REPORT:
Erlanger Strategie bewährt sich


[21.11.2011] Erlangen hat im Jahr 2001 eine umfassende E-Government-Strategie erarbeitet. Jetzt wurde überprüft, ob die damals gesteckten Ziele erreicht werden konnten. Fazit: Die vor zehn Jahren entwickelte Vision eines virtuellen Rathauses wurde weitgehend umgesetzt.

Erlangen: Der Weg zum virtuellen Rathaus hat sich gelohnt. (Foto: Stadt Erlangen) An der Umsetzung einer E-Government-Strategie wird im fränkischen Erlangen seit dem Jahr 2001 gearbeitet. Der Masterplan für E-Government wurde in intensiver Zusammenarbeit aller Ämter gemeinsam mit Accenture erstellt. Die Beauftragung des Beratungsunternehmens war laut der Stadt Erlangen ein mutiger Schritt, der von vielen Kommunen auch kritisch bewertet wurde. Ob sich der Weg hin zur elektronischen Verwaltung für Stadt und Bürger gelohnt hat und wie die Realisierung der E-Government-Strategie im vergangenen Jahrzehnt vorangeschritten ist, hat die Kommune jetzt in einer ausführlichen Evaluation des damals erstellten Gutachtens analysiert.

Mit Beharrlichkeit zum Ziel

„Ich kann heute sagen: Das Thema E-Government hat der Verwaltung eine Transparenz verschafft, wie sie vor 10 oder 15 Jahren überhaupt nicht vorstellbar war – sowohl intern als auch in der Beziehung zu den Bürgern“, resümierte Erlangens Oberbürgermeister Siegfried Balleis bei der Vorstellung des Evaluationsberichtes. Das vor zehn Jahren von Verwaltung, Politik und Personalrat gemeinsam festgelegte Zielsystem, welches der Maßstab für die Planung und Umsetzung aller E-Government-Vorhaben war, sei konsequent abgearbeitet worden. „Das Gutachten haben wir wie ein Kochbuch benutzt“, meint Oberbürgermeister Balleis. „Wie ein guter Koch haben wir uns aber auch die Freiheit genommen, von der einen Zutat etwas mehr und von der anderen etwas weniger zu verwenden.“
Bernd Gerbaulet von Accenture sagt, es sei keine alltägliche Herangehensweise, sich ein Gutachten nach zehn Jahren noch einmal vorzunehmen und zu sehen, welche Aspekte der erarbeiteten Strategie tatsächlich realisierbar waren, ob die Konzeption auch unter heutigen Bedingungen noch trägt und welche Aufgaben die Zukunft bringt. Dass die Erlanger ihre E-Government-Strategie so erfolgreich umsetzen konnten, schreibt Gerbaulet einer gewissen Beharrlichkeit und Konsequenz der Verwaltungsspitze zu.

Pragmatisches Vorgehen

Ein wichtiger Erfolgsfaktor war zudem die Entscheidung, ein eigenes eGovernment-Center zu gründen und dieses organisatorisch als städtisches Amt im Verantwortungsbereich des Oberbürgermeisters zu verankern. „Erlangen ist bundesweit die einzige Stadt, die ein solches Amt für E-Government besitzt“, sagt der Leiter des eGovernment-Centers, Andreas Götz. Im Kern waren in dem Strategiepapier etwa 60 Online-Anwendungen zur Umsetzung empfohlen, mittlerweile werden nach Angaben der Stadtverwaltung mehr als 100 E-Services angeboten – wobei Lösungen bei zu geringer Nachfrage auch wieder abgeschaltet wurden. In einigen Fällen wurde das Strategiepapier an neue Technologien und Rahmenbedingungen angepasst. Balleis: „Unsere Prämisse ist es, diejenigen Anwendungen professionell zu nutzen, die für Verwaltung, Bürger und Wirtschaft einen möglichst großen Nutzen bringen.“ Andreas Götz ergänzt, die Stadt wolle innovativ sein, dabei aber pragmatisch vorgehen und nicht jedem Trend hinterherjagen. Daher würden alle Anwendungen regelmäßig hinsichtlich ihres Kosten-Nutzen-Aspektes bewertet. Dieses Vorgehen hat letztlich dazu geführt, dass die vorgegebenen Ziele häufig mit günstigeren oder einfacheren Lösungen erreicht werden konnten als ursprünglich geplant. So wird für manche Vorgänge beispielsweise ein Online-Formular angeboten, aber auf eine aufwändige vollautomatische Weiterverarbeitung der Daten im Back End der Stadtverwaltung verzichtet.

