Interview:
Den Bürger im Blick


[11.5.2016] Der Verein Open Knowledge Foundation (OKF) hat das Ratsinformationssystem (RIS) Politik bei Uns entwickelt. Im Interview mit Kommune21 sprach Projektleiter Ernesto Ruge über die Zukunft der Ratsarbeit und künftige Projekte der Stiftung.

Ernesto Ruge arbeitet bei der Open Knowledge Foundation und leitet dort das Projekt Ratsinformationssystem Politik bei Uns. Herr Ruge, die Initiative Deutschland – Land der Ideen hat den Verein Open Knowledge Foundation für sein Ratsinformationssystem Politik bei Uns ausgezeichnet. Was ist das Besondere an der Lösung?

Die Lösung ist ein gutes Beispiel dafür, wie politische Dokumentation und damit die Grundlage für Beteiligung im 21. Jahrhundert aussehen kann. Angesichts von Politikverdrossenheit und fehlenden Informationen wurde die Idee hinter Politik bei Uns – Bürgerinnen und Bürger Entscheidungsprozesse leichter verständlich zu machen und maßgeschneidert themen- oder ortsbezogen Informationen anzubieten – als eine Bereicherung für den Standort Deutschland gesehen.

Wodurch unterscheidet sich ein bürgerzentriertes RIS von einem Ratsinformationssystem, das vor allem für die Arbeit der Verwaltung und der Räte konzipiert worden ist?

Eine Verwaltung und der politische Betrieb sind hochkomplex für jemanden, der nie oder nur gelegentlich aktiv werden möchte. Statt uns an Strukturen wie Ausschüssen und Wahlperioden zu orientieren, setzen wir auf zwei intuitivere Ansätze: Erstens den Ort, welcher von Interesse ist und zweitens das Stichwort, welches von Interesse ist. Die Besonderheit von Politik bei Uns ist, dass die Suche von Ort und Stichwort auch in den PDF- und Word-Anlagen durchgeführt wird. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Nutzer die gewünschte Information findet, deutlich. Außerdem ist eine Suche über kommunale Grenzen hinweg möglich. Gerade junge Menschen denken nicht mehr in Verwaltungsgrenzen, sondern themenbezogen, sodass dies ein spannendes Feature ist. Es ist aber auch für Rats- und Verwaltungsmitglieder interessant, die zwar ihr eigenes RIS kennen, aber auch einmal von ihrer Nachbarstadt lernen wollen. Des Weiteren sind alle Dokumente im Gegenteil zu den offiziellen Ratsinformationssystemen via Google auffindbar. Die Idee ist, Nutzer dort abzuholen, wo sie sich im Alltag befinden und wo sie im Alltag suchen. Das ist auch der Weg, über den die mit Abstand meisten Nutzer auf die Seite kommen. Zielgruppe sind nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern auch Journalisten, Wissenschaftler und die Wirtschaft.

Haben Sie neben Bochum, Moers, Köln und dem Ruhrgebiet weitere Referenzkunden durch die Auszeichnung hinzugewinnen können?

Es handelt sich nicht um eine klassische Kundenbeziehung. Die Kommunen zahlen noch kein Geld dafür. Bislang ist Politik bei Uns ein Projekt, welches mit einer Mischung aus Ehrenamt und von der OKF gewonnenen OpenData-/E-Government-Projektmitteln betrieben wird. Im Zusammenhang mit OParl – ein Zusammenschluss von Software-Anbietern, der sich für die Schaffung eines einheitlichen Zugriffs auf Ratsinformationssysteme einsetzt – finden aber erste Gespräche über eine professionelle Betreuung des Systems statt.

Nutzen Ihre Kunden ausschließlich Politik bei Uns oder betreiben sie auf die Verwaltung und die Gremienarbeit zugeschnittene Ratsinformationssysteme im Parallelbetrieb?

Ich weiß von mehreren Städten, dass die dortigen Ratsmitglieder die schnelle Recherchemöglichkeit von Politik bei Uns schätzen und somit für die Themenrecherche nutzen. Wenn es dann konkret um Infos zu einem spezifischen Gremium oder einer speziellen Sitzung geht, dann schauen die Ratsmitglieder in das offizielle RIS. Die beiden Ansichten ergänzen sich ja recht gut.

Wie kompatibel ist Ihre Lösung zu den Anwendungen anderer Software-Anbieter?

Zur Zeit können Daten von Somacos SessionNet und CC e-gov ALLRIS abgerufen werden – mit den bei Scrapern üblichen Fallstricken. Die kurz vor Veröffentlichung befindliche Schnittstelle OParl wird die Unterstützung auf alle RIS ausdehnen.

„Wir wollen die Nutzer dort abholen, wo sie sich im Alltag befinden.“

Finden Sie die Arbeit mit zwei Systemen sinnvoll oder glauben Sie, dass eine Lösung ausreichend ist?

