[9.6.2016] Viele Städte wollen Smart Cities werden und arbeiten dazu mit IT-Konzernen zusammen. Kommune21 sprach mit dem Berater und Smart-City-Podcast-Produzent Willi Kaczorowski über den Sinn und Zweck solcher Kooperationen.
Herr Kaczorowski, derzeit wird viel über Smart Cities, aber auch Digitale Dörfer diskutiert. Geht es hier nur um Breitband-Anschlüsse und vernetzte Infrastruktur oder auch um die Digitalisierung der Verwaltung? Wie lautet Ihre Definition der Begriffe?
Die meisten Definitionen von Unternehmen oder Wissenschaftsinstitutionen, die sich ja auch durch Drittmittel finanzieren, sind interessengeleitet. Deshalb verwende ich die Definition von Wikipedia: Danach ist Smart City ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Diese Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen. Unter Smart Country verstehe ich dann die Anpassung dieser Konzepte an die besonderen Gegebenheiten der Räume jenseits der Metropolen und großen Städte. Zum ganzheitlichen Konzept gehört dann natürlich die digitale Verwaltung.
Berlin, Hamburg, aber auch Gelsenkirchen oder Heidelberg wollen Smart Cities werden und haben Verträge mit IT-Unternehmen unterzeichnet. Warum sollten Städte mit diesen globalen Konzernen kooperieren?
Die Zusammenarbeit mit IT-Unternehmen bietet Chancen, ruft aber auch Probleme hervor. Chancen bestehen beispielsweise darin, Projekte mitfinanziert zu bekommen, weil die großen IT-Unternehmen an Vorzeigeprojekten interessiert sind, die sie dann auch vermarkten können. Darüber hinaus spricht für eine Zusammenarbeit auch der schnelle technologische Fortschritt bei der Digitalisierung. Stichwort: Know-how-Transfer. Außerdem gibt es die Chance, die Projekte professioneller zu managen, weil börsennotierte Unternehmen agiler und zielorientierter arbeiten müssen. Und schließlich ist die Umgestaltung zu einer Smart City auch ein Teil der Wirtschaftsförderung. Durch die Zusammenarbeit mit IT-Unternehmen bekunden Städte ihren Fortschrittswillen und bauen sich für Start-ups ein positives Image auf. Die größte Gefahr liegt darin, dass sich die Konzepte zu einer geschlossenen Veranstaltung entwickeln, ohne die Stadtgesellschaft daran zu beteiligen.
Auf welchen technologischen Fundamenten wird die Smart City errichtet?
Das wichtigste Fundament ist die Verfügbarkeit schneller, hochleistungsfähiger Internet-Verbindungen – möglichst stationär und mobil. Viele Städte setzen hier zu Recht auf Glasfaser als die Anschlusstechnologie der Zukunft. In der Smart City ist Breitband ein Bestandteil der Daseinsvorsorge, der die traditionelle Versorgungs- und Entsorgungsinfrastruktur sowie die soziale Infrastruktur gleichberechtigt ergänzt. Durch die Veränderungen, die jetzt aufgrund technischer Möglichkeiten wie intelligente Vernetzung und Sensorik sowie Big Data oder Cloud Computing für die herkömmliche Daseinsvorsorge erfolgen werden, kommt dieser vernetzten und intelligenten Infrastruktur im 21. Jahrhundert eine Leitrolle zu. Für demografisch benachteiligte Regionen stellt das hochleistungsfähige Internet sogar einen Beitrag zur Dableibensvorsorge dar.
„Durch die Zusammenarbeit mit IT-Unternehmen bekunden Städte ihren Fortschrittswillen.“
Welche Ziele verfolgen die IT-Konzerne und warum wollen die Städte smart werden?
Beginnen wir mit den Städten: Die Zukunftskommission der Stadt Neuss hat beispielsweise drei Ziele formuliert: Wirtschaftskraft und Wohlstand mehren, gesellschaftliche Teilhabe und Gemeinsinn fördern, effizientere Gestaltung der Daseinsvorsorge. In anderen Städten kommt noch das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit mit besonderer Betonung auf Ressourceneffizienz hinzu. Die IT-Unternehmen sind primär an Leuchtturmprojekten interessiert, die zeigen, dass ihre Technologie helfen kann, die Lebens-, Aufenthalts- und Arbeitsqualität einer Stadt erheblich zu verbessern. Jenseits vom Gewinnstreben haben aber auch die Beschäftigten dieser Unternehmen den Wunsch, in einer Stadt zu leben, die digitale Technologien zur Erreichung ihrer Ziele selbst einsetzt.
Von welchen internationalen Beispielen können deutsche Städte lernen, sich für die Zukunft besser aufzustellen?
Smart-City-Vorreiter sind in Europa Barcelona, Wien, Kopenhagen, Stockholm oder Amsterdam. Deshalb kooperieren Städte wie Köln oder München mit diesen internationalen Champions auch in EU-Projekten. Dabei zeigt sich ein interessanter Trend. Auch international erobert die digitale Teilhabe in Regionen jenseits der Metropolen die politische Agenda. Aufgrund vielfältiger Verflechtungen im digitalen Alltag, etwa in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Logistik oder Gesundheitsversorgung, werden die Schnittstellen zwischen der Metropole und ihrem Umland stärker in die Gesamtkonzeption einbezogen.
Sie veröffentlichen den Podcast Smart City Talk. An wen richtet sich das Angebot und was sind die Inhalte?
Der Podcast ging im Oktober 2015 an den Start. Er richtet sich an Verantwortliche in Politik und Verwaltung in den Kommunen und Regionen. Im Podcast sollen Visionäre, Multiplikatoren, Macher und Projektverantwortliche für Smart-City-Projekte zu Wort kommen. Darüber hinaus gibt es Einzelausgaben, in denen ich Eindrücke und Erkenntnisse aus Smart-City-Konferenzen oder Projekte vorstelle. Beispielsweise konnte die rheinland-pfälzische Staatssekretärin Heike Raab ihre Digitalstrategie und die Konsequenzen für das Projekt Digitale Dörfer erläutern. Auch der Städte- und Gemeindebund war mehrfach durch den Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg oder den Sprecher Franz-Reinhard Habbel dabei. Interviewpartner in einer der nächsten Folgen wird beispielsweise der neue Oberbürgermeister der Stadt Ulm sein. Gunther Czisch hat die Digitalisierung ganz oben auf seiner Agenda.
Interview: Alexander Schaeff
Der Podcast Smart City Talk kann im iTunes-Store abonniert werden. (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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