REPORT:
Mit Laptop zur Sitzung


[6.6.2011] Mit dem Einsatz von Ratsinformationssystemen wollen Städte, Kreise und Gemeinden nicht nur Kosten senken. Verwaltung, Bürger und politische Vertreter sollen auch von beschleunigten Abläufen und umfassenderen Informationen profitieren.

Virtuelle Ratsarbeit: Papierberge sind passé. (Foto: Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) Die virtuelle Ratsarbeit hält in immer mehr Kommunen Einzug. Kein Wunder, ermöglichen Ratsinformationssysteme (RIS) doch eine effizientere Vorbereitung auf Sitzungen und sorgen für mehr Transparenz gegenüber den Bürgern. Zudem können Kommunen mit der virtuellen Ratsarbeit Kosten senken und Papierberge reduzieren.
Dass ein RIS dazu beitragen kann, den Arbeitsalltag von Gremienmitgliedern zu erleichtern, kann Michael Zöllkau, bei der mecklenburg-vorpommerischen Stadt Bad Doberan verantwortlich für EDV und Controlling, bestätigen. Die Stadt hatte sich im Jahr 2006 für die Einführung der Sitzungsmanagement-Lösung Session von Anbieter Somacos entschieden, weil es für die Verwaltung nicht mehr praktikabel war, Beschlussvorlagen, Einladungen und Niederschriften sowie Listen und Übersichten lediglich mit Standardhilfsmitteln wie Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationsprogrammen zu erstellen. „Die bisherigen Erfahrungen sind durchweg positiv“, so Michael Zöllkau, „Die Arbeitsabläufe haben sich erheblich verändert und erleichtert. Auch die Recherchemöglichkeiten sind in dieser Form erst durch das RIS geschaffen worden.“

Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen: Besser strukturiert

Auf langjährige Erfahrungen bei der Nutzung von Sitzungsmanagement-Anwendungen kann auch der Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen zurückblicken. Hier erfolgt der komplette Sitzungsdienst seit Juni 2004 über das Ratsinformationssystem ALLRIS von Anbieter CC e-gov. „Für mich ist das RIS die Basis für fundiertes politisches Arbeiten“, sagt etwa Kreistagsmitglied und dritter Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen, Klaus Koch. „Da alle Beschlüsse bis zurück ins Jahr 1996 im System erfasst sind, kann die Historie zu einem Thema einfacher recherchiert werden. Anträge oder Stellungnahmen fangen somit nicht immer wieder bei Null an.“ Auch Kreisrätin Margit Menrad ist der Ansicht, dass sich die Ratsarbeit – von der Sitzungsvorbereitung über den Ablauf bis hin zur Archivierung – nun besser strukturieren lässt und damit wesentlich übersichtlicher ist als früher.
Beide Kreisräte betonen zudem die Vorteile eines konsequent papierlosen Arbeitens, indem alle Unterlagen auf ein Notebook übertragen werden. „Alles ist nun überall einsehbar. Früher war man immer vom wohlgepflegten Ordner im Arbeitszimmer abhängig“, so Klaus Koch. „Da die Sitzungsunterlagen immer umfangreicher werden, wäre die Vorbereitung in Papierform kaum mehr zu bewältigen“, ergänzt Margit Menrad. Jedem Mitglied des Kreistages von Bad Tölz-Wolfratshausen steht es frei, bei den Sitzungen das eigene Notebook oder auch einen Tablet-PC zu verwenden. Wer in den Sitzungen online arbeitet, kann beispielsweise live recherchieren oder direkt aus dem Ratsinformationssystem heraus E-Mails an Fraktionskollegen verschicken. Nach Angaben von Margit Menrad, die auch Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Icking ist, nutzen insbesondere diejenigen Gemeinderatsmitglieder, die beruflich viel unterwegs sind die Möglichkeit, per Laptop auf das RIS zuzugreifen.

