REPORT:
Kommunikation 2.0


[13.9.2010] Mit Web 2.0 tritt die Verwaltung in einen neuen Dialog mit den Bürgern. Welche Tools sich für den Einsatz im Public Sector eignen, muss individuell festgelegt werden. Eines ist jedoch sicher: Die Verwaltung sollte jetzt in diese Überlegungen einsteigen, bevor sie von der Generation 2.0 dazu gezwungen wird.

Digital Natives fordern neue Kommunikations-formen von der Verwaltung. (Foto: MEV Verlag) Ich glaube, man kann konstatieren, dass das Web 2.0 in den heutigen E-Government-Konzepten noch nicht umfassend angekommen ist. Das sagte Niedersachsen-CIO Christoph Lahmann auf der Kongressmesse Neue Verwaltung im Mai 2010 in Leipzig. Weniger als 20 Prozent der 50 größten deutschen Städte nutzen Web-2.0-Anwendungen in größerem Umfang. Das hat das Unternehmen CSC im Rahmen seiner Erhebung zu E-Partizipation und Web 2.0 herausgefunden.
Dabei gibt es gute Gründe für die Einführung von Government 2.0, wie Web 2.0 in der öffentlichen Verwaltung genannt wird. Zum einen sind die in diesem Bereich verfügbaren Instrumente kostenfrei, zum anderen bestehen kaum Infrastrukturvoraussetzungen, da nahezu alle Werkzeuge browserbasierte Dienste sind, die extern gehostet werden, erklärt Bill Greeves, IT-Leiter des Kreises Roanoke im US-Bundesstaat Virginia. Diese beiden Faktoren sprechen dafür, dass es sich lohnt, auszuprobieren, welche Tools für die eigene Verwaltung am besten geeignet sind. Die Freie und Hansestadt Hamburg setzt das konsequent um. Georg Konjovic, verantwortlicher Geschäftsführer des Stadtportals hamburg.de, sagte dem Government 2.0 Netzwerk Deutschland: „Wir engagieren uns zunächst bei jeder Plattform, um sie gegebenenfalls später in unseren Kommunikationsmix einzubinden.“ Bei Erfolglosigkeit könne man ergänzende Social-Media-Aktivitäten relativ schnell wieder einstellen.

Digital Natives als Treiber

Das zugkräftigste Argument für Government 2.0 ist laut IT-Leiter Greeves, dass die Einführung weniger eine Frage des Ob als vielmehr des Wann ist. Verwaltungen sollten nicht warten, bis sie durch die mit dem Internet aufgewachsene Generation der Digital Natives zur Implementierung gezwungen werden, sondern bereits jetzt damit anfangen. Diese Erkenntnis ist auch in deutschen Verwaltungen vorhanden. Hannovers Oberbürgermeister Stephan Weil hatte als Grund für den Start seines Podcast angeführt, dass er damit Menschen erreichen wolle, die nicht mehr regelmäßig Zeitung lesen, sondern sich über das Internet informieren. Stefan Domanske, Fachdienstleiter IT-Service beim Landkreis Lüneburg, ist der Ansicht, dass nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels zu überlegen ist, wie Verwaltungsarbeitsplätze attraktiv gestaltet werden können. Web 2.0 spiele hierbei eine entscheidende Rolle. So nutzt die Lüneburger Kreisverwaltung auch bereits ein internes Chat-System und twittert Pressemitteilungen von Stadt und Kreis, Veranstaltungstipps sowie die Standorte von Radarkontrollen. Ein internes Weblog steht laut Domanske auf der Agenda.

