Digitalisierung:
Krise als Chance


[2.11.2020] Die Corona-Pandemie kann als Katalysator dienen, damit die digitale Verwaltung zur neuen Normalität wird. Denn die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die öffentliche IT in der Lage ist, kurzfristig pragmatische Online-Lösungen umzusetzen.

Pandemie als Wachmacher für die digitale Verwaltung. Es fällt schwer, von der Corona-Krise als Chance zu sprechen. Dennoch sind die Begleiterscheinungen – Minimierung der persönlichen und sozialen Kontakte, Abstandsgebot, Hygieneerfordernisse – ein Weckruf für die Akzeptanz und Notwendigkeit der digitalen Verwaltung und verleihen ihr einen kräftigen Schub.
Die kommunale IT-Landschaft hat schnell auf die neuen Rahmenbedingungen reagiert und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung sichergestellt. Die Pionierarbeiten der vergangenen Jahre haben sich gelohnt. Gerade in Bayern herrscht eine solide Ausgangsbasis an Online-Angeboten der Kommunen, die schnell hochskaliert werden konnten. Rapide gestiegene Nutzungszahlen belegen dies eindrucksvoll. Dabei sorgen zahlreiche medienbruchfrei in das Backoffice integrierte Lösungen dafür, dass die Verwaltungen nicht von einer Flut an Online-Eingängen überfordert werden.

Schnelligkeit und Umsetzungsstärke

Die Entwicklungen der vergangenen Monate verdeutlichen aber auch, dass Investitionen nicht erst in Krisenzeiten erfolgen dürfen. Bei der Eindämmung von COVID-19 und der Unterbrechung von Infektionsketten zählen Schnelligkeit und Umsetzungsstärke. Ähnlich verhält es sich bei innovativen IT-Lösungen. Sie müssen schnell verfügbar sein, um ihren Nutzen und ihre Entlastungswirkung unmittelbar entfalten zu können. Umso besser, wenn dabei auf eingespielte Prozesse und Infrastrukturen zurückgegriffen werden kann und diese in der Krise nicht erst mühsam konzipiert und implementiert werden müssen.
Ein Paradebeispiel für die Reaktionsschnelligkeit der öffentlichen IT ist die kurzfristige Umsetzung der Corona-Überbrückungshilfe als Online-Antrag. Seit Juli 2020 können kleine und mittelständische Unternehmen sowie Selbstständige und gemeinnützige Organisationen aus ganz Deutschland über ihre Steuerberater oder Wirtschafts- und Buchprüfer in einem volldigitalisierten Verfahren eine Liquiditätshilfe beantragen. Dabei authentifizieren sich die Antragsteller erstmals über das Nutzerkonto Bund, das von der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) realisiert wurde. Es weist die Identität rechtssicher nach und schützt so vor dem missbräuchlichen Bezug finanzieller Corona-Hilfen. Die Überbrückungshilfe ist Teil des Corona-Konjunkturpakets mit einem Gesamtvolumen von 24,6 Milliarden Euro. Die beschleunigte Abwicklung gegenüber Papieranträgen kommt auch der kommunalen Wirtschaftsstruktur zugute. Je zügiger ortsansässige Unternehmen finanzielle Unterstützung erhalten, desto geringer das Risiko, dass sie krisenbedingt aufgeben und Kommunen langfristig auf Gewerbesteuer­einnahmen verzichten müssen.

Weitere Dienste

Mit der Umsetzung des Nutzerkontos Bund haben das Bundesinnenministerium und die AKDB im Jahr 2019 die technische Authentifizierungsbasis für eine digitale Realisierung der Corona-Überbrückungshilfe geschaffen. Es ermöglicht Bürgern und Organisationen die Identifizierung im Internet, um Verwaltungsleistungen des Bundes online in Anspruch nehmen zu können. Neben der Überbrückungshilfe sollen in diesem Jahr weitere Dienste angebunden werden.
Eine zentrale Herausforderung der kommenden Monate wird sein, das Infektionsgeschehen kontrollierbar zu halten, ohne das öffentliche und wirtschaftliche Leben unverhältnismäßig einzuschränken. Technische Hilfsmittel wie die Corona-Warn-App leisten dafür einen wichtigen Beitrag. Eine sinnvolle Ergänzung ist die Lösung darfichrein.de der AKDB und des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA zur digitalen Gästeregistrierung. Sie unterstützt Gastgeber und kommunale Einrichtungen bei der im Rahmen der Pandemie bestehenden gesetzlichen Registrierungspflicht von Gästen, Besuchern und Kunden – und zeigt nebenbei, dass die kommunalen IT-Dienstleister in der Lage sind, in echter Start-up-Manier kurzfristig innovative Lösungen zu entwickeln und hierfür auch strategische Partnerschaften eingehen.

