REPORT:
Milliardenmarkt ÖPP


[10.5.2010] Als Folge der Finanzkrise hat sich der Markt für Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) im vergangenen Jahr etwas abgekühlt. Dennoch ist das Potenzial gewaltig: Bis zum Jahr 2014 könnten Maßnahmen der öffentlichen Hand im Gesamtumfang von 14,2 Milliarden Euro durch ÖPP-Projekte umgesetzt werden.

Öffentlich-Private Partnerschaften: Projekte gemeinsam finanzieren und realisieren. Um die Finanzen der öffentlichen Hand ist es schlecht bestellt. Wer gedacht hat, dass Finanz- und Wirtschaftskrise, Bankenrettung und Konjunkturpakete keinen Einfluss auf die Haushalte haben, wird jetzt eines Besseren belehrt: Das Staatsdefizit ist im Krisenjahr 2009 auf Rekordhöhe gestiegen. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen einschließlich ihrer Extrahaushalte gaben über 105 Milliarden Euro mehr aus als sie einnahmen. Dies teilte das Statistische Bundesamt Ende März mit. Das ist das bislang höchste Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 verzeichneten die öffentlichen Haushalte ein Finanzierungsdefizit von 5,2 Milliarden Euro und im Jahr zuvor einen Finanzierungsüberschuss von mehr als 11 Milliarden Euro.

Alternative Finanzierung

Die miserable Lage der öffentlichen Kassen rückt alternative Finanzierungsformen wieder einmal in den Fokus des Interesses. Als eine Möglichkeit gilt die Beteiligung privater Unternehmen an der Aufgabenerfüllung des Staates. Mittels Public Private Partnerships, auf Deutsch Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), sollen nicht nur die Haushalte entlastet, sondern auch die Servicequalität von Ämtern und Behörden verbessert werden. Beispiele für erfolgreiche Partnerschaften zwischen Firmen und öffentlicher Hand sind vor allem im Ausland zu finden. Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland seinen Nachbarn in allen ÖPP-Bereichen hinterher. Vorreiter ist Großbritannien mit einem Investitionsvolumen von über sechs Milliarden Euro allein im Jahr 2009. In Deutschland liegt diese Summe bei gut einer Milliarde Euro.
Um ÖPPs in Deutschland voranzubringen wurde im Jahr 2008 die ÖPP Deutschland AG (Partnerschaften Deutschland) gegründet. Das Beratungsunternehmen ist selbst als ÖPP angelegt. Derzeit hält die öffentliche Hand mit 60 Prozent der Anteile die Mehrheit. Allerdings steht das Unternehmen vor einer schwierigen Aufgabe: Der Markt für Öffentlich-Private Partnerschaften hat sich im vergangenen Jahr etwas abgekühlt. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), die kürzlich veröffentlicht wurde. Das Difu erwartet nach einem stärkeren Anstieg in den Jahren 2007 und 2008 einen Rückgang bei der Umsetzung von ÖPP-Projekten. Dafür verantwortlich sind nicht zuletzt Haushaltsengpässe in den Kommunen sowie die Finanzierungszurückhaltung der Banken und Sparkassen als Folge der weltweiten Finanzkrise.

Ergebnisse der Difu-Studie

Für die Difu-Studie wurden von November 2008 bis Januar 2009 alle Städte und Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern, alle Landkreise und alle Landes- und Bundesministerien schriftlich befragt. Gegenstand der Erhebung waren ausschließlich so genannte ÖPPs für projektbezogene Infrastrukturmaßnahmen. ÖPPs in Form reiner Organisationsprivatisierungen, also etwa gemischtwirtschaftliche Unternehmen, die keine echten ÖPP-Projektleistungen erbringen, wurden nicht betrachtet. Den Auftrag zur Durchführung der Studie erteilte die ehemalige PPP Task Force im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). Die Studie wurde zum größten Teil vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung finanziert.
ÖPP-Projekte finden sich laut der Studie am ehesten in den Bereichen Schulen sowie Sport, Freizeit und Touristik, gefolgt von Verwaltungsbauten und Verkehrsprojekten. Dies werde sich in Zukunft nicht wesentlich ändern, so die Autoren der Studie. Als Finanzierungsvariante findet sich mehrheitlich die Forfaitierung mit Einredeverzicht (also mit geringen Risiken für die finanzierende Bank), deutlich vor der Projektfinanzierung, die eher bei größeren Vorhaben gewählt wird. Das gesamte Finanzvolumen der Projekte streut breit und gleichmäßig von wenigen Millionen Euro bis knapp 300 Millionen Euro. Am gesamten Finanzierungsvolumen haben die Beratungskosten, einschließlich der Kosten der projektbegleitenden Beratung, durchschnittlich einen Anteil von 1,5 Prozent, wobei dieser Anteil mit zunehmender Projektgröße tendenziell sinkt.
Laut Difu bestätigen sich Angaben aus früheren Studien, dass der durchschnittliche Effizienzvorteil der ÖPP-Projekte 13 bis 14 Prozent beträgt. Dieser Wert basiert auf den Angaben der Befragten hinsichtlich der Ergebnisse der jeweiligen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Insgesamt sind die Befragten mit dem Ablauf, dem Verfahren sowie mit den Ergebnissen der ÖPP-Projekte überwiegend sehr zufrieden oder zufrieden. In einem engen Zusammenhang mit der Zufriedenheit steht die Erfüllung von Effizienz- und Qualitätserwartungen. Diese wurden meistens erfüllt, teilweise aber auch übertroffen oder unterschritten. Dabei macht die Einhaltung der vereinbarten Qualitätsmaßstäbe häufiger Probleme als die Erfüllung der Wirtschaftlichkeitserwartungen. Für den Nutzen und die Tragfähigkeit von echten ÖPPs spricht, dass hinsichtlich Effizienz und Qualität problematische Fälle fast ausschließlich unter den ÖPP-ähnlichen Projekten zu finden waren.

