REPORT:
Wenig Betrieb im virtuellen Rathaus


[19.10.2009] Die Bürger finden es wichtig, dass Ämter und Behörden im Internet präsent sind. Dennoch nutzen lediglich 23 Prozent die E-Government-Angebote der öffentlichen Hand. Nur per Fax wird noch seltener mit der öffentlichen Verwaltung kommuniziert. Ergebnisse zweier aktueller Umfragen zu elektronischen Bürgerdiensten.

Von wegen Online-Amt: 80 Prozent der Bürger holen sich Genehmigungen persönlich ab. Die Deutschen wollen Behördengänge online erledigen, doch die Angebote sind nicht gut genug. Auf diesen einfachen Nenner kann man die Ergebnisse zweier aktueller Umfragen zum Thema elektronische Bürgerdienste bringen. Mitte September 2009 veröffentlichte der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) eine repräsentative Studie, wonach 73 Prozent der Deutschen über 14 Jahren Informationsangebote der Ämter und Behörden im Internet für wichtig halten. Dieser Meinung war auch rund die Hälfte der befragten Bürger über 65 Jahre. BITKOM-Präsident August-Wilhelm Scheer sagte dazu: „Der Wunsch nach elektronischen Bürgerdiensten ist in allen Altersgruppen sehr groß. Die meisten Ämter hinken im Internet auch den Senioren hinterher und sollten ihre Internet-Angebote weiter ausbauen.“

Internet ist keine Einbahnstraße

Laut BITKOM gibt es insbesondere bei der Interaktivität der Websites von Kommunen oder Behörden Nachholbedarf. Die Internet-Seiten der staatlichen Stellen verfügten bisher kaum über einen Rückkanal. BITKOM-Präsident Scheer: „Das Internet ist aber keine Einbahnstraße, sondern ein interaktives Medium, das auch so eingesetzt werden sollte.“ Die BITKOM-Studie belegt, dass die Mehrheit der Bürger elektronisch mit Ämtern und Behörden kommunizieren will. Knapp 56 Prozent der Deutschen wollen per E-Mail mit der Verwaltung in Kontakt treten. Selbst das Angebot, im Live-Chat mit Mitarbeitern der Ämter Fragen zu klären, begrüßen fast vier von zehn Bundesbürgern (39 Prozent). Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) wünscht sich außerdem die Möglichkeit, Anträge direkt auf den Internet-Seiten der Kommunen zu stellen, zum Beispiel beim Umzug oder bei der Anmeldung von Fahrzeugen oder den Bauantrag. Ein fast ebenso großer Teil (52 Prozent) möchte die Möglichkeit haben, den aktuellen Bearbeitungsstand von Anträgen online abzufragen – so wie schon heute Postkunden den Versandweg ihres Pakets im Internet verfolgen können.

Online-Amt: Wunsch oder Wirklichkeit?

Dass zwischen den Erwartungen der Bürger und den Angeboten der öffentlichen Hand eine Lücke klafft, zeigt auch eine aktuelle Studie, die das Marktforschungsunternehmen TNS Emnid im Auftrag des Unternehmens Adobe Systems durchgeführt hat. Ernüchterndes Ergebnis der repräsentativen Umfrage mit dem Titel „Das Online-Amt: Wunsch oder Wirklichkeit?“: Nicht mal ein Viertel der Deutschen (23 Prozent) nutzt E-Government-Angebote der Behörden. Aber: 48 Prozent können sich vorstellen, zukünftig ganz auf den Gang aufs Amt zu verzichten, wenn die Angebote ihren Erwartungen besser entsprechen würden. Denn die Bürger sind sich im Wesentlichen einig darüber, was ein anwenderfreundliches Online-Angebot von Behörden ausmacht. Fünf Bedingungen für die verstärkte Inanspruchnahme digitaler Bürgerservices werden von jeweils einer Mehrheit, drei davon sogar von über zwei Drittel der Befragten genannt. An erster Stelle steht der Wunsch nach übersichtlicheren Formularen und Anträgen (74 Prozent). Außerdem müsste für 72 Prozent der Befragten eine sicherere Datenübertragung gewährleistet sein. Darüber hinaus ist eine einfachere Bedienung für viele eine Voraussetzung dafür, verstärkt Online-Formulare von Kommunen zu nutzen (70 Prozent). Ein Großteil der Befragten wünscht sich zudem Hilfe in Form von persönlicher Unterstützung oder besseren Erklärungen (63 Prozent und 53 Prozent).

Finanzamt an erster Stelle

Die Emnid-Umfrage zeigt, dass heute beim Umgang mit der öffentlichen Verwaltung noch eindeutig der persönliche Kontakt dominiert. 80 Prozent der Bürger gehen ins Rathaus oder aufs Landratsamt, um eine Angelegenheit zu erledigen, es folgt die Kommunikation per Telefon (57 Prozent) und per Post (34 Prozent). Lediglich das Fax (10 Prozent) wird noch seltener für die Kommunikation genutzt als das Internet. Die Behörde, mit der am häufigsten online kommuniziert wird, ist das Finanzamt. 58 Prozent der Befragten, die innerhalb der vergangenen zwei Jahre Behördengänge über das Internet abgewickelt haben, hatten Online-Kontakt mit dem Finanzamt. Dazu trägt die elektronische Steuererklärung mit dem bezeichnenden Namen ELSTER bei. Die Zahl der Nutzer von ELSTER steigt von Jahr zu Jahr, allein im Jahr 2008 gaben drei Millionen Bürger erstmals ihre Steuererklärung elektronisch ab. Kfz-Zulassungsstellen und Einwohnermeldeämter sind ebenfalls Behörden, die relativ oft auf elektronischem Wege kontaktiert werden. Jeweils ungefähr ein Drittel der Nutzer von Online-Behördengängen hat sich schon einmal via Internet an sie gewandt (33 Prozent und 30 Prozent). Eher selten wird das Standesamt online kontaktiert (6 Prozent).

