Dokumenten-Management:
System aus einem Guss


[17.2.2020] Die Stadtverwaltung im nordrhein-westfälischen Wuppertal plant die vollständige Digitalisierung der Eingangspost mit möglichst umfassender und durchgehender Optimierung und Automatisierung der Prozesse.

Wuppertal setzt auf konsequente Digitalisierung der Post. Die Poststelle der Stadtverwaltung komplett di­gitalisieren, diesem Ziel widmet sich Wuppertal mit einer konsequenten Umstrukturierung. Das Projekt ist Teil der im Jahr 2018 erstellten Digitalisierungsstrategie digiTAL 2023.
Als Leitkommune der digitalen Modellregion Bergisches Städte3eck wird die „Großstadt im Grünen“ mit rund 360.000 Einwohnern seit 2018 vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Bereits 2016 hatte die Stadt entschieden, Druckerei und Poststelle organisatorisch zusammenzulegen und dem städtischen IT-Dienstleister zuzuordnen. In der Folge wurde mit der Analyse der Prozesse im Input- und Output-Management begonnen, mit dem Ziel einer Optimierung und maximal möglichen Digitalisierung. Neben dem bereits vorhandenen Zentraldruck sollten auch die Themenfelder digitale Poststelle, digitale Ausgangspost und Digitalisierung der gesamten Eingangspost angegangen werden.

Zentraldruck als Grundlage

Um das Druckvolumen kontinuierlich abzusenken und die Post soweit möglich und mit Einverständnis der Bürger digital zuzustellen, wurde das Projekt „Digitaler Postausgang“ ins Leben gerufen. Dem Vorhaben dient der Zentraldruck als Grundlage, der die Druckströme der Verwaltung bündelt und versandoptimiert druckt – nicht nur für Massendrucke, sondern auch für individuelle Einzelsendungen. Parallel dazu hatte die Stadt Wuppertal in ersten Leistungseinheiten begonnen, elektronische Fallakten einzuführen. „Unser erklärtes Ziel in der Verwaltungsmodernisierung war die konsequente Digitalisierung ganzheitlicher Prozesse, also von Anfang bis Ende“, erklärt der für die Verwaltungsmodernisierung zuständige Stadtdirektor Johannes Slawig und ergänzt: „Damit war schnell klar, dass eine Umstellung der Verwaltung auf elektronische Akten keinen Sinn macht, wenn nicht gleichzeitig auch die tägliche Eingangspost digitalisiert wird. Deutlich wurde auch, dass ein rechts- und revisionssicheres Verfahren für den Scan-Prozess nicht dezentral in jeder Leistungseinheit aufgebaut werden kann, sondern zentrale Prozesse und Technik erforderlich sein werden.“

3.500 Briefsendungen pro Tag

Um abschätzen zu können, welche Poststücke künftig in welchen Mengen digitalisiert werden müssen, wurde zu Beginn des Projekts eine Reihe von Daten erhoben. In einer mehrwöchigen Zählung der Eingangspost wurden Tagesrichtwerte mit Schwankungsbreiten nach Wochentagen und für die Ferienzeiten erhoben. Hieraus ergab sich ein durchschnittliches Volumen von rund 3.500 Briefsendungen pro Tag in der Kernverwaltung (ohne Eigenbetriebe und Beteiligungen), welche gescannt werden mussten. Gemeinsam mit einigen Piloteinheiten erfolgte dann eine Analyse des zu scannenden Inhalts der Sendungen, sodass die verschiedenen Inhaltstypen und durchschnittlichen Blattzahlen ermittelt werden konnten. Eine zentrale Vorgabe war dabei, dass durch die Digitalisierung der Sendungen keine Prozesslaufzeiten in den Leistungseinheiten verlängert werden durften. Der Scan-Prozess wurde daher so konzipiert, dass die Tagespost im Regelfall bis zur Mittagszeit den Leistungseinheiten zugestellt werden kann.

Frühes Scannen

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen und der strategischen Vorgabe den Prozess so aufzusetzen, dass er später rechts- und revisionssicher mit dem noch zu erstellenden digitalen Aktenplan verknüpft werden kann, wurde das so genannte frühe Scannen eingeführt. Dafür muss eine zentrale Scan-Stelle geschaffen werden, welche die Post nach vordefinierten Kriterien sortiert, öffnet, scannt, gegebenenfalls automatisiert verteilt und bis zur endgültigen Vernichtung aufbewahrt. Es gilt dazu im Vorfeld die Schreiben auszusortieren, die nicht geöffnet werden dürfen. Beim späten Scannen wären nur die aktenrelevanten Dokumente später in den Leistungseinheiten dezentral gescannt worden – damit hätte aber kein durchgängiger Prozess abgebildet werden können. Weiterhin wäre der gesamte Prozess fehleranfällig gewesen, kaum kontrollierbar und damit auch später nicht zertifizierbar.