Probleme bei Vertragsgestaltung

Trotz der insgesamt deutlichen Zufriedenheit mit den Projekten gaben die Befragten an, dass es bei jedem vierten Projekt in irgendeiner Phase große Probleme gab. Insbesondere die Vertragsgestaltung sowie die Identifizierung und Bewertung von Risiken stellten die Akteure offenbar vor große Herausforderungen. Bei der Hälfte aller Projekte gingen aber auch diese Schritte problemlos vonstatten.
13 Prozent der Befragten berichteten, dass es in den vergangenen fünf Jahren Projekte gab, die geplant waren und nicht zustande gekommen sind. Meistgenannte Gründe dafür waren, dass die Eigenerstellung wirtschaftlicher erschien oder dass alternative Möglichkeiten der Projektrealisierung durch die öffentliche Hand gesehen wurden. Es gab auch Vorhaben, die bereits vertraglich fixiert waren und noch vor Umsetzungsbeginn abgebrochen werden mussten. Der größte Teil der Projekte wurde schon nach den ersten Vorüberlegungen oder in der Prüfungsphase abgebrochen. Zwei der erfassten Projekte scheiterten erst während der Umsetzung.

Pro und Contra ÖPP

Weiteres Ergebnis der Studie: Auf kommunaler Ebene scheint die Zahl der ÖPP-Befürworter etwas geringer zu sein als die der Ablehnenden. Dies ergibt sich aus der Gegenüberstellung der Zahl der Pro- und Contra-Argumente. Auf Landes- und Bundesebene ist es genau umgekehrt. Hier werden deutlich häufiger positive Argumente angeführt – ein klarer Hinweis darauf, dass ÖPPs auf verschiedenen staatlichen Ebenen unterschiedliche Wertschätzung erfahren.
Für Projekte in Öffentlich-Privater Partnerschaft sprechen aus Sicht der Befragten am ehesten realisierbare Effizienzvorteile, vor höherer Effektivität und schnellerer Realisierung der Vorhaben. Am ehesten gegen ÖPPs spricht, dass mit deren Durchführung zu viele Risiken verbunden sind. Bei der Frage nach der zukünftigen Bedeutung von ÖPPs sind die Einschätzungen im Vergleich zur Difu-Befragung aus dem Jahr 2005 wesentlich zurückhaltender: Im Durchschnitt aller Infrastrukturbereiche sprechen nur knapp fünf Prozent dem Thema ÖPP eine große Rolle zu (2005 waren es fast zehn Prozent). Der Bereich Bildung und Schulen stellt dabei aber immer noch den Sektor mit den größten Erwartungen dar. Bezieht man die Frage nach der zukünftigen Bedeutung von ÖPPs nicht auf die Infrastrukturbereiche, sondern auf die verschiedenen Leistungsbereiche, dann ist nach Einschätzung der Befragten der Hochbau einschließlich Planung und Finanzierung das größte Einsatzfeld für ÖPPs. Wichtige Themen der Zukunft werden außerdem Dienstleistungen im IT-Bereich sowie die Energieversorgung sein.

Faktoren für erfolgreiche Projekte

Das Difu fragte auch nach den Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines ÖPP-Projektes. Wichtig sind dabei nach Meinung der Befragten eine sorgfältige Bedarfsplanung und Bestandsbeurteilung, die gute Vorbereitung der Machbarkeitsstudie und Konzeption, ein gutes Projekt-Management und eine funktionierende Kommunikation zwischen den Partnern. Als größte Risiken werden unvollständige Verträge, mangelhafte Flexibilität etwa bei Zieländerungen und Kontrollverlust für die öffentliche Hand gesehen.
Um das ganze Potenzial von Öffentlich-Privaten Partnerschaften auszuschöpfen, müssen laut Difu noch einige Hemmnisse beseitigt werden. Nach Einschätzung der Befragten sind wesentliche Schwerpunkte die Verbesserung der rechtlichen Grundlagen sowie die Verfügbarkeit des erforderlichen Know-hows bei den Akteuren. Als zusätzliche Unterstützung werden am ehesten Orientierungshilfen gewünscht, vor Standardisierungen und Beratungsangeboten. Bei den Orientierungshilfen sind es in erster Linie gute Beispiele, zu denen Informationen zugänglich gemacht werden sollten.