Akteure und Strategie

Doch wie lässt sich Web 2.0 als Alltagsinstrument in der Verwaltung etablieren? Bill Greeves vom US-amerikanischen Kreis Roanoke meint, dass zunächst die richtigen Akteure ausgewählt werden müssen. Die Verwaltungsspitze, die letztendlich den Wählern und der Öffentlichkeit Rede und Antwort steht, muss der Einführung wenigstens zustimmen und sie bestenfalls unterstützen. Zudem empfiehlt Greeves Rechtsberater einzuschalten, da sich Verwaltungen mit Government 2.0 auf unbekanntes Terrain der Interaktion mit der Öffentlichkeit begeben. Darüber hinaus sollten die IT-Fachleute und die Pressestelle sowie die Personalabteilung frühzeitig eingebunden werden. Der Wirtschaftsförderung und dem Tourismus bieten Mash-ups und Social Media eine kreative Alternative, um Landschaft, Bevölkerung, Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten einer Region vorzustellen. Und schließlich sollten beispielsweise Stadtbüchereien oder Freizeiteinrichtungen einbezogen werden, Akteure, die täglich im direkten Kontakt mit den Bürgern stehen.
Der nächste Schritt ist die Erarbeitung einer Strategie. Dieser sollten Testläufe mit ausgewähltem Publikum und klaren Leistungsvorgaben vorangestellt werden. Außerdem ist darauf zu achten, einen übergeordneten Ansatz zu wählen, der sich nicht auf spezifische Technologien oder Verfahren konzentriert, sondern vielmehr eine grobe Richtschnur für den Einsatz von Web 2.0 darstellt. Mindestens einmal pro Jahr sollte laut Greeves eine Überprüfung der Strategie vorgenommen werden, um mit technischen Entwicklungen Schritt halten zu können und die Akzeptanz innerhalb der Verwaltung zu gewährleisten. Die Hauptakteure, zu denen auf jeden Fall die PR- und IT-Abteilung sowie der Rechtsbeistand zählen, müssen von Beginn an in die Strategieentwicklung eingebunden werden und jede Änderung absegnen, die dauerhaft implementiert werden soll. Außerdem ist eine Arbeitsgruppe einzurichten, die für die Weiterentwicklung der Strategie sorgt. Schließlich gilt es, die Strategie innerhalb der Verwaltung und bei den Bürgern bekannt zu machen. Ist man soweit gekommen, lohnt es sich, Gleichgesinnte zu finden, um den Dialog fortzuführen. Zu diesem Zweck hat Greeves mit einem Kollegen aus einer anderen US-amerikanischen Verwaltung das Netzwerk MuniGov 2.0 gegründet. Aus der Gruppe, die zunächst über eine Website, ein Online-Diskussionsforum und einen virtuellen Hauptsitz in Second Life verfügte, hat sich eine Community mit Vertretern aller Verwaltungsebenen aus über einem Dutzend Länder entwickelt, die sich mit der Erforschung des Einsatzes und der Prinzipien von Web 2.0 beschäftigt.

Dialog statt Monolog

Government 2.0 verändert die Art und Weise, wie die öffentliche Hand mit ihren Kunden interagiert, sagt IT-Leiter Greeves. Anstatt einseitig Informationen oder Dienstleistungen anzubieten, wird ein Rahmen für die Zusammenarbeit mit den Bürgern geschaffen, in dem diese sich nicht nur über Verwaltungsentscheidungen informieren, sondern auch aktiv an der Entscheidungsfindung beteiligen können. Laut CSC-Studie ist in Deutschland eben dieser Dialog der Bürger untereinander sowie mit Verwaltung und Politik auf den Web-Seiten von Kommunen ausgeschlossen, womit sich Politik und Verwaltung viele Chancen vergeben.
Einige Kommunen nutzen allerdings die neuen Formen der Kommunikation, deren Effekt für die Außenwirkung nicht unterschätzt werden sollte. Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart beispielsweise informiert seit Ende 2007 14-tägig per Hör-Newsletter über Neuigkeiten aus dem Rathaus. Als die Internet-Redaktion überlegte, welche Anwendung sie aus dem Bereich Web 2.0 für die Bürgerkommunikation nutzen möchte, erschien sowohl aus personeller als auch aus zeitlicher und finanzieller Sicht ein Podcast am einfachsten umsetzbar. Einige externe Tipps hat sich die Stadt für die Umsetzung geholt, konzipiert wurde das Projekt aber vollständig inhouse. Die Anschaffungskosten für das Equipment lagen nach Angaben der Stadt bei etwa 1.000 Euro, die technische Produktion einer Podcast-Folge dauert rund einen halben Tag. Allerdings seien ein gewisses Engagement und Vorwissen hilfreich, meint Joachim Vögele, Mitarbeiter der Internet-Redaktion der Stadt und Entwickler des Podcast. Er sagt: „Wenn sich in der Kommunikationsabteilung der Stadt noch keiner der Mitarbeiter beruflich oder privat mit dem Thema Podcasting beschäftigt hat, wird man um eine professionelle Beratung nicht herumkommen.“ Ähnliche Erfahrungen wurden in Hannover gemacht, wo der Podcast von Oberbürgermeister Weil ebenfalls inhouse produziert wird. Auch hier war das Know-how bezüglich Schnitt-Software und Technik bereits vorhanden.

Probieren geht über Studieren

Die Stadt Bonn, die in der CSC-Studie als führend beim Einsatz von Web-2.0-Anwendungen auf kommunaler Ebene identifiziert wurde, setzt auf andere Kommunikationsmittel: Seit Anfang dieses Jahres können sich die Bürger über die Plattform direktzu an ihren Oberbürgermeister wenden. Das Instrument, das außer Jürgen Nimptsch auf kommunaler Ebene noch die Stadtoberhäupter von München und Münster nutzen, sei zeit- und kostensparend und ermögliche eine direkte Kommunikation ohne Umwege, sagt Andreas Leinhaas, Koordinator E-Government und stellvertretender IT-Leiter der Stadt Bonn. Er erläutert: „Wo vorher vor allem technische Mittel gefehlt haben, das Problem der Masse für eine bürgernahe Kommunikation zu lösen, ist jetzt ein effizienter Informationsaustausch möglich.“ Der Bonner Oberbürgermeister nutzt neben der Plattform direktzu auch den Kurznachrichten-Dienst Twitter, um über seine Tagesaufgaben zu informieren. Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Andere Rathaus-Chefs, etwa die von Erlangen, Kiel oder Köln, zwitschern ebenfalls. Und nicht nur die Verwaltungsspitze, auch Kommunen setzen auf dieses Tool. Laut der CSC-Studie bieten 36 Prozent der 50 größten deutschen Städte einen offiziellen Microblogging-Kanal an. Die Stadt Osnabrück hat ausgehend von Twitter eine wahre Web-2.0-Offensive gestartet, wie Niedersachsen-CIO Lahmann auf der Kongressmesse Neue Verwaltung erzählte. Auf Facebook, YouTube, flickr und MySpace werde nun für die Stadt geworben. Oberbürgermeister Boris Pistorius: „So wichtig die klassischen Medien auch in Zukunft bleiben werden, so wichtig ist die Öffentlichkeit im Web 2.0 geworden. Eine Verwaltung muss in diesem Bereich auf der Höhe der Zeit bleiben, um den Kontakt zu einem immer größer werdenden Teil der Bevölkerung nicht zu verlieren.“
Eine Präsentation als moderne dialogorientierte Kommune ist eines der Ziele, die mit dem Einsatz von Web-2.0-Instrumenten verfolgt werden. Laut Georg Konjovic, verantwortlicher Geschäftsführer von hamburg.de, sind die Aktivitäten im Social Web auch deshalb wertvoll, weil das Feedback ehrlicher, direkter und schneller eingeht als über andere Kanäle. Durch die Interaktion mit den Nutzern könnten die Qualität des Portals und die Transparenz verbessert werden. Außerdem mache es Spaß. Das würde Stefan Domanske vom Kreis Lüneburg sicherlich unterschreiben. Der IT-Verantwortliche macht sich für einen sinnvollen Einsatz von Web 2.0 in der öffentlichen Verwaltung stark und nutzt ebenso wie Konjovic Social Media auch privat. Als eine wichtige Empfehlung für den Erfolg von Web 2.0 in Verwaltungen nennt Konjovic denn auch, dass die Aktivitäten Mitarbeitern übertragen werden sollten, die das Medium verstehen, schätzen und nutzen, und ihnen entsprechende Freiheiten eingeräumt werden. Ein weiterer Punkt, den auch Domanske unterstreicht, ist die Schnelligkeit der Reaktion. Darüber hinaus, so der IT-Leiter des Kreises Lüneburg, wollen sich die Follower angesprochen fühlen. Meinungen müssen berücksichtigt und Fragen beantwortet werden.
Die wichtigste Empfehlung aus Hamburg lautet: machen. Und auch wenn im Einzelfall immer zu prüfen sein wird, ob der Einsatz eines bestimmten Social-Media-Instruments in der Verwaltung sinnvoll ist, gilt dennoch: einfach mal ausprobieren. Dann hat Web 2.0 vielleicht auch die Chance, in den E-Government-Konzepten anzukommen. (rt)