Konsequentes Controlling

„Wir hatten den Mut, das herauszureißen, was zwar schön anzusehen ist, aber nichts bringt. Wir wollen uns auf die Pflanzen konzentrieren, die auch einen gewissen Ertrag bringen“, beschreibt OB Balleis die Strategie der Stadt Erlangen. Ein Beispiel sei die medienbruchfreie Geburtenmeldung vom Krankenhaus an das Standesamt, die Zeit und Arbeitsaufwand reduzieren sollte. Die Anwendung wurde im März 2004 freigeschaltet und fand in den Medien ein sehr positives Echo. Eine kritische Analyse des Verfahrens hat nach Angaben der Stadt allerdings gezeigt, dass die Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur sowie weitere neue Bedienungsschritte einen größeren Aufwand verursachten, als durch die elektronische Datenübernahme an Zeit eingespart werden konnte. Zudem hatten unterschiedliche Datenstrukturen und Vorgaben zur Speicherung von Datenfeldern zwischen Klinikum und Standesamt einen manuellen Nacherfassungsaufwand zur Folge. Das Verfahren wurde daher im Jahr 2005 wieder eingestellt. Durch dieses konsequente sowie kritische E-Government Controlling sei es gelungen, ein umfassendes Angebot an Online-Services mit einem wirtschaftlich sinnvollen Einsatz von Haushaltsmitteln zu schaffen.

Wirtschaftlichkeit erwiesen

Ein 2006 dem Erlanger Stadtrat vorgelegter Abschlussbericht konstatierte, dass das E-Government-Programm von der Verwaltung früher als geplant und wesentlich kostengünstiger als veranschlagt verwirklicht werden konnte. Die Wirtschaftlichkeit des Programms konnte zudem im Rahmen einer Diplomarbeit an der Universität Erlangen-Nürnberg nachgewiesen werden. Ende dieses Jahres wird laut Stadtverwaltung ein kumulierter Nettonutzen (Einsparungen abzüglich Kosten für E-Government) von mehr als 200.000 Euro erwartet. „Es hat uns schon mit Stolz erfüllt, dass wir unser Versprechen gegenüber dem Stadtrat, am Ende mit weniger Geld und weniger Personal eine bessere Leistung zu erbringen, nachgewiesenermaßen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen haben“, meint OB Siegfried Balleis.

Innovativ in Kooperation

Um eine höhere Professionalisierung beim E-Government zu erreichen, hat die Stadt Erlangen frühzeitig auf Kooperationen mit anderen Kommunen, insbesondere in der Metropolregion Nürnberg gesetzt. Gemeinsam mit den Städten Fürth und Schwabach hat Erlangen im Jahr 2010 den IT-Dienstleister KommunalBIT gegründet. Dessen Schwerpunkt liegt im wirtschaftlichen Betrieb von IT. Hierfür wurde zunächst die Infrastruktur der drei Städte konsolidiert und harmonisiert. In Zukunft liege es nahe, sich auch um gemeinsame E-Government-Lösungen zu bemühen, heißt es aus Erlangen. Neue Trends und Themen wie Open Government, E-Partizipation, Green IT sowie die Funktionalitäten des neuen Personalausweises, welche in den nächsten Jahren bestimmend sein werden, sollen rechtzeitig aufgegriffen und im Grundsatz nur noch gemeinsam umgesetzt werden. Denn selbst bei einem leistungs- und ämterübergreifenden Ansatz, wie er in Erlangen verfolgt werde, seien die meisten innovativen E-Government-Ideen zu speziell, zu komplex und damit zu teuer, um sie alleine sinnvoll umzusetzen.

E-Government ist Chefsache

E-Government bleibt für Erlangen in jedem Fall eine wichtige Daueraufgabe. In der Fortschreibung der E-Government-Strategie werden nach Angaben der Stadt verstärkt aktuelle Themen wie Mobile Government und Social Media aufgegriffen und realisiert. Erste Beispiele hierfür sind ein Facebook- und Twitter-Auftritt sowie die Ende Mai 2011 gestartete Erlangen-App. Oberbürgermeister Siegfried Balleis: „Die Strategie, die vor zehn Jahren mit dem Stadtrat vereinbart wurde, muss auch in Zukunft konsequent umgesetzt werden. E-Government bleibt in Erlangen weiterhin Chefsache.“ (bs)

Dokumentation 10 Jahre E-Government in Erlangen (PDF, 8 MB) (Deep Link)
http://www.erlangen.de

Stichwörter: Erlangen, E-Government-Strategie, Accenture, Siegfried Balleis, Andreas Götz, Bernd Gerbaulet



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