REPORT:
Halbzeit-Bilanz bei D115


[3.5.2010] Der Pilotbetrieb des einheitlichen Behördenrufs hat seinen ersten Geburtstag und zugleich Halbzeit gefeiert. In der Zwischenbilanz von Bund und Kommunen erhält das Projekt, dessen guter Service kürzlich im Rahmen einer Umfrage nachgewiesen wurde, viel Lob. Aber es gibt auch kritische Stimmen.

Egal welche Frage, 115 hat die Antwort. (Foto: BMI) Am 24. März 2010 endete das erste von zwei Jahren Pilotbetrieb der einheitlichen Behördenrufnummer 115. Die Zwischenbilanz auf Seiten des Bundes fällt insgesamt positiv aus. Die IT-Beauftragte der Bundesregierung, Staatssekretärin Cornelia Rogall-Grothe, erklärte anlässlich der Präsentation des Jahresberichts: „Das Projekt D115 zeigt in beeindruckender Weise, wie in kürzester Zeit mit vielen Beteiligten von Bund, Ländern und Kommunen ein neuer Bürgerservice erfolgreich umgesetzt werden konnte.“

Allensbach-Studie bescheinigt 115 guten Service

Über eine Million Bürger haben nach Angaben des Bundesinnenministeriums bislang die 115 gewählt – und die Mehrheit war mit dem Service zufrieden. Das hat eine repräsentative Umfrage zu Bekanntheitsgrad und Akzeptanz des einheitlichen Behördenrufs ergeben, welche das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Bundesinnenministeriums durchgeführt hat. Demnach kennt in den teilnehmenden Regionen jeder Zweite den Bürgerservice. 86 Prozent der Anrufer sind mit den erhaltenen Informationen zufrieden oder sehr zufrieden, mehr als 90 Prozent würden die 115 weiterempfehlen. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Die Mehrheit der Befragten (81 Prozent) begrüßt die Idee einer einheitlichen Behördenrufnummer und hält eine telefonische Behördenauskunft auch im Internet-Zeitalter für unverzichtbar. Staatssekretärin Rogall-Grothe: „Die Allensbach-Studie zeigt, dass der Bedarf an einer einheitlichen Behördenrufnummer bundesweit besteht und ein Anruf bei der 115 Zeit und Aufwand spart. Auch in puncto Qualität und Schnelligkeit der Auskünfte erhielt das Projekt gute Noten.“

Zwischenbilanz des Bundes

Von 115 profitieren aber nicht nur die Bürger, auch bei den Verwaltungen konnten Mehrwerte erzielt werden, wie Ulrike Prauser, stellvertretende Leiterin des Projekts D115 beim Bundesinnenministerium, berichtet. So ist es durch die Vernetzung innerhalb des D115-Verbunds möglich, dass sich Call Center gegenseitig vertreten, indem etwa das Anrufvolumen einzelner Service-Center auf ein anderes konzentriert wird. Dies erlaubt in schwach ausgelasteten Zeiten einen wirtschaftlichen Personaleinsatz – oder die Gewährleistung des Services auch unter besonderen Umständen. Während der Karnevalszeit wurden beispielsweise 115-Anrufe aus Köln, Aachen und anderen rheinländischen Städten teilweise ins Call Center der niedersächsischen Stadt Oldenburg umgeleitet. Auch Effizienzgewinne entstehen den teilnehmenden Verwaltungen, insbesondere durch die Entlastung der Behördenmitarbeiter. Die Möglichkeit, vielfältige Zugangswege für die Kommunikation mit den Behörden zu nutzen, hat zu einem generellen Anstieg der Kontaktaufnahmen geführt. Die Beantwortung der zahlreichen Anfragen, insbesondere aber auch die Unterbrechung des Arbeitsflusses wirken sich an vielen Stellen des Verwaltungsbetriebes nicht unerheblich auf die Arbeitszeit aus. Allein die Suche nach dem richtigen Ansprechpartner führt laut Prauser zu beachtlichen zeitlichen Belastungen innerhalb der Verwaltung. Mithilfe von standardisierten Arbeitsabläufen können die Auskunftsprozesse optimiert werden. Die professionelle Koordination der 115-Anrufe durch das jeweilige Service-Center befreie die Behörden von Unterbrechungen. Anfragen, die nicht direkt beantwortet werden können, würden standardisiert an die Fachebene weitergeleitet. Die Erfahrungen bestehender D115-Service-Center würden beweisen, dass der Arbeitsaufwand für die Beantwortung der Anfragen allein durch diese Standardisierung um bis zu 30 Prozent verringert werden kann.