ÖPP-Potenzial und Ausblick

Was die Perspektiven von ÖPP-Projekten angeht, hat das Difu Folgendes herausgefunden: Knapp ein Viertel der Befragten geht davon aus, dass bei ihnen in den nächsten fünf Jahren eines oder mehrere ÖPP-Vorhaben angestoßen und umgesetzt werden. Von den größeren Städten fasst sogar jede zweite ÖPP-Vorhaben ins Auge. Im Verhältnis zu den gesamten kommunalen und staatlichen Investitionen ergibt sich für die Städte und Gemeinden bis 2014 eine bundesweit durchschnittliche ÖPP-Quote von 4,8 Prozent des gesamten Investitionsvolumens. Bei den Landkreisen beträgt dieser Wert 3,5 Prozent und bei Bund und Ländern voraussichtlich 4 Prozent. Bei einer gegenüber dem Jahr 2006 konstanten Investitionstätigkeit in Höhe von 17,5 Milliarden Euro alleine bei den Kommunen ergäbe sich für diese ein mit ÖPP zu realisierendes Investitionspotenzial in den Jahren 2010 bis 2014 im Umfang von 4,2 Milliarden Euro. Das Gesamtvolumen dieser ÖPP-Vorhaben würde sich laut Difu-Studie entsprechend den bisherigen Erfahrungen auf etwa 8,4 Milliarden Euro belaufen.
Hinzu kommen noch die Maßnahmen von Bund und Ländern. Im Jahr 2006 wurden auf dieser Ebene fast 14,4 Milliarden Euro in Baumaßnahmen und in bewegliches und unbewegliches Sachvermögen investiert. Daraus errechnet das Difu ein ÖPP-Potenzial von rund 5,8 Milliarden Euro im Zeitraum von 2010 bis 2014. Insgesamt könnten bis zum Jahr 2014 also Maßnahmen der öffentlichen Hand in einem Gesamtumfang von 14,2 Milliarden Euro durch ÖPP-Projekte umgesetzt werden. Die Autoren der Studie machen jedoch darauf aufmerksam, dass dieses gewaltige Projektvolumen in den nächsten fünf Jahren den engagierten Einsatz aller Beteiligten verlangt. Voraussetzung dafür sei, dass die öffentlichen Partner weiter fit für den Einsatz von ÖPPs gemacht werden. Dabei ist nach Einschätzung der Befragten einerseits an den rechtlichen und steuerlichen Hemmnissen anzusetzen, andererseits sind Orientierungshilfen, Beratungsangebote und Standardisierungen noch stärker als bisher bereitzustellen. Ergänzend dazu sollte nach Meinung der Autoren eine wissenschaftlich seriöse und unabhängige Evaluation der laufenden Projekte erfolgen, deren Ergebnisse dokumentiert werden müssten. Die Beschreibung von guten Beispielen würde die Akteure für weitere Projekte motivieren, und auch weniger erfolgreiche Vorhaben können den Erfahrungsschatz mit wichtigen Hinweisen bereichern.

Projektdatenbank im Internet

Die Beratungsaufgabe hat sich das Unternehmen ÖPP Deutschland auf die Fahnen geschrieben. Anhand von Grundlagenarbeiten sollen Standards entwickelt werden, die eine höhere Transparenz in die Projektabläufe bringen und die mit ÖPPs verbundenen Transaktionskosten weiter senken. Über einen kostenlosen Help Desk bietet ÖPP Deutschland für kommunale Träger die Beantwortung erster Fragen in der Frühphase von ÖPP-Projekten an. Um das vorhandene Wissen über ÖPP-Projekte zu teilen, hat das Unternehmen eine Projektdatenbank ins Internet gestellt. Nach den aktuellen Erkenntnissen aus der PPP-Projektdatenbank befinden sich derzeit mehr als 100 Projekte in der Ausschreibung oder Vorbereitung. Davon entfallen etwa 75 Prozent auf die Kommunen und 20 Prozent auf die Länder. Der Bund ist insbesondere mit Vorhaben im Bereich der Autobahnen engagiert. Hinzu kommen erste in Vorbereitung befindliche Hochbauprojekte wie der Neubau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Nach ersten Hochrechnungen von ÖPP Deutschland liegt das zu erwartende Investitionsvolumen für alle diese Projekte bei mehr als drei Milliarden Euro. (al)

Mehr zur Difu-Studie „PPP-Projekte in Deutschland“ (Deep Link)
http://www.ppp-projektdatenbank.de

Stichwörter: Public Private Partnership (PPP), Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), Deutsches Institut für Urbanistik (Difu), Partnerschaften Deutschland, ÖPP Deutschland AG



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