REPORT:
Verwaltung sucht Nachwuchs


[7.12.2009] Die Belegschaft in der öffentlichen Verwaltung ist in den vergangenen Jahren deutlich gealtert. Zugleich verschärft sich der Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchskräfte. Die öffentliche Hand muss darauf mit einem strategischen Personal-Management reagieren, will sie ihre Aufgaben auch in Zukunft bewältigen können.

Öffentliche Hand muss echte Anreize für Nachwuchs-kräfte schaffen. Die Auswirkungen des demografischen Wandels machen sich auch in der öffentlichen Verwaltung mit ihren rund 4,5 Millionen Beschäftigten bemerkbar. Laut der aktuellen Studie „Demografieorientierte Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung“, welche das Beratungsunternehmen Prognos im Auftrag der Robert Bosch Stiftung erstellt hat, werden in den nächsten zwanzig Jahren mehr als 50 Prozent der Verwaltungsmitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Der Nachwuchs, also die Altersgruppe der unter 35-Jährigen, stellt heute nur noch 16 Prozent des Personals. Dagegen ist die Altersgruppe 45+ insbesondere in den Belegschaften von Ländern und Kommunen stark vertreten. Die Verschiebung hin zu älteren Jahrgängen ist laut der Studie im höheren Dienst besonders gravierend: So seien insgesamt fast 70 Prozent der Mitarbeiter dieser Dienstebene 45 Jahre und älter. Da diese überwiegend Führungsaufgaben wahrnehmen, ist ein steigender Bedarf an Führungskräftenachwuchs erkennbar.

Neue Strategien für die Personalpolitik

Die öffentliche Verwaltung wird sich jedoch nicht nur verstärkt um qualifizierten Nachwuchs bemühen, sondern auch das Personal-Management und die Personalentwicklung stärker an den Bedürfnissen der älteren Mitarbeiter ausrichten müssen, um deren Motivation und Arbeitsfähigkeit langfristig zu erhalten. „Erforderlich ist insgesamt nicht weniger als ein Paradigmenwechsel von einer passiven Personalverwaltung hin zu einem aktiven Management der Ressource Personal“, erklärt Marcel Hölterhoff, Senior-Projektleiter im Geschäftsfeld Public Management bei Prognos.
Dafür steht den öffentlichen Arbeitgebern eine Vielzahl an personalpolitischen Instrumenten zur Verfügung. So kommt eine weitere Flexibilisierung von Zeit und Ort der Arbeit, etwa durch Arbeitszeitkonten oder Telearbeit, den individuellen Lebenssituationen der Beschäftigten entgegen. Für ältere Mitarbeiter sollten alters- und alternsgerechte Tätigkeitsprofile und Karrierepfade entwickelt werden. Der Wissenstransfer zwischen den Generationen kann beispielsweise durch Teams mit Mitarbeitern verschiedener Altersgruppen sichergestellt werden. Zudem wächst im Hinblick auf eine im Durchschnitt immer ältere Belegschaft die Bedeutung eines Gesundheitsmanagements, das präventive Maßnahmen, wie Betriebssport, aber auch die Planung gesunder Erwerbsverläufe umfasst. Eine zentrale Rolle kommt darüber hinaus der Entwicklung von übergreifenden, alternsorientierten Laufbahn- sowie altersgerechten Schulungskonzepten zu.
Die Ziele eines solchen demografiebewussten Personal-Managements können aber nur erreicht werden, wenn sie in die Organisationskultur integriert und von den Führungskräften in ihrer täglichen Arbeit umgesetzt werden. Diversity-Management und Wertschätzung gegenüber Älteren müssen selbstverständlicher Bestandteil der Führungskultur werden. Maßnahmen der Führungskräftesensibilisierung und -entwicklung kommt daher eine Schlüsselrolle zu.