Kreis Harburg: Papierlos in die zweite Wahlperiode

Im Kreis Harburg, der Stadt Winsen sowie den Gemeinden Seevetal und Neu Wulmstorf wurde in der aktuellen Wahlperiode 2006 bis 2011 ebenfalls das Drucksacheverfahren abgeschafft. An dessen Stelle sind webbasierte Kreistags- und Ratsinformationssysteme sowie von den Kommunen bereitgestellte Notebooks getreten. Die beteiligten Verwaltungen setzen ein identisches System für die virtuelle Ratsarbeit ein, die Umsetzung erfolgt hingegen individuell, wobei Betrieb und Hosting wiederum überwiegend interkommunal organisiert werden. Das Konzept hierfür haben die Kommunen gemeinschaftlich entwickelt und umgesetzt. Dem Projekt hat sich mit der Samtgemeinde Hollenstedt vor Kurzem eine weitere Kommune im Kreisgebiet angeschlossen.
Anlässlich der am 11. September 2011 anstehenden Kommunalwahlen wurde nach rund vier Jahren Praxis eine Zwischenbilanz der virtuellen Ratsarbeit gezogen. Partho Banerjea, Mitglied der E-Government-Geschäftsstelle im Landkreis Harburg sowie Gemeinderat in Jork, sagt: „Der Erfolg des Konzeptes liegt darin begründet, dass die Mandatsträger mit dem Kreistags- und den Ratsportalen über ein leistungsfähiges Werkzeug verfügen, mit dem sich die ehrenamtliche Tätigkeit spürbar einfacher und bei der Recherche deutlich weniger zeitintensiv gestaltet.“ Vorteile und positive wirtschaftliche Effekte machten sich auch bei den Kreistags- und Ratsbüros der beteiligten Kommunen bemerkbar, da nun eine Reihe von Arbeitsschritten, wie etwa das aufwändige Aufbereiten von Kopiervorlagen für Sitzungs- und Beratungsunterlagen, entfallen könnte.
Die Kommunen haben daher beschlossen, auch in der kommenden Wahlperiode bis 2016 mit den webbasierten Ratsportalen zu arbeiten. Nach gegenwärtigem Planungsstand werden mit Beginn der neuen Wahlperiode politische Gremien von 7 der 13 Gebietskörperschaften im Kreis Harburg die Ratsarbeit mithilfe webbasierter Portale gestalten. Nach Angaben von Partho Banerjea besteht zudem in weiteren Kommunen die Absicht, das bestehende Drucksacheverfahren abzuschaffen. Die Entscheidung dazu sollen die neu gewählten Räte treffen.

Abkehr von Bewährtem – nicht immer leicht

Aber nicht in jeder Kommune sind die Ratsmitglieder bereit, von bekannten und bewährten Verfahrensweisen abzukehren. So berichtet die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin zwar von positiven Erfahrungen mit ihrem Ratsinformationssystem, insbesondere was die interne Arbeit betrifft: So können Beschlussvorlagen nun quasi papierlos erstellt und von den Fachbereichsleitern abgezeichnet werden. Allerdings gibt die Gemeinde zu: „Die papierlose Beschlussfassung hat bei den Gemeindevertretern bislang wenig Akzeptanz gefunden. Diese fordern nach wie vor alle Beschlüsse und Anlagen in Papierform, sodass der von uns gewünschte Spareffekt, den wir mit der Einführung des RIS im Auge hatten, bislang ausblieb.“
Auch in der Stadt Buxtehude, welche derzeit ein Konzept für die Einführung eines Ratsinformationssystems erarbeitet, spielt das papierlose Arbeiten vorerst keine Rolle. „Sitzungen der politischen Gremien ausschließlich mit Laptop – verbunden mit dem vollständigen Verzicht auf Papierunterlagen – sind aus unserer Sicht derzeit eher ein hehres Ziel denn Realität“, erklärt Ralf Dessel, Fachbereichsleiter Steuerungsdienst, interner Service und allgemeiner Bürgerservice bei der niedersächsischen Kommune. Zudem stelle sich bei einer Ausstattung der Ratsmitglieder mit Laptop auch die Frage der Wartung und der Systempflege, welche mit nicht unerheblichem Aufwand und Kosten verbunden sein dürften.

Region Hannover: Kosten senken

In der Region Hannover führten dagegen gerade Überlegungen zu Kostensenkungen zu einer weiteren Virtualisierung der Ratsarbeit: Denn allein die Papier- und Druckkosten für den Sitzungsablauf beliefen sich hier auf jährlich rund 43.000 Euro. Da das seit Mitte 2004 genutzte Sitzungsprogramm die Anforderungen der Benutzer nicht mehr erfüllte, entschied sich die Region Anfang April 2010 für die Lösung ALLRIS von CC e-gov. Die Einführung konnte innerhalb von knapp einem halben Jahr abgeschlossen werden.
Nach dem Start der neuen Sitzungsperiode im Herbst 2011 sollen Dokumente wie Einladungen zu Sitzungen und Sitzungsunterlagen ausschließlich in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Der Erhalt von Papierunterlagen ist dann nur noch auf Anfrage möglich. Die Umstellung werde wohl ihre Zeit brauchen, meint Hauke Jagau, Präsident der Region Hannover: „Zum einen ist es Gewöhnungssache mit Laptop oder iPad in die Sitzungen zu gehen. Zum anderen sind zurzeit noch nicht alle mit einem entsprechenden Gerät ausgestattet.“ Auch unter Umweltgesichtspunkten sollte es auf mittlere Sicht das Ziel sein, Papierdrucksachen auf ein Minimum zu reduzieren.
Der Einsatz des elektronischen Workflows hat zudem die Schwächen der bisherigen Prozessabläufe für die Vorlagenerstellung aufgezeigt. „Wir haben die Abläufe und Beteiligungsverfahren daher neu strukturiert“, erklärt Hauke Jagau. Nun ist jederzeit erkennbar, wo sich eine Vorlage in welchem Bearbeitungszustand befindet. Auch ein paralleles Arbeiten unterschiedlicher Fachabteilungen kann damit transparent durchgeführt werden. „Das ist auch für mich zentral“, so Jagau, „denn ich war bislang der Letzte in einer Kette von Verantwortlichen, die eine Drucksache zu Gesicht bekommen haben – meistens kurz bevor die Unterlagen gedruckt werden sollten. Dann war es mühsam, die Inhalte noch einmal zu diskutieren. Die neue Lösung bietet den Vorteil, dass ich frühzeitig Einblick gewinnen kann und jede Veränderung nachvollziehbar ist.“