Jüngere wollen Online-Kontakt

Bei der Frage, ob man verstärkt online Kontakt zu Behörden aufnehmen würde, wenn es entsprechend gute Angebote gäbe, sind die Bundesbürger geteilter Meinung. Eine knappe Mehrheit (51 Prozent) erklärt, sie würde die Form der Kontaktaufnahme nicht ändern, auch wenn sich das Online-Angebot verbesserte. Fast genauso viele Befragte (47 Prozent) wären demgegenüber durchaus bereit, Kontakte zu Ämtern verstärkt online aufzunehmen. Deutliche Unterschiede zeigen sich in verschiedenen Altersgruppen: 61 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 30 Jahren würden den Online-Kontakt zu Behörden gern verstärken. Der Anteil derjenigen Bürger, die unter entsprechenden Voraussetzungen häufiger das Internet zur Kontaktaufnahme nutzen würden, sinkt kontinuierlich mit zunehmendem Alter. So würden auch bei einem guten Online-Angebot nur 27 Prozent der über 60-Jährigen Ämter verstärkt über das Internet kontaktieren.
Besonders gefragt sind Online-Services jener Ämter, mit denen heute schon am häufigsten per Internet kommuniziert wird. Die Frage „Was würden Sie gerne über das Internet abwickeln können?“ brachte folgende Ergebnisse: 63 Prozent der Befragten würden ihr Auto gern über das Internet an-, ab- oder ummelden können. Jeweils eine Mehrheit von 54 Prozent würde sich gerne den Gang zum Einwohnermeldeamt und zum Finanzamt sparen und Pass- und Personalausweisanträge und Steuererklärungen online abwickeln. Zwei von fünf Befragten (41 Prozent) würden Anträge auf Sozialleistungen gerne auf elektronischem Wege stellen können. Gewerbe- oder Bauanträge werden schließlich von ungefähr jedem Dritten genannt (37 Prozent und 32 Prozent).

Bürger würden online wählen

Bei der Frage, ob man sich vorstellen könne, bei einem guten Online-Angebot ganz auf Behördengänge zu verzichten, ergibt sich ein ähnliches Bild wie bei der Frage nach verstärkten Online-Kontakten: Während die eine Hälfte ganz auf Behördengänge verzichten könnte (48 Prozent), wenn entsprechende Online-Services angeboten werden, wäre die andere Hälfte nicht bereit, den persönlichen Kontakt zu den lokalen Behörden durch einen Online-Prozess zu ersetzen (50 Prozent). Die Emnid-Umfrage brachte auch ein überraschendes Ergebnis: Immerhin zwei von fünf Befragten (41 Prozent) würden online wählen, wenn es einfach und sicher möglich wäre.

Umstieg auf elektronische Formulare

Weniger überraschend sind die Schlüsse, die der Auftraggeber aus der Emnid-Studie zieht. Rüdiger Laabs, bei Adobe Systems für das Geschäft mit der öffentlichen Hand verantwortlich, kommentierte die Studie so: „Wenn Online-Angebote einfacher gestaltet und effizienter genutzt werden könnten, würden alle Beteiligten nachhaltig profitieren.“ Laabs empfiehlt den Verwaltungen, bisher papierbasierte Vorgänge auf intelligente elektronische Formulare im PDF-Format umzustellen. Damit sei es nicht nur möglich, Anträge online zu stellen. Die Daten aus den elektronischen Formularen könnten auch medienbruchfrei in die entsprechenden Fachverfahren übernommen werden. Rüdiger Laabs: „Wenn sich ein Bürger beispielsweise ummelden will und die Behörde Formulare anbietet, sollten jene Informationen bereits enthalten sein, die in der Verwaltung vorhanden sind. Denn dann muss er nur noch die neue Adresse eingeben und die Daten können automatisiert in die entsprechenden Fachverfahren übernommen werden. So entsteht kein Medienbruch und niemand muss notwendige Daten mehrfach einpflegen.“ Der Einsatz intelligenter Formulare inklusive digitaler Signatur beim Bundessortenamt zeige das Potenzial solcher Lösungen: 95 Prozent weniger Erfassungsfehler, Wegfall von circa 1.200 Bearbeitungsstunden und damit Einsparungen im fünfstelligen Bereich.

Methodik der Studien

Die Daten der BITKOM-Umfrage wurden im Rahmen einer repräsentativen Studie der ARIS Umfrageforschung im Auftrag des Branchenverbands erhoben. Befragt wurden dafür 1.002 deutschsprachige Personen in Privathaushalten ab 14 Jahren. Die Ergebnisse der Studie von TNS Emnid beruhen auf Spezialfragen, die für den Auftraggeber Adobe Systems im Rahmen einer telefonischen Mehrthemenbefragung gestellt wurden. 2.002 Personen im Alter von 14 Jahren und älter wurden nach einem Zufallsverfahren ausgewählt und befragt. (al)

Weitere Informationen zur Emnid-Studie (Deep Link)
Mehr zur BITKOM-Umfrage (Deep Link)

Stichwörter: Studien, E-Bürgerdienste, BITKOM, Adobe Systems, Formular-Management



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