Hamburg plant langfristig

Einige Verwaltungen machen von solchen personalpolitischen Instrumenten bereits erfolgreich Gebrauch. So setzt beispielsweise die Freie und Hansestadt Hamburg auf ein strategisches Personal-Management: Um auf die altersbedingten Veränderungen in der Belegschaft frühzeitig reagieren zu können, führt die Verwaltung für derzeit zwölf Berufsgruppen jährlich eine systematische Personalbedarfsplanung durch, die sich jeweils über die nächsten acht Jahre erstreckt. Die Planung umfasst rund 45.000 Vollzeitkräfte beziehungsweise 80 Prozent der Vollzeitstellen in der hamburgischen Verwaltung.
Ausgehend von einem Personal-Soll planen die Behörden für die einzelnen Berufsgruppen zunächst die Auswirkungen einer Veränderung der Aufgabenentwicklung und möglicher Rationalisierungseffekte. Zur Berechnung des Nettopersonalbedarfs werden dann altersbedingte Abgänge fortgeschrieben und nichtaltersbedingte Abgänge geschätzt. Zur Deckung des Personalbedarfs ermitteln die Behörden anschließend Planzahlen für die Übernahme von Auszubildenden und Nachwuchskräften für die interne Einstellung sowie für die darüber hinaus erforderlichen externen Einstellungen. In der Gesamtschau der Planungen aller Behörden wird deutlich, welche Qualifikationen in der Verwaltung der Stadt Hamburg zukünftig verstärkt benötigt werden. Zudem kann auch ermittelt werden, ob die Planungen der einzelnen Verwaltungseinheiten bezüglich der internen Rekrutierung realistisch sind, oder ob die Konkurrenz um intern verfügbaren Nachwuchs zu Engpässen führt und somit verstärkt extern rekrutiert oder ausgebildet werden muss.
Um den Nachwuchs bemüht sich Hamburg übrigens auch mit anderen Mitteln. So macht das Personalamt seit Anfang 2008 mit einer Web-Anwendung Lust auf eine Ausbildung im mittleren und gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienst. Das Online-Tool C!You – start-learning@hamburg zählte in diesem Jahr zu den fünf nominierten Projekten für den European Public Sector Award (EPSA) der EU-Kommission in der Kategorie „Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen“. Schulabgängern ermöglicht die Anwendung eine anonyme und spielerische Selbsteinschätzung (Self-Assessment) für eine zukünftige Tätigkeit im Verwaltungsdienst der Hansestadt. Ähnlich wie bei einem Computer-Spiel können die Teilnehmer in die Rolle eines Auszubildenden der hamburgischen Verwaltung schlüpfen und erleben virtuell einzelne Ausbildungsstationen. Nach Angaben des Personalamtes der Stadt Hamburg soll mit der Web-Anwendung die Zielgruppe dort erreicht werden, wo sie sich viel und gerne aufhält und zunehmend auch beruflich orientiert.

Nachwuchs locken

Strategien für den Nachwuchs hat auch die Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister, Vitako, entwickelt. Damit soll dem drohenden Mangel an qualifizierten IT-Fachkräften in der öffentlichen Verwaltung entgegengewirkt werden. Die Kernziele der Initiative lauten nach Angaben des Vitako-Vorstandsvorsitzenden Wilfried Kruse: „Interessenten besser informieren, Studienangebote optimieren und Gehaltsstrukturen attraktiver machen.“
So soll unter dem Dach von Vitako ein Online-Ausbildungs- und -Studienführer entstehen. Im Ausbildungsführer können Mitgliedsunternehmen ihre jeweiligen Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote vorstellen, der Studienführer enthält Informationen zu Studiengängen, die auf die Bedarfe öffentlicher IT-Dienstleister und deren Auszubildende zugeschnitten sind. Darüber hinaus will die Bundes-Arbeitsgemeinschaft künftig im Diskurs mit den Hochschulen dazu beitragen, Studienangebote inhaltlich und strukturell noch besser auf die Bedürfnisse der öffentlichen IT-Dienstleister zuzuschneiden. Insbesondere sollen berufsbegleitende Ausbildungsangebote gestärkt werden. Zu guter Letzt soll eine Optimierung der tariflichen Rahmenbedingungen die Attraktivität der öffentlichen IT-Dienstleister als Arbeitgeber erhöhen. Gefordert wird unter anderem, dass die Laufbahnverordnungen für Beamte des gehobenen und höheren Dienstes novelliert und die Eingruppierungsvorschriften des TVöD für IT-Fachkräfte angepasst werden. Notwendig wäre laut Vitako darüber hinaus eine Flexibilisierung, die auch leistungsbezogene variable Gehaltsbestandteile ermöglicht.