Ratsarbeit transparenter gestalten

Einen besseren Einblick in die Arbeit der gewählten Gremienmitglieder bieten Ratsinformationssysteme auch den Bürgern. Andreas Breitner, Bürgermeister der Stadt Rendsburg, und Bürgervorsteherin Karin Wiemer-Hinz meinen: „Für viele Bürger stellt sich die Kommunalpolitik als eine Art geschlossene Gesellschaft dar. Durch ein Ratsinformationssystem wird unsere politische Arbeit transparenter und bürgernäher.“ Die schleswig-holsteinische Stadt hat im Sommer 2009 als erste Kommune in der Region ein RIS eingeführt und nutzt hierfür die Open-Source-basierte Lösung OpenPlenum. Bürgermeister Andreas Breitner: „Damit ist die Stadt Rendsburg in der Lage, Bürger, Politik und Verwaltungsmitarbeiter zeitnah, aktuell, umfassend und übersichtlich papierlos zu informieren.“
Für die Gemeinde Vettweiß im nordrhein-westfälischen Kreis Düren war die Möglichkeit, Bürger umfassend und transparent auf dem Laufenden zu halten sogar der ausschlaggebende Grund für die Einführung eines RIS – ob das System am Ende eine Erleichterung für die Ratsarbeit bringe, sei weniger von Belang gewesen, so Fachbereichsleiter Albert Müller. „Wie bei allen digitalisierten Vorgängen ist durch das RIS aber eine Erleichterung erkennbar. Die Vereinfachung bei der Erstellung von Gremienunterlagen und das sichere und schnelle Auffinden von Vorgängen bringen einen Zeitgewinn, die zentrale Aufbewahrung der Daten eine gewisse Sicherheit“, meint Müller. Die bisherigen Erfahrungen mit der Lösung der Firma Sternberg seien durchweg positiv. Dies habe in Vettweiß folgerichtig zum nächsten Schritt geführt: Seit Kurzem stehe den Gremienmitgliedern zur Unterstützung der persönlichen Ratsarbeit nun auch das Tool SD.NET RICH des Anbieters zur Verfügung. Von 36 Gremienmitgliedern haben sich nach Angaben von Albert Müller 23 für den papierlosen Sitzungsdienst entschieden – für 16 Mitglieder wird ein Notebook von der Gemeinde zur Verfügung gestellt, 7 nutzen hierfür das eigene Gerät.

Den partizipativen Gedanken stärken

„Es findet in der Tat eine Virtualisierung der Rats- und Fraktionsarbeit statt“, meint Partho Banerjea, Mitglied des Rates der Gemeinde Jork. „Im Lauf der vergangenen anderthalb Jahre haben fast alle 29 Ratsmitglieder von Jork auf das Drucksacheverfahren verzichtet und beziehen keine papierbasierten Sitzungsunterlagen mehr“, so Banerjea. Sein Fazit: „Eine Ratsarbeit ohne dieses internetbasierte Werkzeug ist nicht mehr vorstellbar.“ In Zukunft werde es nun darauf ankommen, den partizipativen Gedanken von Ratsinformationssystemen zu vertiefen und neben einem deutlich verbesserten Informationsangebot auch die Kommunikation zwischen Bürgerschaft und Kommunalpolitik sowie innerhalb der Verwaltung zu intensivieren. Banerjea: „Diese Zielsetzung lässt sich mit einem klassischen, papiergebundenen Drucksacheverfahren definitiv nicht erreichen.“ (bs)

Mehr zum Thema Ratsinformationssysteme lesen Sie in der Juni-Ausgabe von Kommune21. Hier können Sie die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Sitzungsmanagement, RIS, Ratsinformationssysteme (RIS), Bad Doberan, Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen, Kreis Harburg, Region Hannover, Neuenhagen, Buxtehude, Rendsburg, Vettweiß, Jork, Somacos, CC e-gov, Sternberg



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