[1.6.2021] Die Generierung und Bereitstellung offener Daten birgt erhebliches Effizienzpotenzial. Jedoch unterschätzen viele Verwaltungen Aufwand und Kosten, die damit einhergehen – etwa hinsichtlich der Weiterqualifikation der Beschäftigten.
In einem mehrjährigen Forschungsprojekt des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen (IAW) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) sollte untersucht werden, welche Wirkung die Bereitstellung von Open Government Data (OGD) auf Verwaltungsprozesse, zivilgesellschaftliche Aktivitäten und wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten hat. Hierzu wurden Dokumente analysiert, Expertengespräche geführt sowie eine Befragung der 76 Großstädte der Bundesrepublik durchgeführt (siehe Ausgabe 4/2021).
Zu den wesentlichen Ergebnissen zählte, dass im Untersuchungszeitraum fast keine kommerziellen Nutzungen festzustellen waren, kaum zivilgesellschaftliche Auswertungen stattfanden und deshalb die erwarteten Co-production-Effekte nicht eintraten. Es hat sich gezeigt, dass ein erheblicher Bedarf an aktiver Förderung besteht, um die mit OGD verknüpften Ziele zu erreichen – nämlich positive wirtschaftliche Effekte, Effizienzsteigerungen in der öffentlichen Verwaltung sowie eine größere Transparenz.
Kommunen haben Nachholbedarf
Im Laufe der Untersuchung zeichneten sich dann weitere Problembereiche ab. So wird der Digitalisierungsprozess, in den das Thema OGD fest eingebettet ist, meist primär als technische Modernisierung betrachtet. Das liegt im Wesentlichen daran, dass in vielen Kommunen ein erheblicher Nachholbedarf an Hard- und Software-Systemen besteht. Aufgrund der sichtbaren Innovationsgeschwindigkeit wird dies nicht als einmaliges, sondern als dauerhaftes Thema interpretiert und findet sich somit als Reinvestitionsnotwendigkeit in den mittelfristigen Finanzplanungen. Die prominente Sichtbarkeit des Handlungsdrucks und die offensichtliche Präsenz technischer Lösungsangebote auf dem Markt rücken diesen Aspekt stark in den Fokus und drängen andere Probleme mit komplexeren Lösungsnotwendigkeiten trotz ihrer Bedeutung im Digitalisierungsprozess aus der Wahrnehmung.
Prozess deutlich kostenintensiver
Hinter den technischen und finanziellen Auffälligkeiten wurde deshalb bislang kaum darauf geachtet, dass der Prozess zur Bereitstellung von OGD deutlich kostenintensiver ist als dies von den Gesetzgebern und deren Beratern angenommen wurde. Zum einen können die Daten nicht ohne Weiteres veröffentlicht, sondern müssen strukturiert und nutzbar gemacht werden. Zum anderen ergibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein erheblicher Beratungs- und Erklärungsbedarf sobald externe Nutzer mit den Daten arbeiten wollen. Ohne Unterstützung der Kommunalverwaltungen werden viele veröffentlichte Daten nicht sinnvoll auswertbar sein. Die Verwendung von OGD erfordert also voraussichtlich eine arbeits- und kostenintensive Kommunikation zwischen Verwaltung und Anwendern. Daraus entstehen auch neue Formen von Schnittstellen zu externen Nutzern, für die einerseits bisher nicht benötigte Berechtigungen und Verbindlichkeiten definiert werden müssen, andererseits die Verwaltungsmitarbeiter die dazu passende Kommunikationskompetenz erwerben müssen.
Schneller Wandel
Eine umfangreiche Weiterqualifikation der kommunalen Beschäftigten ist auch in den Bereichen Technik und Organisation nötig. Hinzu kommt, dass sich die Lerninhalte durch den schnellen technischen und sozialen Wandel in immer kürzeren Zyklen erneuern. Die Studie macht deutlich, dass aufgrund der noch geringen Nutzung von OGD sowie der jenseits der reinen Technik noch schleppenden Digitalisierung der künftige Qualifizierungsbedarf deutlich unterschätzt und nicht als Problem wahrgenommen wird. Momentan wird in den meisten Städten die aktuelle Mehrbelastung durch OGD von einer sehr engagierten Mitarbeiterschaft abgefangen.
Effizienzgewinne in Sicht
Sehr uneinheitlich war die Einschätzung, ob OGD auf Dauer zu Mehrbelastungen der Verwaltung führen wird. Zwar ist der Aufwand für die Generierung und Bereitstellung offener Daten höher als erwartet, die bereits erzeugten Daten können jedoch innerhalb und zwischen den Verwaltungen genutzt werden. Das hat einen Prozess der Neustrukturierung von Verwaltungsdaten in Gang gesetzt, der einige Effizienzgewinne verspricht. Spätestens an diesem Punkt wird es für die Städte schwer zu unterscheiden, welche Effekte durch OGD ausgelöst werden und welche der gesamten Digitalisierung der Verwaltung geschuldet sind.
Trotz wesentlicher neuer Erkenntnisse, die aus der Studie resultierten, bleibt festzuhalten, dass der Entwicklungsstand bezüglich der Bereitstellung von Open Government Data in den Städten sehr uneinheitlich ist. Insofern wäre es angebracht, den Umgang mit OGD als Teil kommunaler Digitalisierungsstrategien sowie als Handlungsfeld von verstärkter Partizipation und Wirtschaftsförderung kontinuierlich zu beobachten.
Dr. Uwe Hochmuth ist Professor am Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung e.V. der Universität Tübingen. Dr. Michael Mangold ist wissenschaftlicher Berater des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung. Hochmuth und Mangold sind zudem Gesellschafter der Proflog GmbH.
https://www.iaw.eduDieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Open Government,
Open Data,
Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen (IAW)
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