[27.2.2020] Die Initiative D21 hat den aktuellen Digital-Index vorgestellt und auf der Fachkonferenz „Digitale Gesellschaft 2020“ das digitale Landleben gefeiert.
Alljährlich wird ein Lagebild der digitalen Gesellschaft in Deutschland von der Initiative D21 vorgestellt. In dem seit 20 Jahren bestehenden Netzwerk sind führende IT-Firmen vertreten, aber auch Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die allesamt ein großes Eigeninteresse am Vorankommen der Digitalisierung haben. Insofern werden auch im Digital-Index 2019/2020 (
wir berichteten) zunächst die quantitativ positiven Kennzahlen vorangestellt, die eine mehr oder minder kontinuierliche Steigerung der Digitalisierung hierzulande aufzeigen. Insbesondere seit 2017 gehen die Zahlen deutlich nach oben. Laut aktueller Studie sind inzwischen 86 Prozent der deutschen Bevölkerung online, der Digitalisierungsgrad beträgt 58 von 100 Punkten, mehrheitlich werden die Veränderungen durch die Digitalisierung von den Befragten begrüßt. Dagegen finden nur 36 Prozent, dass Schulen die notwendigen Kompetenzen vermitteln beziehungsweise ausreichend darauf vorbereiten.
Grenzen des Analogen
Zum ersten Mal ist die Gruppe der Digitalen Vorreiter mit 44 Prozent die größte und verzeichnet einen Zuwachs von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Gruppe der Digital Mithaltenden hat sich entsprechend um vier Prozent auf 38 Prozent verkleinert und die Gruppe der Digital Abseitsstehenden ist auf 18 Prozent geschrumpft, repräsentiert aber immer noch 11,5 Millionen Menschen. Alter, Bildungsgrad und Berufstätigkeit üben einen deutlichen Einfluss auf die Affinität zum Digitalen aus. Menschen mit hoher oder mittlerer Bildung weisen entsprechend einen deutlich höheren Digitalisierungsgrad auf als Menschen mit formal niedriger Bildung. Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin von D21, hob in ihrer Präsentation die Bedeutung von Digitalisierungskompetenzen in der Berufswelt hervor. Drei Viertel der Berufstätigen sehen sich den digitalen Anforderungen gewachsen, erkennen aber auch die Notwendigkeit zum lebenslangen Weiterlernen.
Interessant erscheint auch die Frage nach den Grenzen des Analogen. 28 Prozent der Befragten haben schon einmal erlebt, dass bestimmte Dienste wie der Check-in im Flugzeug oder die Terminvereinbarung beim Arzt nur online erledigt werden konnten. Die Studie stellt dazu fest: „Perspektivisch ist zu vermuten, dass diese Erfahrungen weiter zunehmen werden“ und knüpft daran die Möglichkeit der Teilhabe an der digitalisierten Welt. Bedeutsam sind auch Fragen zur digitalen Selbstbestimmung: Für 50 Prozent der Befragten sind sichere Daten und entsprechender Schutz durch sichere Passwörter und Antiviren-Software wichtig. Für 43 Prozent liegt ein verantwortungsbewusster Umgang mit Daten im eigenen Handeln begründet, während eine Mehrheit sich mehr Verantwortlichkeit auch aufseiten der Diensteanbieter und der Politik wünscht.
Digitalisierung geht nie vorbei
Der D21-Digital-Index wurde am Dienstag (25. Februar 2020) im Rahmen der Fachkonferenz „Digitale Gesellschaft 2020“ im Bundeswirtschaftsministerium in Berlin vorgestellt. Die Konferenz befasste sich insbesondere mit den digitalen Lebenswelten im ländlichen Raum. Silvia Hennig vom Verein Neuland21 stellte Projekte zur Digitalisierung im ländlichen Raum vor. Der Verein mit Sitz in Brandenburg kümmert sich um junge Menschen, die aus den Städten aufs Land ziehen, wo sie digital arbeiten und nachhaltig leben wollen. Diesbezüglich gibt es noch viel zu tun: Fast 95 Prozent der 66 größten von insgesamt 413 brandenburgischen Kommunen haben sich noch gar nicht mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt und 55 Prozent können mit dem Begriff Smart City bislang wenig anfangen. Umso erstaunlicher, dass der 75 Einwohner zählende Ort Klein Glien bei Bad Belzig zum Smart Village (
wir berichteten) auserkoren wurde, denn dort sitzt Brandenburgs erster Co-Working Space. Und nur wenige Kilometer weiter, in Wiesenburg, entsteht das erste Ko-Dorf – eine Siedlung von so genannten Tiny Houses mit Breitband-Anbindung und genossenschaftlichem Miteinander. Für Silvia Hennig steht fest: „Jede digitale Aktivität hat einen analogen Zweck, und der heißt Lebensqualität.“
Für den intellektuellen Überbau bei der Veranstaltung war Miriam Meckel zuständig, Professorin an der Universität St. Gallen und Mitherausgeberin der Wirtschaftswoche. Meckel vollbrachte in ihrem Vortrag das Kunststück, vom Quantencomputing und der Aufhebung des binären Denkens auf ihr Projekt Ada zu sprechen zu kommen. 2018 hat Meckel zusammen mit der Handelsblatt-Gruppe ein Lernprojekt aufgesetzt, das aus Konferenzen, Podcasts und einem publizistischen Magazin besteht und sich der digitalen Transformation widmet. Ada ist ein Stipendiatenprojekt und versteht sich als interdisziplinäres, berufsbegleitendes Programm, in dem junge Menschen mehr über die wichtigsten Zukunftstechnologien, ihre Anwendungspotenziale und den digitalen Transfer lernen. Der Name ist Ada Lovelace entliehen, einer britischen Mathematikerin und ersten Programmiererin im 19. Jahrhundert.
Helmut Merschmann
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