REPORT:
Norddeutsches Leuchtfeuer


[7.9.2009] Schleswig-Holstein hat als erstes Land bundesweit über die Verortung des Einheitlichen Ansprechpartners gemäß EU-DLR entschieden und einen Entwurf für ein E-Government-Gesetz vorgelegt. In beiden Fällen spielen Kooperationen eine wichtige Rolle. Sie sind auch einer der Gründe für den E-Government-Erfolg des nördlichsten Bundeslandes.

E-Government in Schleswig-Holstein hat Signalwirkung. Während die politischen Schlagzeilen, die Schleswig-Holstein in den vergangenen Monaten gemacht hat, eher negativ waren, macht das Land zwischen Nord- und Ostsee beim E-Government schon seit Längerem positiv von sich reden und setzt dabei in die Tat um, wovon viele nur sprechen: Zusätzlich zur Technik sind auch organisatorische und rechtliche Lösungen gefordert.

Strategische Leitlinien

Die Vereinfachung der Verwaltungsprozesse und deren konsequente Ausrichtung an einer umfassenden E-Government-Strategie zählen in Schleswig-Holstein nach dem Koalitionsvertrag der regierungstragenden Parteien zu den Anforderungen an eine moderne Verwaltung. Die in diesem Kontext fortgeschriebene E-Government-Strategie des Finanzministeriums hat das Kabinett im Sommer vergangenen Jahres beschlossen. Sie basiert auf drei Leitlinien: technische und prozessuale Standardisierung, Innovation durch Kooperation sowie Infrastrukturverantwortung des Landes. Als Folge dieser Leitlinien wurden neun zentrale Handlungsfelder definiert wie zum Beispiel der kooperative E-Government-Dialog Land-Kommunen oder die Schaffung eines E-Government-Gesetzes.

E-Government ist Gesetz

Der Entwurf des Gesetzes zur elektronischen Verwaltung für Schleswig-Holstein (E-Government-Gesetz, EGovG) war im Sommer 2008 vorgelegt worden. Inzwischen ist das Gesetz in Kraft getreten. Das Regelwerk soll die Abläufe bei elektronisch angebotenen Verwaltungsverfahren vereinfachen und Unternehmen verlässliche Rahmenbedingungen für die Entwicklung von IT-Anwendungen für die öffentliche Verwaltung bieten. Entsprechend positiv hat der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) auf das Gesetz reagiert. Damit werde eine neue Stufe der Verbindlichkeit von elektronischen Verwaltungsdienstleistungen erreicht.
Das Gesetz verpflichtet die betroffenen Verwaltungsträger, gemeinsame Standards und Schnittstellen zu definieren, damit Daten ohne Medienbrüche und über verschiedene Verwaltungsebenen hinweg elektronisch ausgetauscht werden können. Laut Klaus Schlie, Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung und Entbürokratisierung im Finanzministerium Schleswig-Holstein, schafft der Entwurf den hierfür notwendigen Instrumentenkasten ohne die kommunale Selbstverwaltungsgarantie zu gefährden. Schlie: „Wir können es uns nicht mehr leisten, jedes Rad der Informationstechnik immer wieder neu und mehrfach zu erfinden.“ Schleswig-Holstein werde deshalb allen betroffenen Verwaltungsträgern anbieten, die Basisinfrastruktur des Landes zu nutzen. Wo bereits Lösungen vorhanden sind, soll über ein sinnvolles Zusammenwirken der Komponenten nachgedacht werden.
Das EGovG setzt vorrangig auf einvernehmliche Lösungen, indem der Rechtsetzung durch das Land ein obligatorisches Abstimmungsverfahren vorgeschaltet wird. Beteiligt sind die kommunalen Landesverbände sowie die obersten Landesbehörden. Zudem wird die IT-Wirtschaft in den mit dem Abstimmungsverfahren verbundenen Standardisierungsprozess eingebunden.

Innovation durch Kooperation

Auf eine fruchtbare Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure wird aber nicht erst mit dem EGovG Wert gelegt. Für die Umsetzung von E-Government in Schleswig-Holstein ist Kooperation das Schlüsselwort. So wurde beispielsweise die Basisinfrastruktur des Landes in weiten Teilen gemeinsam mit der Stadt Hamburg aufgebaut. Mit ihrer E-Government-Infrastruktur 2.0 sind die beiden Länder unter den diesjährigen Finalisten des E-Government-Wettbewerbs der Unternehmen BearingPoint und Cisco. Auf eine länderübergreifende Kooperation setzt Schleswig-Holstein auch bei der Einführung eines Zuständigkeitsfinders. Zum Einsatz kommt ein System, welches unter anderem bereits Hessen und Niedersachsen nutzen.
Die kooperative Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen wird seit 2003 in Form einer E-Government-Vereinbarung umgesetzt. Laut Jochen von Allwörden, Geschäftsführer des Städteverbandes Schleswig-Holstein, sind für E-Government-Projekte zwischen Land und Kommunen ein fester Wille zur Zusammenarbeit sowie eine gute Koordinierung der Interessen der Kommunen erforderlich. Um letzteres zu ermöglichen, haben die kommunalen Landesverbände 1999 mit dem Kommunalen Forum für Informationstechnik (KomFIT) eine gemeinsame Einrichtung geschaffen, in der sie ihre IT- und E-Government-Aktivitäten bündeln. Das KomFIT vertritt zudem die IT-Belange der Kommunen in zahlreichen Arbeitsgruppen und Projekten mit dem Land.
Aber nicht nur Land und Kommunen setzen auf Kooperation, auch Kreise und Gemeinden bündeln ihre Kräfte. Der Kreis Pinneberg und die Stadt Quickborn haben einen IT-Zweckverband gegründet. Ein gemeinsames E-Government-Projekt im Gewerbewesen haben die Kreise Stormarn und Segeberg mit den Städten Ahrensburg und Norderstedt entwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf der Realisierung einer medienbruchfreien Verarbeitung von Gewerbeanzeigen. Die verwaltungsinternen Prozesse sollen künftig vollständig elektronisch abgewickelt werden. Diese Optimierung bildet den Grundbaustein für den Online-Dienst zum Gewerberegister, der aus der Gewerbemeldung und der elektronischen Gewerberegisterauskunft besteht. Das vom IT-Dienstleister Dataport entwickelte und betriebene IT-Verfahren eGewerbe kann durch die Verwendung zentraler Basisdienste des Landes auf andere Kommunen übertragen werden.