Erfahrungen der Kommunen

Eine Entlastung der Beschäftigten verzeichnet etwa die Freie und Hansestadt Hamburg. Mehr als 120.000 Anrufe sind im ersten Jahr Pilotbetrieb beim Telefonischen HamburgService in Wandsbek eingegangen. „Durch die Beantwortung dieser Anrufe wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburgs Behörden um 750.000 Arbeitsminuten entlastet“, sagt Finanzsenator Carsten Frigge und ergänzt: „Damit trägt die 115 zu einer erheblichen Effizienzsteigerung der Verwaltung bei.“
Im hessischen Main-Taunus-Kreis, der Neuigkeiten zur 115 auch über den Microblogging-Dienst Twitter verbreitet, hat sich der Bürgerservice mittlerweile ebenfalls etabliert. Landrat Berthold Gall: „Unter den Anrufern gibt es mittlerweile auch Stammkunden, welche die Vorteile der leicht zu merkenden Rufnummer zu schätzen wissen und sich in den verschiedensten Angelegenheiten an uns wenden.“ 4.500 Bürgeranfragen sind dort im ersten Jahr des Pilotbetriebs über die einheitliche Behördenrufnummer eingegangen. Pro Monat verzeichnet das eigens eingerichtete Service-Center durchschnittlich 390 Anrufe. In Frankfurt am Main, einem Neuzugang unter den Modellregionen, sind es pro Tag durchschnittlich rund 160 Anrufe. Das teilte die Finanzmetropole nach vier Wochen Pilotbetrieb mit. 3.500 Anrufe hatten die Stadt zu diesem Zeitpunkt insgesamt über die 115 erreicht. Der Anteil von 115-Anrufen am Gesamt-Telefonvolumen des Service-Centers lag damit bei knapp 20 Prozent. Stadtrat Markus Frank zeigte sich mit der ersten Monatsbilanz zufrieden: „Die Anruferzahlen der ersten Wochen sind ein Beweis dafür, dass unser Angebot zu einer weiteren Verbesserung des Bürgerservices auf fruchtbaren Boden fällt.“
Die Frankfurter haben ihr Service-Center innerhalb eines halben Jahres aufgebaut und dabei laut Jochen Ditschler, Leiter des Call Centers, neueste ergonomische Aspekte berücksichtigt. In der nordrhein-westfälischen Stadt Münster, die genau wie Frankfurt Anfang März 2010 in den 115-Pilotbetrieb gestartet ist, wurden die Strukturen für das Service-Center ebenfalls innerhalb von sechs Monaten geschaffen. Anders als in der hessischen Großstadt wurde der Dienst hier in die bestehende Telefonzentrale des Personal- und Organisationsamtes integriert und die Strukturen von Telefonzentrale und Bürgertelefon im Bürgeramt organisatorisch und technisch optimiert. Ein separates Call Center wurde nicht gegründet.

Erwartungen des Bundes

Dass möglichst viele Kommunen dem Beispiel Frankfurts und Münsters folgen und sich für eine Teilnahme am D115-Pilotprojekt entscheiden, erhofft sich der Bund. Staatssekretärin Rogall-Grothe: „Das Vorhaben ist bereits deutlich gewachsen – wenn auch nicht so schnell wie wir es wünschen.“ Investitionen in die Öffentlichkeitsarbeit könnten sich dabei bezahlt machen. Denn wie die Bundes-CIO sagt, ist das Wissen um die 115 und ihre Verfügbarkeit in der Bevölkerung noch zu wenig verbreitet. „Hier sind alle Projektbeteiligten aufgerufen, künftig noch stärker und zielgruppenorientierter zu informieren“, so Rogall-Grothe. Anregungen gibt es bereits. In der Mainmetropole Frankfurt lief von Anfang März bis Ende April in mehreren Kinos ein Spot, der die 115 vor allem bei jungen Bürgern bekannt machen sollte. Auch Hamburg ist bei der Öffentlichkeitsarbeit kreativ: Dort ist seit Kurzem ein Bus der Hamburger Hochbahn AG mit Werbung für die einheitliche Behördenrufnummer unterwegs. Damit soll die 115 für die kommenden drei Jahre im Stadtbild präsent gehalten werden.
Für die zweite Halbzeit des Pilotbetriebs gilt es nach Angaben der stellvertretenden D115-Projektleiterin Ulrike Prauser, den bisherigen Erfahrungsschatz zu nutzen, daraus zu lernen und den Service weiter zu verbessern. Ziel sei es, die 115 als den ebenenübergreifenden Zugangskanal zur öffentlichen Verwaltung zu etablieren. Bis 2011 sollen alle Bundesbehörden an den D115-Verbund angeschlossen sein, bis 2013 soll die einheitliche Behördenrufnummer dann deutschlandweit angeboten werden. Auf diesen Zeitplan hatten sich die kommunalen Spitzenverbände und das Bundesministerium des Innern Ende vergangenen Jahres verständigt.