Leistung honorieren

Eine leistungsbezogene Vergütung wird als ein wichtiges Instrument gesehen, um die Motivation der Mitarbeiter langfristig zu erhalten. Die Möglichkeiten, die Leistung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst zu quantifizieren und zu bewerten, werden zwar durchaus kontrovers diskutiert. Eine leistungsorientierte Bezahlung kann jedoch dazu beitragen, die öffentliche Verwaltung als Arbeitgeber attraktiver zu machen und eine Feedback-Kultur zu etablieren, da sie eine stärkere Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten sowie regelmäßige Gespräche über Leistungen und Ziele verlangt. Die Erfahrungen der Stadt Erlangen, welche die leistungsorientierte Vergütung vor rund zwei Jahren eingeführt hat, bestätigen solche positiven Effekte. So habe die Führungs- und Leistungskultur, etwa durch das regelmäßige Feedback der Führungskräfte an die Mitarbeiter, eine neue Dynamik gewonnen. Zudem werde die Stadt stärker als moderner Arbeitgeber wahrgenommen und sei nun auch für Arbeitnehmer attraktiv, die bislang nur schwer für eine Karriere in der Verwaltung zu gewinnen waren. Die mittelfränkische Stadt denkt nun darüber nach, den variablen Anteil der Vergütung mittelfristig von einem auf drei Prozent der Lohnsumme aufzustocken.
Richtig eingesetzt, so lautet das Fazit der Prognos-Studie, kann die leistungsorientierte Bezahlung die Qualitätsorientierung der Verwaltung unterstützen und zu einer erhöhten Effizienz und Effektivität der Aufgabenerfüllung beitragen. Die Studie warnt jedoch davor, die Auswirkungen der variablen Vergütung auf die Mitarbeitermotivation zu überschätzen: Diese lasse sich durch andere Faktoren wesentlich stärker beeinflussen. Aber auch bei immateriellen Anreizsystemen, wie etwa flexiblen Arbeitszeiten, Personalentwicklung oder Weiterbildung, könne die Verwaltung gegenüber der Privatwirtschaft punkten.

Integrierte Personalstrategie

Der öffentlichen Verwaltung stehen also zahlreiche Maßnahmen zur Verfügung, um Nachwuchskräfte zu gewinnen oder die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter besser und länger zu erhalten und so die Folgen des demografischen Wandels abzumildern. Eine nachhaltige Wirkung können die einzelnen Maßnahmen laut Marcel Hölterhoff von Prognos dann entfalten, wenn sie im Rahmen einer integrierten Strategie verfolgt werden, welche die einzelnen Handlungsfelder des Personal-Management-Prozesses verknüpft. Dann könne sich die öffentliche Verwaltung auch bei zunehmendem Fachkräftemangel im Wettbewerb um die besten Köpfe als attraktiver Arbeitgeber positionieren. (bs)

Studie „Demografieorientierte Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung“ (PDF; 2,7 MB) (Deep Link)
http://www.cyou-startlearning.hamburg.de
Ausbildungs- und Studienführer von Vitako (Deep Link)

Stichwörter: Personalwesen, Personal-Management, Prognos, Marcel Hölterhoff, Hamburg, C!You, Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister (Vitako), Wilfried Kruse



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