[15.6.2016] Die elektronische Kommunikation und der Datenaustausch im Vergabeverfahren sollen zur Regel werden. Das sehen die neuen EU-Vergaberichtlinien vor, die jetzt in nationales Recht umgesetzt werden. Nicht zuletzt die Kommunen müssen ihre Verfahren anpassen.
Die elektronische Vergabe, also die vollständige Durchführung der Vergabe öffentlicher Aufträge mit elektronischen Mitteln, verspricht Qualitäts- und Effizienzgewinne, bedeutet allerdings – nicht zuletzt im kommunalen Bereich – einen hohen technischen und organisatorischen Aufwand. Neue Dynamik sowohl für die staatlichen und kommunalen Auftraggeber als auch für die Unternehmen bringt die verpflichtende Nutzung der E-Vergabe durch die Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien in nationales Recht im April 2016 mit sich. Die E-Vergabe ist schon seit längerer Zeit zulässig. Vielfach wurden Teilprozesse des Vergabeverfahrens wie die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen bereits schrittweise von einer ursprünglich ausschließlich postalischen und papierabhängigen Vorgehensweise auf elektronische Verfahren umgestellt. Von den kommunalen Vergabestellen verwendeten bislang aber noch die wenigsten elektronische Vergabelösungen. Ein vollständiger Wechsel auf die E-Vergabe soll Vergabeverfahren weiter vereinfachen und die Effizienz und Transparenz steigern. Zugleich bietet eine durchgängig elektronische Auftragsvergabe erhebliche Einsparpotenziale für Unternehmen und öffentliche Auftraggeber. Im Rahmen der Modernisierung des europäischen Vergaberechts sehen die Vergaberichtlinien daher vor, dass die elektronische Kommunikation und der gesamte Datenaustausch im Vergabeverfahren zur Regel werden, die unter bestimmten engen Voraussetzungen ausnahmsweise nicht angewendet werden müssen.
Elektronisch kommunizieren
Die Vergaberechtsreform 2016 setzt die Vorgaben der EU-Vergaberichtlinien zur verpflichtenden elektronischen Kommunikation rechtzeitig vor Ablauf der Umsetzungsfrist um. Nach § 97 Absatz 5 in der neuen Fassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verwenden Auftraggeber und Unternehmen bei Vergaben ab Erreichen der Schwellenwerte für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten grundsätzlich elektronische Mittel, unabhängig vom Liefer- oder Leistungsgegenstand. Die Ausführungsbestimmungen zur E-Vergabe werden auf Grundlage von § 113 GWB in mehreren Rechtsverordnungen geregelt. Für unterschwellige Vergabeverfahren, also im Tagesgeschäft der kommunalen Vergaben, ist die E-Vergabe weiterhin nicht verpflichtend. In einem Vergabeverfahren oberhalb der geltenden Schwellenwerte müssen Auftraggeber und Unternehmen künftig insbesondere für die Kommunikation sowie den Datenaustausch in jedem Stadium grundsätzlich elektronische Mittel verwenden. Das bedeutet regelmäßig, dass die Bekanntmachung ausschließlich auf elektronischem Weg erfolgt, die Vergabeunterlagen elektronisch abrufbar zur Verfügung stehen, die Angebotsabgabe und -annahme elektronisch zu erfolgen haben sowie sämtliche Kommunikation auf elektronischem Weg stattfindet. Die für die elektronische Kommunikation zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen sowie ihre technischen Merkmale müssen, von spezifischen Ausnahmefällen abgesehen, nicht diskriminierend, mit verbreiteter Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) kompatibel sowie allgemein verfügbar sein und dürfen den Zugang der Wirtschaftsteilnehmer zum Vergabeverfahren nicht einschränken. Lediglich Kommunikation, die keine wesentlichen Bestandteile eines Vergabeverfahrens betrifft, kann – bei hinreichender Dokumentation – mündlich erfolgen.
Das wird Pflicht
Die Pflicht, grundsätzlich nur elektronische Mittel zu verwenden, betrifft ausschließlich den Datenaustausch zwischen den öffentlichen Auftraggebern und den Unternehmen. Wie diese ihre internen Arbeitsabläufe gestalten, bleibt ihnen überlassen. So können die öffentlichen Auftraggeber beispielsweise den Vergabevermerk in Papierform fertigen. Ebenso wenig umfasst die Pflicht zur grundsätzlichen Verwendung elektronischer Mittel im Vergabeverfahren die Phase der Archivierung von Daten. Die Umsetzung der E-Vergabe erfolgt zeitlich gestaffelt, um dem mit der Umstellung auf eine vollständige E-Vergabe verbundenen Aufwand hinreichend Rechnung zu tragen. Kommunen müssen bei der Einführung der E-Vergabe Fristen beachten. So ist es seit dem 18. April 2016 Pflicht, EU-weite Bekanntmachungen elektronisch beim Amt für Veröffentlichungen der EU einzureichen. Den Unternehmen muss außerdem unentgeltlich, uneingeschränkt, vollständig und direkt Zugang zu sämtlichen Vergabeunterlagen durch elektronische Kommunikationsmittel über eine Internet-Adresse und ohne vorherige Registrierung ermöglicht werden. Ebenfalls besteht seit dem 18. April die grundsätzliche Pflicht zur Verwendung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) als vorläufiger Beleg für die Erfüllung der jeweils relevanten Eignungskriterien sowie zur Nutzung des EU-Dokumentenarchivs e-Certis als Informationssystem für Bescheinigungen und sonstige Nachweise.
Transparentes Verfahren
Ab dem 18. April 2017 werden die Kommunikation und der Informationsaustausch mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel bei Vergaben einer zentralen Beschaffungsstelle, wie beispielsweise kommunalen Einkaufskooperationen, verpflichtend. Ab dem 18. Oktober 2018 werden die sonstigen kommunalen Auftraggeber zur Kommunikation und zum Informationsaustausch mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel auch bei Einreichungsverfahren von Angeboten und Teilnahmeanträgen verpflichtet. Aufgrund der föderalen Struktur wird die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen einige Anstrengungen für Kommunen sowohl in technischer als auch in persönlich-fachlicher Hinsicht erfordern. Dennoch ist die Modernisierung durch die E-Vergabe im kommunalen Bereich auch im Massengeschäft der Unterschwellenvergaben sinnvoll. Sie sollte zum Kommunikationsstandard sämtlicher Vergabeverfahren gemacht werden, da transparentere Verfahren zu einer höheren Rechtssicherheit der Beschaffungsvorgänge führen. Kommunale Auftraggeber müssen daher unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen spezifischen Bedürfnisse prüfen, ob sie eigene Vergabeplattformen vorhalten oder gegebenenfalls staatliche Vergabeplattformen nutzen wollen. Neben einer interkommunalen Zusammenarbeit kommt zudem die Einbindung externer E-Vergabe-Dienstleister in Betracht. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, über den geforderten Informations- und Datenaustausch zwischen Vergabestelle und Unternehmen hinauszugehen und auch die internen Prozesse samt den jeweils vor- und nachgelagerten Arbeitsschritten IT-gestützt zu bearbeiten. Auf diese Weise lässt sich der Vergabeprozess so automatisieren, dass die Vergabe insgesamt effizienter und sicherer wird.
Thomas H. Fischer ist Rechtsanwalt und Partner bei Waldeck Rechtsanwälte PartmbB sowie Fachanwalt für Informationstechnologierecht.
Dieser Beitrag ist in der Juni-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation