REPORT:
Bürgerservice wird mobil


[29.11.2010] Die demografische Entwicklung und der Siegeszug der Smartphones fordern aufseiten der Verwaltung neue Ideen der Dienstleistungserbringung. Erste Anwendungen gibt es bereits. Und die haben eines gemeinsam: Der Bürgerservice wird mobiler und persönlicher.

Verwaltung optimiert ihren Service für jüngere und ältere Bürger. (Foto: creative collection Verlag) Durch die Überalterung der Gesellschaft und den Bevölkerungsrückgang insbesondere im ländlichen Raum verändern sich die Anforderungen an die Kommunalverwaltungen. Es gilt, Antworten auf die Frage zu finden, wie die Daseinsvorsorge in dünn besiedelten Regionen auch in Zukunft gewährleistet werden kann – zumal, wenn Bürgern der Gang zur Behörde aufgrund von Alter oder Krankheit zunehmend schwerer fällt. Hier sind Anpassungen des Bürgerservice gefragt. Denn wenn der Bürger nicht aufs Amt kommen kann, muss das Amt eben zum Bürger kommen. In einigen Bundesländern gibt es bereits entsprechende Angebote.

Bürgerbüro im Koffer

So stellt beispielsweise der Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Reutlingen-Ulm (KIRU) die Lösung iiru.Mobiles Bürgerbüro zur Verfügung. Dabei kommt qualifiziertes Personal direkt zu den Bürgern – im Gepäck zwei Koffer, die alle Geräte beinhalten, die für die Erfassung von Pass- oder Personalausweisanträgen sowie für die Ausstellung von vorläufigen Dokumenten erforderlich sind. Das mobile Bürgerbüro wird nach Angaben des IT-Dienstleisters in ganz Baden-Württemberg über die jeweils zuständigen kommunalen Rechenzentren angeboten und vertrieben.
Auch in Sachsen-Anhalt kommt die Verwaltung zum Bürger. Vorerst allerdings nur in der Stadt Nienburg (Saale), die damit eine Vorreiterrolle in dem Bundesland einnimmt. Das tragbare Koffersystem besteht hier unter anderem aus Notebook, Drucker, Scanner, Kartenlesegerät und EC-Bezahl-Terminal. Laut Innenministerium Sachsen-Anhalt kann die Stadtverwaltung mit dem mobilen Bürgerkoffer ältere und kranke Bürger zu Hause, in den Bürgerbüros der Ortsteile, in Krankenhäusern oder Altenheimen aufsuchen. Abschließend erledigt werden können alle Vorgänge aus dem Meldewesen, möglich ist zudem das Beantragen von Ausweispapieren oder das Ausstellen von Bescheinigungen. Darüber hinaus werden in den mobilen Bürgerämtern Informationen zu Anträgen verschiedener Fachämter erteilt, beispielsweise zum Wohngeld oder zu Friedhofsangelegenheiten. Da das System alle in der Stadtverwaltung eingesetzten Fachverfahren abbilden kann, seien weitere Einsatzgebiete des mobilen Bürgerkoffers denkbar.

Mühltal pilotiert mobs21

Die südhessische Gemeinde Mühltal setzt als Pilotkunde des IT-Dienstleisters ekom21 auf die Lösung mobiler Bürgerservice (mobs21), um Dienstleistungen bürgernah erbringen zu können. Ein Hausbesuch wird aber nicht nur Senioren angeboten. Alle Bürger, für die ein Behördengang mit erheblichem Aufwand verbunden wäre, können die Dienstleistung in Anspruch nehmen. Mithilfe der mobilen Ausrüstung kann nach Angaben von ekom21 eine abschließende Sachbearbeitung vor Ort erfolgen – von der Auskunft und Beratung über die Antragsannahme bis hin zur Bezahlung. In einem etwa zehn Kilo schweren silbernen Alukoffer sind hierfür Laptop, Drucker, Scanner, Chipkarten-Lesegerät und ein USB-Seriell-Adapter untergebracht. Auf Wunsch kann auch ein EC-Gerät verwendet werden. Bürgermeisterin Astrid Mannes: „Für uns ist das eine preislich interessante Alternative zu den Außenstellen, die in einigen Orten kaum noch genutzt werden. Außerdem können wir so einen noch besseren Service für die Bürger bieten.“
Die ebenfalls im Kreis Darmstadt-Dieburg gelegene Gemeinde Münster nutzt mobs21, um im Ortsteil Altheim (3.000 Einwohner) Tätigkeiten durchführen zu können, die in der Vergangenheit nur im Rathaus der Kerngemeinde möglich waren, wie zum Beispiel die Beantragung von Reisepässen oder Personalausweisen, An- und Ummeldungen sowie Änderungen auf Lohnsteuerkarten. Der Service wurde in der Kommune laut ekom21 sehr positiv aufgenommen.

Rheinland-pfälzisches Modellvorhaben

In Rheinland-Pfalz wird momentan geprüft, ob mobile Bürgerservices erwünscht sind und wie sie die Verwaltungsarbeit unterstützen können. Die Landesregierung hat hierzu Ende Juni 2010 gemeinsam mit 15 Kommunen einen auf zwei Jahre angelegten Modellversuch gestartet. Die Städte und Verbandsgemeinden von unterschiedlicher Größe und Struktur waren vom Innenministerium und dem kommunalen IT-Dienstleister KommWis ausgewählt worden, die das Projekt auch betreuen werden.
Für den groß angelegten Feldversuch wurde nach Angaben des Innenministeriums eigens ein mobiler Bürgeramtsarbeitsplatz in Form eines tragbaren Koffersystems entwickelt, mit dem gängige Verwaltungsangelegenheiten erledigt werden können – beispielsweise die An- und Ummeldung von Wohnsitzen, die Beantragung von Führerscheinen oder die Ausstellung von Bescheinigungen. Finanziert wurde die mobile Ausstattung aus Mitteln des Konjunkturpaketes II. Sie umfasst Notebook, Drucker, Farb-Scanner, Fingerabdruck- und Signaturkartenleser, D115-Client, UMTS/EDGE-Adapter, EC-Bezahl-Terminal, Digitalkamera, Handy, ein elektronisches Unterschriften-Pad sowie ein Änderungsterminal für den neuen Personalausweis.
Zwei Anwendungsszenarien sollen im Rahmen des Modellvorhabens getestet werden: Zum einen kommen Verwaltungsmitarbeiter in Ortsgemeinden und Stadtteile sowie bei Bedarf auch in Altenwohnheime, Krankenhäuser und größere Gewerbebetriebe. Das andere Angebot besteht darin, hauptsächlich ältere und kranke Bürger auf Wunsch zu Hause aufzusuchen. Innenminister Karl Peter Bruch: „In Zukunft sollen die Bürgerinnen und Bürger mehr als bisher Verwaltungsangelegenheiten von zu Hause aus oder zumindest wohnungs- oder arbeitsplatznah erledigen können.“ Rheinland-Pfalz-CIO Jürgen Häfner sagte im Interview mit Kommune21: „Das Projekt vereint auf ideale Weise den Vor-Ort-Service und den persönlichen Kontakt mit innovativen mobilen Technologien.“
Laut Michael Lorio, Projektleiter Mobiles Bürgerbüro bei KommWis, weisen erste Fallzahlen darauf hin, dass das Angebot von den Bürgern gerne und dankend angenommen wird. Von den Verwaltungsmitarbeitern werde die technische Ausstattung im Vor-Ort-Einsatz als zweckmäßig empfunden, lediglich die Anordnung der Geräte sei verbesserungswürdig. Schwierigkeiten hätten sich fast ausschließlich im Bereich der Netzwerkanbindung gezeigt. Hier seien laut Lorio die Netzbetreiber in der Pflicht, die entsprechende Infrastruktur bereitzustellen.