CSC-Studie „Government 2.0 in der Betaphase“ (PDF; 1,7 MB) (Deep Link)
http://twitter.com/hamburg_de
http://www.hannover.de/podcast
http://twitter.com/lueneburg
http://www.munigov.org
http://www.stuttgart.de/podcast
http://direktzu.bonn.de/nimptsch
http://twitter.com/juergennimptsch

Stichwörter: Web 2.0, Social Media, Podcasts, Twitter, direktzu, Christoph Lahmann, Bill Greeves, Georg Konjovic, Stefan Domanske, MuniGov 2.0, Bonn, Hamburg, Kreis Lüneburg, Stuttgart



Druckversion    PDF     Link mailen


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Social Media
Hanau: Kanal auf WhatsApp
[24.4.2024] Die Stadt Hanau weitet ihre Bürgerkommunikation mit einem eigenen WhatsApp-Kanal aus. Hanauerinnen und Hanauer haben somit die Möglichkeit, wichtige Informationen direkt auf ihr Smartphone zu erhalten. mehr...
Social Media: Im Datenschutz-Dilemma Bericht
[4.4.2024] Um den schnellen Draht zur Bevölkerung nicht zu verlieren, kommen Kommunen um eine strategisch aufgesetzte Kommunikation auch in den sozialen Medien kaum noch herum. Zur Gretchenfrage wird dabei der Datenschutz: Wie lässt sich das Dilemma lösen? mehr...
Soziale Netzwerke sind der direkte Weg, um Menschen zu erreichen.
Dresden: Stadt nutzt Threads und WhatsApp

[6.2.2024] Die Dresdner Stadtverwaltung weitet ihre Präsenz in den sozialen Medien aus und ist jetzt auch auf den Plattformen Threads und WhatsApp aktiv. mehr...
Stadtverwaltung Dresden kommuniziert nun auch via Threads und WhatsApp.
Frankfurt a.M.: Mobilitätsdezernat startet Instagram-Kanal
[24.1.2024] Über seinen neuen Instagram-Kanal „Frankfurt mobil“ bietet das Frankfurter Mobilitätsdezernat jetzt einen Blick hinter die Kulissen. mehr...
EU-Kommission: Verfahren gegen X eröffnet
[20.12.2023] Gegen die Plattform X wurde jetzt im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) ein förmliches Verfahren eröffnet. Der Vorwurf, dem die EU-Kommission dabei nachgehen will, lautet: Verbreitung von illegalen Inhalten. Auch der so genannte blaue Haken wird auf den Prüfstand gestellt. mehr...
Verstößt die Plattform X beim Umgang mit Desinformationen gegen EU-Regeln?
Suchen...

 Anzeige

 Anzeige

 Anzeige



Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Social Media:
SEITENBAU GmbH
78467 Konstanz
SEITENBAU GmbH
ekom21 – KGRZ Hessen
35398 Gießen
ekom21 – KGRZ Hessen
TSA Public Service GmbH
06108 Halle (Saale)
TSA Public Service GmbH
brain-SCC GmbH
06217 Merseburg
brain-SCC GmbH
Aktuelle Meldungen