Pionier bei EAP-Verortung

Auch beim Einheitlichen Ansprechpartner (EAP) gemäß EU-Dienstleistungsrichtlinie, über dessen Verortung Schleswig-Holstein als erstes Bundesland entschieden hat, steht die Kooperation im Vordergrund. Die Funktionen des EAP wird eine neugegründete Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) in gemeinsamer Trägerschaft von Land, Kommunen und Kammern wahrnehmen. Laut Städteverbands-Geschäftsführer Jochen von Allwörden soll diese nicht in Konkurrenz zu den eigentlichen Aufgabenträgern stehen: „Die Zuständigkeiten bleiben unangetastet.“ Der EAP koordiniere für die Antragsteller lediglich die nötigen Verwaltungsvorgänge. „Die Kommunalverwaltungen sollen vor zusätzlichem Aufwand geschützt werden. Daher haben wir das Anstaltsmodell mit entwickelt“, sagt Jörg Bülow vom schleswig-holsteinischen Gemeindetag. Staatssekretär Klaus Schlie fasst zusammen: „Wir haben alle Möglichkeiten geprüft – von der Kommunalisierung bis zur Ansiedlung bei den Kammern. Sowohl aus rechtlicher wie auch aus finanzieller und verwaltungstechnischer Sicht ist die Errichtung einer Anstalt für alle Beteiligten und die Kunden die beste Lösung.“ Den Praxistest muss die AöR erst noch bestehen. Kay Ruge, Beigeordneter beim Deutschen Landkreistag, gibt zu bedenken, dass sie zusätzlich in bestehende Abläufe eingebunden werden muss und bisher über keine eigenen Kenntnisse der Genehmigungsverfahren und Verwaltungspraxis verfügt.
Vor dem Hintergrund der EU-Dienstleistungsrichtlinie hat Schleswig-Holstein im März sein Prozessregister gestartet. Das Informationsportal soll zur Standardisierung von Arbeitsabläufen in der öffentlichen Verwaltung beitragen. Referenzprozesse sind die Gewerbeanmeldung, die Kfz-Zulassung oder die Eröffnung einer Gaststätte. Indem alle Verwaltungen künftig auf zentral erarbeitetes Wissen zurückgreifen können, sollen Doppelarbeiten vermieden und Synergiepotenziale effizienter ausgeschöpft werden. Entwickelt wurde das Online-Register von der Firma Picture.
Auch die im Juli zwischen dem Finanzministerium und den drei Industrie- und Handelskammern des Landes vereinbarte Kooperation beim E-Government steht vor dem Hintergrund der EU-DLR. „Das beginnt bei der Vernetzung der technischen Infrastrukturen des Landes und der Kammern. Über Planungen und Projekte soll es einen intensiven Informationsaustausch geben“, erläutert Klaus Schlie. Und der Hauptgeschäftsführer der IHK Kiel, Rainer Bock, ergänzt: „Für uns ist das die Vorstufe für die Kooperation beim Einheitlichen Ansprechpartner. Wir beteiligen uns an der zu gründenden Anstalt, weil wir uns davon schnellere und leichtgängigere Verwaltungsverfahren für die Unternehmen versprechen.“
Die Bedeutung von E-Government als Wirtschafts- und Standortfaktor hat Schleswig-Holstein frühzeitig erkannt und konsequent umgesetzt. Wenn sich die Landesregierung auch in der nächsten Legislaturperiode die Verwaltungsmodernisierung als Aufgabenschwerpunkt setzt, sind weitere Leuchtfeuer aus dem Norden zu erwarten. (rt)

http://www.landesregierung.schleswig-holstein.de
Verwaltungsmodernisierung in Schleswig-Holstein (Deep Link)
Weitere Informationen zum Modellprojekt eGewerbe (Deep Link)

Stichwörter: Schleswig-Holstein, EGovG, Klaus Schlie, Einheitlicher Ansprechpartner (EAP), EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR), KomFIT, Jochen von Allwörden, Dataport, eGewerbe, Kay Ruge, Jörg Bülow, Rainer Bock



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