Da Verwaltung und Bürger recht verschiedene Bedürfnisse haben, halte ich zwei Darstellungen derselben Daten für sehr sinnvoll. Die Verwaltung und die Ratsmitglieder brauchen eine Darstellung, welche die gremienbezogene Arbeit unterstützt und welche nach einem Log-in auch nicht-öffentliche Tagesordnungspunkte offenbart. Die Öffentlichkeit sucht dagegen vielmehr eine Themen- und Ortsorientierung anstatt einer Gremienorientierung. Natürlich könnte man diese beiden Bedürfnisse auch in einem RIS vereinbaren, aber am Ende würde es auch da auf zwei Oberflächen hinauslaufen.

Setzen Sie sich deshalb für einheitliche Schnittstellen bei Ratsinformationssystemen ein und was sind hier die Baustellen?

Die Schnittstelle OParl hat nun drei Jahre Entwicklungszeit hinter sich und steht kurz vor ihrer Veröffentlichung. Die Problematik bei der Entwicklung war vor allem die Vielfältigkeit der kommunalen Systeme. OParl musste genug Struktur bieten, sodass man etwas mit den Daten anfangen kann, aber gleichzeitig auch flexibel genug sein, damit kommunale Besonderheiten abgedeckt werden können. Dies führte zusammen mit der Tatsache, dass es sich bislang um ein rein ehrenamtliches Projekt handelt, zu der recht langen Entwicklungszeit. Mittlerweile haben wir allerdings ein Qualitätslevel erreicht, mit dem alle Beteiligten zufrieden sind und welches problemlos für alle Kommunen in ganz Deutschland funktionieren wird.

Welchen Support bieten Sie an?

Ich kümmere mich selbstverständlich um Fehlerbehebungen aller Art. Wenn eine Stadt eine Präsenz auf Politik bei Uns wünscht, kann man darüber auch reden, allerdings würde ich sehr empfehlen, auf OParl zu warten und dieses einzusetzen – das macht eine Integration in Politik bei Uns erheblich einfacher und damit günstiger.

Wie aufwendig ist die Datenpflege mit Politik für Uns?

An sich läuft Politik bei Uns automatisch, das heißt, es ist keine tägliche aktive Betreuung nötig. Es gibt immer wieder mal Probleme mit dem Scraper, weil die Städte etwas an ihrem RIS verändert haben. Das muss dann zeitnah gelöst werden. Aus diesem Grund möchten wir in Zukunft auf OParl setzen, wo es dieses Problem nicht mehr gibt, da es eine definierte Schnittstelle ist. Außerdem gibt es immer wieder E-Mails, welche auf Datenschutzverstöße hinweisen. Meist handelt es sich dabei um Privatadressen, die die jeweilige Stadtverwaltung fälschlicherweise in die offizielle und öffentliche Stadt-Dokumentation abgelegt haben. Diese Dokumente müssen dann zeitnah gesperrt und die Stadt muss informiert werden.

Wann ist Politik bei Uns erstmals online gegangen?

Der Startschuss für den Vorläufer offeneskoeln ist im Februar 2012 gefallen. Im Mai 2013 kam dann OpenRuhr:RIS für die Städte Moers, Bochum und Duisburg dazu. Im Januar 2015 wurden beide Systeme in Politik bei Uns zusammengeführt.

In welche Richtung entwickeln Sie Ihre Lösung aktuell weiter?

Wir entwickeln gleich in mehrere Richtungen. Während jetzt schon ein RSS-Feed für Suchbegriffe möglich ist, soll in Zukunft auch eine E-Mail-Benachrichtigung bei neuen Dokumenten möglich sein. Außerdem arbeiten wir an einer Rückmeldefunktion und Diskussionsplattform: Dabei soll in einem ersten Schritt eine Rückmeldefunktion für problematische Dokumente geschaffen werden. Das langfristige Ziel soll aber sein, eine orts- und themenbezogene Diskussionsplattform zu schaffen. Hierzu wird ein entsprechendes Konzept entwickelt, welches mehr bietet als eine Kommentarfunktion, über die üblicherweise keine konstruktive Diskussion entsteht. Im Zuge des OParl-Relay möchte Politik bei Uns des Weiteren Daten sämtlicher OParl-Städte sammeln und via OParl bereitstellen. Neue OParl-Features sollen künftig auf Politik bei Uns mit realen Daten getestet werden. Dazu zählt vor allem eine schnelle Suche innerhalb der Schnittstelle sowie spezielle Datenbereitstellungen für Apps.
Interview: Melanie Schulz

http://okfn.de

Stichwörter: Sitzungsmanagement, RIS, Open Knowledge Foundation, Politik bei uns, OParl



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