Agil umsetzen

Entstanden ist die Registrierungslösung aus der Patenschaft der AKDB im Umsetzungsprogramm des WirvsVirus-Hackathons der Bundesregierung. Die Dringlichkeit, eine digitale Lösung für die Kontaktdatenerfassung zu entwickeln, eröffnete die Chance, in kürzester Zeit eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Allianz zwischen der AKDB, dem DEHOGA Bayern sowie dem Entwicklerduo Stefan Michalk und Benedikt Schneppe einzugehen und das Vorhaben agil umzusetzen.
Die Gäste- und Besucherregistrierung kann nicht nur im Gastgewerbe, sondern auch in kommunalen Einrichtungen wie Büchereien, Schwimmbädern oder Bürgerbüros in wenigen Sekunden über QR-Code und Smartphone erfolgen. Dafür muss nichts installiert oder heruntergeladen werden. Alles läuft ohne Stift und Papierzettel ab, die durch viele Hände gehen. Auch für Meeting-Räume in Unternehmen und Behörden ist die Lösung prädestiniert. Datenschutz und -sicherheit sind bei der Nutzung umfassend gewährleistet. Alle Daten werden verschlüsselt im vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierten Rechenzentrum der AKDB gespeichert und dort nach vier Wochen automatisch gelöscht – eine Lösung, die bis auf wenige kleine und sofort bereinigte Schwächen sogar dem engagierten Angriff des Chaos Computer Club standgehalten hat. darfichrein.de überzeugte auch das Bayerische Staatsministerium für Digitales, das die Schirmherrschaft für die Anwendung übernommen hat. Dass diese den Nerv der Zeit trifft, belegen die Nutzungszahlen: Stand Anfang September fanden an 1.500 Standorten insgesamt bereits über 800.000 Check-ins statt.

Weiterhin im Homeoffice

In der Hochphase der Pandemie musste der Publikumsverkehr in Behörden und Kommunalverwaltungen auf ein Mindestmaß reduziert oder sogar ganz ausgesetzt werden. Weiterhin arbeitet ein großer Teil der Verwaltungsangestellten im Homeoffice. Digitalisierungs­pioniere unter den Kommunen, die bereits seit Längerem ihr Serviceportfolio um Online-Angebote ergänzt haben und auf automatisierte Verwaltungsdienste setzen, gehen mit den neuen Bedingungen deutlich leichter und entspannter um. Sie können ihre Daseinsvorsorge und Handlungsfähigkeit über den erprobten Online-Kanal aufrechterhalten.
Die Nutzungszahlen sind das beste Argument für Investitionen in den digitalen Bürgerservice: Nie zuvor machten die Bürger so stark Gebrauch von Online-Diensten auf kommunalen Web-Seiten. Wurden bis Frühjahr dieses Jahres auf den bayerischen Bürgerservice-Portalen wöchentlich etwa 15.000 erfolgreiche Verwaltungstransaktionen abgewickelt, ist seit Mai 2020 ein Anstieg um mehr als 30 Prozent zu verzeichnen. Allein die Nutzung der Online-Kfz-Zulassung erhöhte sich seit Beginn der Corona-Krise im März um das 19-fache.
Der Gesetzgeber leistete einen entscheidenden Beitrag und war für pragmatische Lösungswege offen. So wurde in Bayern die Nutzung internetbasierter Kfz-Dienste erheblich erleichtert. Im Zuge einer Ausnahmegenehmigung des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr ist es bis 31. Dezember dieses Jahres nicht mehr notwendig, sich mit der eID-Funktion des Personalausweises zu authentifizieren, um ein Fahrzeug online zulassen oder abmelden zu können. Eine mit Benutzername und Passwort angelegte BayernID reicht aus. Schnell machte ein Großteil der bayerischen Landratsämter von dieser Erleichterung Gebrauch, die auch von den Bürgern sofort angenommen wurde.

Digitale Verwaltung vorantreiben

Die aktuelle Situation kann – gerade dann, wenn Gesetzgeber und kommunale IT-Dienstleister im Sinne des Bürgernutzens effizient zusammenwirken – als Katalysator wirken, um die digitale Verwaltung in Deutschland voranzutreiben. Kommunen, die bei ihren Online-Angeboten noch relativ am Anfang stehen, verspüren mittlerweile einen hohen Handlungsdruck, mit den Vorreitern gleichzuziehen. Parallel sind die Rahmenbedingungen für schnelle und für die Bürger sichtbare Umsetzungserfolge besser denn je. In Bayern etwa werden seit Herbst 2019 Kommunen beim Auf- und Ausbau ihres Online-Dienst-Portfolios vom Freistaat finanziell unterstützt. Im Corona-Konjunkturprogramm der Bundesregierung stehen für die Verwaltungsdigitalisierung ebenfalls umfangreiche Mittel bereit.
Ziel muss es nun sein, vorhandene Lösungen fit für die Zukunft zu machen, sie anhand standardisierter Schnittstellen besser zu vernetzen und in Bereichen, in denen noch keine Angebote existieren, zeitnah praktikable Online-Lösungen zu entwickeln – ohne sich dabei in der Konzeptionierungsphase zu verlieren. Die Krise zeigt nämlich auch, dass für eine nachhaltige Praxistauglichkeit von Online-Angeboten die Fokussierung auf das Front End zu den Bürgern sowie Unternehmen nicht ausreicht. Notwendig sind Lösungen, die mit den Back-End-Systemen in den Verwaltungen und Betriebsinfrastrukturen der kommunalen IT-Dienstleister konsistent ineinandergreifen. Zahlreiche Online-Dienste aus der kommunalen Verwaltungspraxis liefern hierfür – über die medienbruchfreie Integration in behördeninterne und -übergreifende Fachverfahren und Workflows – bereits Blaupausen.
Vieles spricht dafür, dass die digitale Abwicklung von Verwaltungsleistungen zum neuen Servicestandard wird. Nicht allein deshalb, weil die Auswirkungen der Pandemie dies erforderlich machen, sondern weil bereits heute täglich tausende von Online-Transaktionen zeigen, welch spürbare Erleichterung und Entlastung dies für Bürger, Unternehmen und Verwaltungsangestellte mit sich bringt.

Rudolf Schleyer ist Vorstandsvorsitzender der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB).

https://www.akdb.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe November 2020 von Kommune21 im Schwerpunkt Digitalisierung erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Panorama, Digitale Verwaltung, Corona, AKDB

Bildquelle: MEV Verlag

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