sicht bietet es sich daher an, nicht zwei Prozesse parallel vorzuhalten.

Vorteile für Bieter

Für die Bieter hätte eine Vereinheitlichung des nationalen und internationalen Prozederes große Vorteile. Denn viele von ihnen kennen keine EU-weiten Vergabeverfahren. Muss die Vergabestelle ihnen erst erklären, dass sie für Aufträge unter- und oberhalb der Schwelle unterschiedliche Verfahren anwenden müssen, führt das zu mehr Verwirrung als Verständnis. Daniel Zielke, Unternehmenssprecher bei Healy Hudson, dem Hersteller der Vergabe-Management-Lösung Deutsche eVergabe: „Die Bieter würden es angesichts der anstehenden Novellierung des Vergaberechts sicher begrüßen, dass auch für nationale Ausschreibungen unterhalb der Schwelle eine elektronische Veröffentlichungspflicht eingeführt wird.“ Bekanntmachungen müssten dann ebenso an das Internet-Portal bund.de weitergeleitet werden. Der Bieter hätte damit dann tatsächlich ein zentrales Rechercheportal für alle Ausschreibungen, die in Deutschland existieren. „Es werden heute bereits wesentlich mehr als die vielzitierten fünf Prozent aller Aufträge elektronisch vergeben“, hält Carsten Klipstein, Geschäftsführer vom Deutschen Vergabeportal (DTVP), fest. „Wenn es um die Auftragserteilung geht, mag der Wert stimmen, aber bei der elektronischen Bereitstellung von Vergabeunterlagen und Bieterkommunikation sind wir schon viel weiter.“

Kommunen sind interessiert

So könnten etwa die Kommunen in Brandenburg die zentrale Vergabeplattform des Landes mitnutzen und täten dies bereits fast vollständig. Die Stadt Mainz führte im Jahr 2001 die erste elektronische Ausschreibung in Deutschland durch und nutzte dafür die cloudbasierte Vergabeplattform subreport ELViS von Anbieter subreport. Die Wartezeit innerhalb einer Ausschreibung verkürzte sich durch deren Einsatz um insgesamt 16,5 Arbeitstage. Über die zusätzlich eingesetzte elektronische Einkaufslösung der Firma TEK-Service konnte die Kommune erstmals belastbare, elektronische Leistungsverzeichnisse erstellen, die dann über die Vergabeplattform subreport zur elektronischen Ausschreibung verbracht wurden. Auch die Stadt Dülmen hat bereits vor einigen Jahren auf die E-Vergabe mit der subreport-Plattform umgestellt. „Die kleinen, freihändigen Vergaben organisieren wir aber nicht über die Plattform, dafür wäre der Aufwand zu groß“, erklärt Carsten Hövekamp, Leiter der zentralen Vergabestelle in Dülmen. Bei Leistungsverzeichnissen unter 2.000 Euro verschickt Dülmen die Unterlagen nach wie vor per E-Mail an die Firmen und diese reichen ihre Angebote in Papierform ein.

Individuell passende Lösung

Ob eine Kommune eine reine Vergabeplattform oder ein umfassendes Vergabe-Management-System einführen sollte, hängt nicht von der Größe und Organisationsstruktur einer Vergabestelle oder der Anzahl der Ausschreibungen ab. Entscheidend ist, ob sich die Verwaltung durchgehend auf workflowgesteuerte Vorgänge einlassen will oder nicht. Sollen nur die Ausschreibungen elektronisch kommuniziert werden, dürfte ein Portal ausreichen. Möchte die Kommune hingegen die gesamte Verwaltungshierarchie inklusive Genehmiger, externer Stellen und Rechnungsprüfer sowie die Wertung der Angebote abbilden, ist eher ein Vergabe-Management-System erforderlich. Unter den Anwendern der modular aufgebauten Lösung von Healy Hudson gibt es Vergabestellen, die 600 Ausschreibungen im Jahr über das Portal veröffentlichen, andere mit nur 100 Ausschreibungen nutzen das erweiterte Management-System. Die E-Vergabe ist also nichts Neues für deutsche Kommunen.

Nachfrage nach E-Vergabe steigt

Im Zusammenhang mit der Überführung der EU-Vergaberichtlinien in deutsches Recht rückt das Thema bei den Vergabestellen aber noch einmal in den Vordergrund: Die Anbieter von E-Procurement-Lösungen registrieren eine steigende Nachfrage. „Wenn eine Vergabestelle die E-Vergabe für eine EU-weite Ausschreibung erst einmal eingeführt hat, liegt es nahe, das Verfahren künftig auch für nationale Ausschreibungen einzusetzen“, sagt Johannes Rother, Prokurist bei subreport. Auch Monika Schmidt von TEK-Service rechnet damit, dass die Entscheidungsträger in den Kommunen das Thema künftig stärker priorisieren und mit der Umsetzung entsprechender E-Procurement-Strategien beginnen werden. Beim DTVP beurteilt man den Beschleunigungseffekt der anstehenden Modernisierung in der breiten Masse eher verhalten. Der DTVP-Technologie-Partner cosinex hat Mitte 2015 in einer eigenen Erhebung festgestellt: Von den häufig behaupteten 30.000 Vergabestellen in Deutschland führen höchstens 10 bis 15 Prozent jedes Jahr ein EU-weites Vergabeverfahren durch. Obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben, gingen dennoch viele Vergabestellen bereits freiwillig den elektronischen Weg. Auch der Marktplatz Deutsches Vergabeportal registriert ein steigendes Interesse der Vergabestellen nach Lösungen im Bereich E-Vergabe.

Herausforderungen für Anbieter

Für Carsten Hövekamp als langjährigen E-Procurement-Anwender dürfte sich durch die EU-Neuregelungen am bisherigen Prozedere nicht viel ändern. „Herausforderung für die Anbieter von E-Vergabe-Lösungen wird es sein, in ihren Lösungen nun einen offenen Zugang zu den Vergabeunterlagen ohne Registrierung zu schaffen, so wie es die EU-Richtlinie vorsieht“, erklärt er. Vorteil der bisherigen Registrierung für den Leiter der Zentralen Vergabestelle in Dülmen: Die Vergabestelle hat damit einen Überblick, wer sich Unterlagen wirklich heruntergeladen hat und kann auch nachträgliche Änderungen in der Ausschreibung an die Bieter kommunizieren. Intention der EU-Richtlinie ist es jedoch, durch einen freien Zugang ohne Registrierung die Anzahl der elektronischen Angebote zu erhöhen. „Es wird eine Herausforderung für die Anbieter der E-Vergabe-Lösungen, dies zu realisieren“, so Hövekamp.

Frank Zscheile ist freier Journalist in München.

Dieser Beitrag ist im Spezial der Januar-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: E-Procurement, Deutsches Vergabeportal (DTVP), cosinex, Healy Hudson, TEK-Service, subreport, E-Vergabe, Vergabe-Management-System, Dülmen, BDI, EU-Vergaberichtlinien

Bildquelle: creativ collection Verlag/PEAK Agentur für Kommunikation

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