Kommunale Kritik

Der Erfolg von D115 ist nach den Worten von Bundes-CIO Cornelia Rogall-Grothe insbesondere auf die Einbindung der Kommunen zurückzuführen: „Die Service-Center unserer kommunalen Teilnehmer haben den D115-Verbund mit ihrer Servicekultur maßgeblich geprägt und sind Vorbild für den Aufbau und für die Modernisierung vorhandener Bürgerservices.“ Doch nicht überall stößt das Projekt auf Gegenliebe. Sehr kritische Worte findet Thorsten Bullerdiek, Pressesprecher und Beigeordneter für IT-Fragen beim Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund (NSGB). Seiner Meinung nach könnten die Kommunen gut ohne 115 leben – eigentlich sogar besser. Denn in Städten und Gemeinden erhielten die Bürger bereits heute persönlich, telefonisch, per E-Mail und über Internet-Services Auskunft zu allen Lebenslagen. Bund und Länder hingegen hätten hier noch Nachholbedarf. „Es drängt sich daher der leise Verdacht auf, dass der Bund, manche Länder und eventuell einzelne Großstädte weitere Verwaltungseinheiten suchen, die D115 dauerhaft mitfinanzieren“, so Bullerdiek.
Die Finanzierung der D115-Netzinfrastruktur soll über einen Aufschlag pro Gesprächsminute auf die marktgängigen Preise erfolgen. Im Pilotbetrieb betrage dieser zwischen drei und sieben Cent pro Gesprächsminute. Die Teilnehmer hätten hiervon allerdings nichts, da die Gebühren in die Finanzierung des Netzbetriebes wanderten. „Dass diese Beträge nicht auskömmlich sind, die geweckten Erwartungen zu erfüllen und die Kosten der teilnehmenden Behörden zu decken, ist offenkundig“, sagt Bullerdiek. Und damit es auf den ersten Blick nicht zu teuer werde, biete es sich an, die Teilnehmer über Umlagebeiträge zur Kasse zu bitten. Einen dritten Kostenblock stellen laut dem NSGB-Sprecher die Ausgaben dar, die in der Behörde entstehen. Im Feinkonzept von D115 werde für eine Stadt mit 450.000 Einwohnern von 30,5 Vollzeitstellen, Investitionskosten in Höhe von 457.000 Euro und laufenden jährlichen Betriebskosten von mehr als eineinhalb Millionen Euro ausgegangen.
Zu den finanziellen Belastungen würden noch ganz andere Probleme hinzukommen, meint Bullerdiek. Um eine kritische Masse an Anrufen zu erhalten, sehe das D115-Konzept die Konzentration auf Kreisebene bereits vor. Damit verbunden sei eine (Teil-)Übernahme der Telefonservicefunktion für die kreisangehörigen Kommunen durch die Kreisverwaltung. Im Endeffekt erlebten die Städte und Gemeinden mit D115 die Vorstufe einer Verwaltungsreform und verlören durch die Hochdelegation ihrer Servicekompetenz die Nähe zu ihren Bürgern. Auch die kommunale Selbstverwaltung mit eigener Identität finde für die Städte und Gemeinden in einem Segment weniger statt. Bullerdieks Fazit lautet entsprechend: „Auch ohne die Kommunen kann D115 von Bund und Ländern genutzt – und selbst bezahlt werden.“ (rt)

http://www.d115.de
D115-Jahresbericht 2010 (Deep Link)
Kurzfassung der Allensbach-Studie zu 115 (Deep Link)
http://twitter.com/mtk115
http://www.frankfurt.de/d115
Frankfurter 115-Spot auf YouTube (Deep Link)

Stichwörter: 115, Bürgerservice, Cornelia Rogall-Grothe, Allensbach, Hamburg, Main-Taunus-Kreis, Frankfurt, Münster, Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund (NSGB), Thorsten Bullerdiek



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