Bürgerservice in der Hosentasche

Näher zum Bürger kommt die Verwaltung auch noch auf ganz andere Art – durch Mobilportale und Smartphone-Apps. Deren Bedeutung wird vor dem Hintergrund der ständigen Weiterentwicklung mobiler Endgeräte noch zunehmen. Vorreiter sind hier Düsseldorf und Hamburg.
Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt Düsseldorf hat Ende September 2010 ihre iPhone-App gestartet. Diese bietet neben Neuigkeiten aus der Stadt sowie Veranstaltungs- und Wetterinformationen auch einen Bereich Bürgerservice. „Anwender erhalten hier Zugriff auf eine Dienstleistungsdatenbank, über die Informationen zu den meistgestellten Fragen abgerufen werden können. So werden beispielsweise unter dem Begriff Personalausweis Öffnungszeiten, Adressen, mitzubringende Unterlagen und Gebühren angezeigt. Die Daten beruhen auf den Informationen, welche die Stadt Düsseldorf dem D115-Projekt zur Verfügung stellt“, erläutert Peter Adelskamp, Abteilungsleiter für Organisation, IT und Kommunikationstechnik.
Im Bereich Living City der Düsseldorf-App stehen Tipps für Erkundungstouren inklusive Kartenansichten und 360-Grad-Panoramabilder zur Verfügung. Der zweisprachige Business-Service verfügt nach Angaben von Adelskamp über ein Virtuelles Mittelstandsbüro, Services aus dem Bereich Wirtschaftsförderung sowie einen Imagefilm in acht Sprachen. Mit dem Navigator werde das iPhone zum Reiseführer. Mittels einer Umkreissuche werden Einrichtungen in der Nähe des aktuellen Standortes angezeigt. Darüber hinaus weist die Applikation eine Verknüpfung mit Facebook und Twitter auf.
Adelskamp: „Positive Rückmeldungen, ein gutes Medienecho und 10.000 Downloads alleine von August bis Oktober zeigen, dass Düsseldorf mit der App den richtigen Weg gegangen ist.“ Einige geplante Funktionen hätten aus Zeitgründen nicht realisiert werden können, sollen aber in künftige Weiterentwicklungen einfließen. Auch eine Android-Version der Applikation ist vorgesehen.

Wegweiser und Behördenfinder

Die Freie und Hansestadt Hamburg bietet seit Anfang November 2010 ebenfalls eine iPhone-App an. Sie soll Besuchern den Aufenthalt besonders bequem machen. Per GPS-Ortung führt die Hamburg-App durch die Hansestadt. Der Hamburg-Navigator weist etwa den Weg zur nächstgelegenen Apotheke, zum Parkhaus oder zum Bankautomaten in der Nähe. Darüber hinaus sind ein Veranstaltungskalender mit Online-Ticketbuchung, Informationen des ÖPNV sowie Bildergalerien und Videos zu Sehenswürdigkeiten integriert. Außerdem liefert die App die neuesten Meldungen aus der Hansestadt per RSS-Feed. Hamburgern steht noch ein weiteres Feature zur Verfügung: der Behördenfinder, mit dem Behördengänge unterwegs geplant werden können. Eine Besonderheit der Hamburg-App ist der vollständig individuell konfigurierbare Startbildschirm. In den ersten 14 Tagen ist die Applikation 65.000 Mal heruntergeladen worden, sagt Georg Konjovic, Geschäftsführer von hamburg.de und ergänzt: „Eine riesige Zahl, die uns sehr freut. Insbesondere auch das positive Feedback der Nutzer.“ Mit der App hat die Stadt ihre Web-2.0-Aktivitäten ausgeweitet. Kürzlich wurde auch noch ein Blog-Angebot gestartet. Mehr hierzu sowie ausführliche Informationen zum Einsatz von Social Media in der öffentlichen Verwaltung bietet der REPORT am kommenden Montag, der sich mit neuen Formen der Bürgerkommunikation befasst. (rt)

Informationen zum rheinland-pfälzischen Modellprojekt Mobile Bürgerdienste (Deep Link)
Die Düsseldorf-App im iTunes-Store (Deep Link)
Die Hamburg-App im iTunes-Store (Deep Link)

Stichwörter: Mobiler Bürgerservice, Bürgeramtskoffer, Kommunale Informationsverarbeitung Reutlingen-Ulm (KIRU), Nienburg (Saale), Mühltal, ekom21, Rheinland-Pfalz, Karl Peter Bruch, Jürgen Häfner, Smartphone, App, Düsseldorf, Hamburg



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