Briefe mit Volltexterkennung

In der Praxis hat sich außerdem gezeigt, dass der Aufwand einer Schutzbedarfsanalyse insgesamt höher war als von vornherein alle Dokumente nach Schutzbedarfsklasse hoch in der neu geschaffenen zentralen Scan-Stelle zu bearbeiten und damit das ersetzende, frühe Scannen nach TR-03138 (TR-RESISCAN) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) durchzuführen. Neben der Zertifizierung nach TR-RESISCAN strebt die Stadt Wuppertal aktuell auch eine nach ISO/IEC 27001 im Rahmen einer übergeordneten Zertifizierung an.
Damit die Software-Komponenten den Anforderungen der TR-RESISCAN genügen, mussten die digitalisierten Briefe mit einer OCR (Volltexterkennung) versehen, komprimiert, signiert und anschließend mithilfe einer Klassifizierungssoftware typisiert werden. Ein komplexes Regelwerk, das bei Schlüsselworten aus dem Adressfeld und dem Text ansetzt, routet das Schreiben in die entsprechenden Postkörbe des digitalen Aktenplans im Dokumenten-Management-System (DMS). Dieses wird seit Dezember 2018 mit Förderung des MWIDE NRW im Rahmen der digitalen Modellregion parallel aufgebaut.

Deutliche Beschleunigung

Die zuständige Fachgebietsleiterin für Digitalisierung, Nicole Sommer kommentiert: „Die Förderung des Landes im Aktenplan ermöglicht uns eine deutliche Beschleunigung des Vorhabens und vor allem ein System aus einem Guss, dass eine Automatisierung in einem Grad ermöglicht, den wir uns zwar anfangs gewünscht, aber als sehr ambitioniert angesehen haben. Der Brief wird gescannt, kategorisiert und automatisch dem Zielempfänger im Aktenplan zugestellt.“
Aufgrund der Komplexität und Struktur der Eingangspost ist eine so weitgehende Automatisierung nicht immer möglich. Für Prozesse, die nicht automatisiert werden können, wurden entsprechend komfortable Workflows entwickelt, die von den Mitarbeitern direkt im DMS gestartet werden können. Fehlgeleitete Digitalisate können so an eine Clearing-Stelle zur Prüfung und korrigierten Zuordnung zurückgegeben werden, wobei auch die Klassifizierungssoftware entsprechend trainiert wird. Mit einem weiteren Workflow können digitalisierte Briefe, die beispielsweise im Original zur Akte genommen oder zurückgesendet werden müssen, wie etwa Urkunden, entsprechend im Original angefordert werden.

Noch nicht alle Ziele erreicht

Zur Erfüllung der Anforderungen der TR-RESISCAN müssen die originalen Papierdokumente über einen Zeitraum von mindestens vier Wochen aufbewahrt werden. Die Stadt Wuppertal sieht einen Zeitraum von sechs Wochen vor. Hierfür wurden im Rahmen des Lager- und Vernichtungskonzepts speziell angefertigte Mappen entwickelt. Diese werden zunächst zur Ablage des Scan-Gutes in den Scanner eingelegt, um anschließend als Aufbewahrungsmappe im Dokumentenlager zu fungieren.
Künftig sollen die digitalisierten Briefe nicht mehr in zentralen Postkörben abgelegt, sondern direkt fallbezogen in die korrekte digitale Akte geroutet werden. Auch im Bereich der Handschriftenerkennung sind die gewünschten Ziele noch nicht erreicht. Des Weiteren soll die interne Verteilung der originalen Papierdokumente über eine intelligente Postfachanlage abgewickelt werden. Auf diese Weise ist künftig der interne Postweg der Originale lückenlos nachvollziehbar. Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung werden dann mit wenigen Ausnahmen keine eingehenden Briefsendungen mehr in Papierform erhalten.

Judith Frankenbach ist Leiterin des Projekts „Digitalisierung des Posteingangs“ der Stadt Wuppertal.

https://www.wuppertal.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Februar 2020 von Kommune21 im Schwerpunkt Dokumenten-Management erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Dokumenten-Management, Wuppertal, digitale Poststelle, Eingangspost, TR-RESISCAN

Bildquelle: Stadt Wuppertal

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