REPORT:
Kommune21 wird 10


[21.2.2011] Vor zehn Jahren erschien die erste Ausgabe von Kommune21. Seitdem berichtet unsere Fachzeitschrift über die IT-gestützte Verwaltungsmodernisierung. Ein Rückblick zeigt: Es war ein langer Weg von den ersten Initiativen bis zur Nationalen E-Government-Strategie.

Die Erstausgabe von Kommune21 wurde zur CeBIT 2001 veröffentlicht. (Foto: PEAK) Als die Internet-Blase geplatzt war und in der Folge zahlreiche Computer-Magazine in die Krise schlitterten, erschien eine neue IT-Zeitschrift für die öffentliche Hand. Auf der CeBIT 2001 stellte die K21 media AG die erste deutsche Fachzeitschrift zum Thema E-Government vor: Kommune21.
Die neue Zeitschrift stieß in eine Marktlücke. Denn schon damals war klar, dass die Entwicklungen in der Informationstechnik und insbesondere die Internet-Technologie zu einem grundlegenden Wandel in der öffentlichen Verwaltung führen werden. Eine Umfrage des Deutschen Städte- und Gemeindebunds aus dem Jahr 2000 hatte ergeben: 94 Prozent der befragten Entscheider aus den 200 größten deutschen Städten erwarteten, dass E-Government die Arbeitsweise und Leistungserbringung der öffentlichen Verwaltung drastisch verändern wird.

Wind des Wandels

Im Editorial der ersten Ausgabe von Kommune21 war zu lesen: „Das Amtsschimmel-Image der öffentlichen Verwaltungen täuscht. Es weht ein frischer Wind durch die Behördenflure. Mit der Vision E-Government bricht in den Rathäusern und Kreisverwaltungen eine neue Ära an. Die Schlagworte lauten virtuelles Rathaus, kommunales Call Center, digitale Vorgangsbearbeitung, elektronische Beschaffung, Bürgerbeteiligung und Wahlen via Internet.“ Die Erwartung war: Durch den Einsatz von moderner Informationstechnik werden die Arbeitsabläufe in den Ämtern effizienter und wirtschaftlicher, die Kunden- und Serviceorientierung verbessert sich und neue Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung werden geschaffen.
Klar war jedoch auch: Der Aufbau der entsprechenden technischen Infrastruktur erfordert massive Investitionen, die Ausgaben wurden auf mehrere Milliarden Mark geschätzt. Es lag also auf der Hand, dass die kommunalen Entscheidungsträger verlässliche Informationen über Produkte und IT-Anbieter sowie Erfahrungen aus der Praxis benötigen würden. Kommune21 kam deshalb nicht nur bei der Zielgruppe sofort gut an, sondern auch bei der werbetreibenden Wirtschaft. Viele Unternehmen der IT-Branche waren es leid, ihre Produkte häufig neben Kommunalfahrzeugen, Gullydeckeln und Spielplatzgeräten bewerben zu müssen.

Mit MEDIA@Komm zum virtuellen Rathaus

Den Takt beim E-Government gab um die Jahrtausendwende die Bundesregierung mit den Initiativen MEDIA@Komm und BundOnline 2005 vor. Im Jahr 1999 initiierte das Bundeswirtschaftsministerium den kommunalen Wettbewerb MEDIA@Komm. Mit einem Fördervolumen von 50 Millionen Mark (plus etwa 70 Millionen Mark von Unternehmen und den beteiligten Städten) sollten Modellprojekte virtueller Rathäuser entwickelt und umgesetzt werden. MEDIA@Komm folgte der Erkenntnis, dass das virtuelle Rathaus erst dann Realität wird, wenn die elektronische Kommunikation zwischen Amt und Bürger rechtsverbindlich ist. In erster Linie ging es also um die Erprobung der digitalen Signatur und deren Einführung in behördliche Abläufe. Aus dem Städtewettbewerb gingen Esslingen, Bremen und Nürnberg als Sieger hervor. Die ersten Pilotprojekte starteten im Jahr 2000. Die baden-württembergische Stadt Esslingen beispielsweise gab 1.000 Signaturkarten kostenlos an die Bürger aus. Der damalige – und heutige – Oberbürgermeister Jürgen Zieger sagte im Interview in der Erstausgabe von Kommune21: „Bisher haben wir über die digitale Signatur geredet, jetzt gehen wir in die Praxis. Die ersten Dienste können datensicher abgewickelt werden, damit wird die digitale Signatur in ihrem Bürgernutzen wirksam.“
Diesen Nutzen konnten die Bürger außerhalb der MEDIA@Komm-Städte nicht erkennen. Kaum jemand war bereit, Signaturkarten und Lesegeräte zu kaufen, um damit Behördengänge abzuwickeln. Trotz aller Bemühungen ist es bis heute nicht gelungen, die elektronische Signatur flächendeckend zu etablieren. Außer in speziellen E-Government-Anwendungen, für die der Gesetzgeber die Verwendung vorschreibt, spielt die digitale Signatur keine Rolle. Erst der neue Personalausweis, so die Erwartung vieler Experten, wird in diesem Jahrzehnt für rechtssichere Geschäfte im Internet sorgen.
MEDIA@Komm wurde im Jahr 2003 planmäßig abgeschlossen. Mit dem Nachfolge-Projekt MEDIA@Komm-Transfer sollten die Erkenntnisse der Projektstädte weitergegeben und in 20 Transferkommunen weiterentwickelt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte mit der Transferkampagne einen Flächenbrand E-Government entfachen. Die mit der Umsetzung beauftragte Unternehmensberatung Capgemini schaffte es jedoch nicht, das Feuer zu zünden. An MEDIA@Komm und MEDIA@Komm-Transfer erinnern sich heute nur noch altgediente E-Government-Pioniere.

Von BundOnline zu Deutschland-Online

Im September 2000 startete die Bundesregierung eine weitere E-Government-Initiative. Der Name des Projektes verriet das Ziel: BundOnline 2005 sollte dafür sorgen, dass alle internettauglichen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis Ende 2005 online verfügbar sind. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder drückte es so aus: „Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger.“ Auf der CeBIT 2001 wurde die Initiative – wie Kommune21 – einem größeren Publikum vorgestellt. Das federführende Bundesministerium des Innern war erstmals auf der weltgrößten IT-Messe mit eigenem Stand vertreten.
Nach erfolgreichem Abschluss – Ende 2005 waren 440 Dienstleistungen der Bundesverwaltung elektronisch verfügbar – ging BundOnline 2005 in die Initiative Deutschland-Online über. Denn die eigentliche Herausforderung im föderal strukturierten Deutschland ist es, alle staatlichen Ebenen zu verzahnen. Im Juni 2006 verabschiedeten Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder den Aktionsplan Deutschland-Online. Kernstück dieses Plans war der Aufbau eines integrierten sicheren Kommunikationsnetzes für die Verwaltung in Bund, Ländern und Kommunen. Für den Datenaustausch und die Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse sollten in einem weiteren Projekt Standards definiert werden. In den Bereichen Kraftfahrzeugzulassung, Personenstand und Meldewesen sollten zudem die Verwaltungsabläufe durch elektronische Prozesse neu ausgerichtet werden.

Elektronische Verwaltungsabläufe

Erste E-Government-Erfolge wurden im Meldewesen gefeiert: Seit Anfang 2007 werden die Daten zwischen den Meldebehörden ausschließlich elektronisch übermittelt. Die Bürger müssen seither bei einem Umzug lediglich ihren neuen Wohnsitz anmelden, die Abmeldung wird von der Verwaltung automatisch erledigt. Möglich machen dies der produkt- und technologieunabhängige Standard XMeld für den elektronischen Datenaustausch sowie eine technische Infrastruktur, welche die Sicherheit bei der Datenübermittlung gewährleistet.
Fortschritte gibt es auch in den Standesämtern. Das neue Personenstandsgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, schreibt die elektronische Registerführung ab 2014 vor. Für den reibungslosen Datenaustausch zwischen Meldebehörde und Standesamt sorgt der Standard XPersonenstand. Etliche Kommunen sind bereits auf die elektronische Registerführung umgestiegen. Thüringen hat sogar als erstes Bundesland zum 1. Januar 2011 ein zentrales elektronisches Register beim Landesrechenzentrum in Betrieb genommen. Bis Ende Juni dieses Jahres sollen alle 161 Standesämter des Freistaats darin eingebunden werden. Zentrale Registerlösungen sind auch in anderen Bundesländern geplant, etwa in Bayern, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein.
Ausgerechnet bei der am häufigsten nachgefragten Dienstleistung, der Kfz-Zulassung, ging es langsamer voran als erhofft. 2006 wurde das Kfz-Wesen zu einem priorisierten Deutschland-Online-Vorhaben erhoben. Doch die Revolution im Verkehrswesen blieb zunächst aus, zu groß waren die Widerstände insbesondere der Landkreise gegen das Konzept der federführenden Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Inzwischen hat das Projekt jedoch wieder Fahrt aufgenommen. Zwölf Zulassungsbezirke in sechs Bundesländern testen die Online-Zulassung. Am weitesten fortgeschritten ist Berlin. Hier wurde auf Grundlage des neuen Personalausweises (nPA) eine Lösung für die Online-Kfz-Zulassung entwickelt. Seit 1. November 2010 wird sie zunächst in den Autohäusern der Mercedes-Benz-Niederlassung Berlin angeboten.

Europäische Impulse

Nicht nur der Bund, auch die Europäische Union sorgte für Schub beim E-Government. Im Dezember 2006 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat die EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR). Ziel der Vorgabe: Bis Ende 2009 sollten innerhalb der EU rechtliche und administrative Hindernisse für den Handel im Dienstleistungssektor beseitigt werden. Viel zitiertes Beispiel: Ein portugiesischer Fliesenleger (manchmal auch Friseur) sollte ohne bürokratische Hürden eine Filiale in Bottrop eröffnen können. Die Richtlinie verpflichtete die Mitgliedsstaaten, einen Einheitlichen Ansprechpartner einzurichten, über den Dienstleister aus der EU alle notwendigen Informationen erhalten und alle Verwaltungsformalitäten auch online erledigen können. Dazu wurde in Deutschland Ende 2008 mit dem 4. Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften ein neues Verfahrensmodell eingeführt. Seitdem können Genehmigungsverfahren und sonstige Formalitäten über eine einheitliche Stelle abwickelt werden.
Innerhalb von nur drei Jahren mussten die Bundesländer und Kommunen die technischen Voraussetzungen für den Einheitlichen Ansprechpartner schaffen. Wie im föderalen Deutschland üblich, wurde eine Vielzahl unterschiedlicher IT-Systeme aufgebaut. Uneinheitlich ging es auch bei der politischen Frage der Verortung der Einheitlichen Ansprechpartner zu: In Sachsen übernahm die Landesverwaltung diese Funktion. Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen entschieden sich für eine Ansiedlung auf kommunaler Ebene, während Hamburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern eine Verortung bei den Wirtschaftskammern bevorzugten. Das Fazit vieler Beteiligter: Die EU-Dienstleistungsrichtlinie hat wichtige Impulse gegeben, die Verwaltungsmodernisierung aber nicht ganz so stark vorangetrieben, wie ursprünglich erhofft.

IT-Planungsrat formuliert Nationale E-Government-Strategie

Einen besonderen Meilenstein bei der Entwicklung von E-Government markiert das Jahr 2009 nicht nur wegen der Umsetzung der EU-DLR. Im Zuge der Föderalismusreform II wurden Regelungen über die IT-Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung in das Grundgesetz aufgenommen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bereich der Informationstechnik der öffentlichen Verwaltungen ist nun in Artikel 91 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geregelt. Zudem wurde ein neues Gremium geschaffen: Der IT-Planungsrat koordiniert als zentrale Steuerungsinstanz die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der IT, beschließt IT-Interoperabilitäts- und -Sicherheitsstandards und steuert E-Government-Projekte. Am 22. April 2010 nahm der IT-Planungsrat seine Arbeit auf, bereits im September formulierte das Gremium die erste Nationale E-Government-Strategie Deutschlands.

Auf dem Weg an die europäische Spitze

Darin heißt es: Im Jahr 2015 erreicht das deutsche E-Government einen europäischen Spitzenplatz, weil es am Nutzen für Bürger, Unternehmen und Verwaltung orientiert sowie wirtschaftlich und effizient ist, Transparenz über Daten und Verwaltungshandeln sowie den Datenschutz sicherstellt, die gesellschaftliche Teilhabe der Bürger und Unternehmen unterstützt, zukunftsfähige und nachhaltige Lösungen fördert sowie eine leistungsfähige IT-Unterstützung realisiert. Die Ziele für das Jahr 2015 werden wie folgt definiert:
- Nutzer können möglichst viele ihrer Anliegen über verschiedene Wege bei gebündelten Anlaufstellen abschließend erledigen.
- Behörden arbeiten schnell, vernetzt und ebenenübergreifend zusammen, um den Verwaltungsaufwand bei Bürgern und Unternehmen zu minimieren.
- Nutzer wissen, soweit keine gesetzlichen Gründe dagegen sprechen, welche öffentliche Stelle ihre personenbezogenen Daten verarbeitet. Sie haben Vertrauen in die Sicherheit des E-Government.
- Bürger können sich über elektronische Medien aktiv an der politischen Willens- und Meinungsbildung und an der Gestaltung öffentlicher Aufgabenerfüllung beteiligen.
- Die öffentliche Verwaltung kooperiert mit Wirtschaft und Wissenschaft bei Entwicklung und Betrieb von E-Government-Lösungen und ermöglicht innovative Geschäftsmodelle insbesondere durch die Bereitstellung von Online-Diensten und Informationen (Open Government).
- Das deutsche E-Government unterstützt mit modernen Technologien den Abbau der Bürokratie und steigert so die Effektivität des Verwaltungshandelns. Damit werden die Kosten in der Verwaltung im Zusammenspiel mit Bürokratieabbau und Prozessoptimierung verringert und ein Beitrag zur Konsolidierung der Haushalte geleistet.

In den zehn Jahren, in denen Kommune21 über die IT-gestützte Verwaltungsmodernisierung berichtet, hat sich die öffentliche Verwaltung stärker verändert als in den 50 Jahren zuvor. Die Ziele der Nationalen E-Government-Strategie und Trends wie Social Media, Open Data oder Cloud Computing machen deutlich: Der Wind des Wandels wird auch künftig kräftig durch die Behördenflure wehen. (al)

Nationale E-Government-Strategie (PDF, 240 KB) (Deep Link)

Stichwörter: Politik, Kommune21, MEDIA@Komm, MEDIA@Komm-Transfer, BundOnline 2005, Deutschland-Online, elektronische Signatur, Meldewesen, Personenstandswesen, Kfz-Wesen, EU-Dienstleistungsrichtlinie (EU-DLR), IT-Planungsrat, Nationale E-Government



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