IT-Steuerung:
Leipziger Modell


[20.4.2012] Im Rahmen einer IT-Wirtschaftlichkeitsanalyse hat die Stadt Leipzig eine Bewertung ihrer IT-Versorgung vorgenommen und Lösungen zur weiteren Kostenoptimierung erarbeitet. Parallel dazu wurde ein E-Government-Konzept erstellt.

IT-Organisation der Stadt Leipzig hat sich bewährt. Die Stadt Leipzig hat Anfang 2001 die Bereiche Informations- und Kommunikationstechnik in die Firma Lecos ausgegründet. Damit verbunden war eine konsequente Zentralisierung aller IT-Dienstleistungen. Dazu zählten etwa der Betrieb des Rechenzentrums, die Anwendungsentwicklung und -betreuung, der User Help Desk, der Endgeräte­service und nicht zuletzt die Betreuung der Telekommunikationsanlagen und Datennetze. Parallel wurde die Rollenverteilung zwischen Dienstleister und Stadtverwaltung sowie innerhalb der Verwaltung zwischen der zentralen Steuerung und den Fachämtern neu geordnet. Als Auftraggeber gegenüber Lecos fungiert seitdem die IT-Koordination als Abteilung innerhalb des Hauptamtes; sie besitzt gleichzeitig Steuerungsfunktion gegenüber den DV-Ansprechpartnern in den Fachämtern. Basis der Zusammenarbeit von Stadt und IT-Dienstleister ist ein Betriebsleistungsvertrag, in dem die Leistungen, Mengen und Qualität, die Preise sowie eine Laufzeit von zunächst zehn Jahren vereinbart wurden.

Wirtschaftlichkeit unter der Lupe

2009 wurde über die Verlängerung des Vertrages mit der zu dieser Zeit 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Stadt verhandelt. Im Rückblick auf die bisherige Zusammenarbeit wurde deutlich, dass durch Zentralisierung, Prozessoptimierung und Einführung neuer IT-Verfahren zwar eine Vielzahl von Effektivitätsgewinnen und Konsolidierungseffekten zu verzeichnen waren, diese jedoch nicht in ausreichendem Maße dem erreichten technologischen Standard zugerechnet, sondern meist den Fachbereichen zugeordnet wurden. So ergaben sich im Rahmen des neu zu verhandelnden Vertrages zwangsläufig Fragen zum Standard der Dienstleistungen und zur notwendigen Finanzierungshöhe.
Zur Vorbereitung des neuen Betriebsleistungsvertrages und zur Absicherung von marktüblichen Preisen wurde daher beschlossen, eine Aufnahme und Bewertung von IT-Versorgung und -Steuerung der Stadtverwaltung Leipzig vorzunehmen. Dazu wurde zunächst in einem deutschlandweiten Vergleich ein Preis-Benchmark auf Basis standardisierter Leistungen erhoben. Darauf aufbauend wurde von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine IT-Wirtschaftlichkeitsanalyse der einzelnen Leistungen erstellt und mit Unterstützung des eGovernment Competence Centers (IfG.CC) an der Universität Potsdam ein E-Government-Konzept erarbeitet. Im Anschluss folgte eine maßnahmenorientierte Soll-Konzeption, welche Aussagen zu Mehr- oder Minderbedarfen im IT-Bereich sowie zur Erhöhung der IT-Kostentransparenz ebenso umfasste wie Veränderungsempfehlungen zu Hard- und Software-Standards sowie Service Level Agreements (SLA), Hinweise zu umweltfreundlichen Produkten und Abläufen und Aussagen zur Organisationsstruktur der IT-Versorgung und zu Fortschreibungsbedarfen bei der IT-Strategie.

Wesentliche Ergebnisse der Analyse

• Das IT-Organisationsmodell hat sich grundsätzlich bewährt, insbesondere das Auftragnehmer/Auftraggeber-Verhältnis auf Basis eines fest vereinbarten Betriebsleistungsvertrages mit Standards, Mengen und Preisen. Dies betrifft ebenso das Verhältnis zwischen zentraler Steuerung und dezentralen DV-Ansprechpartnern in den Fachbereichen.
• Die Preise von Lecos sind im Vergleich zu anderen IT-Dienstleistern angemessen.
• Die Dienstleistungen entsprechen im Wesentlichen den vereinbarten SLA.
• Die Standards im Hard- und Software-Bereich sind angemessen und werden eingehalten.

Skaleneffekte nutzen

Stadtverwaltung und Lecos erarbeiteten darüber hinaus eine Reihe von ergänzenden Lösungsansätzen. Dies betrifft zum einen die Nutzung von Skaleneffekten aus der Verlagerung von weiteren Ressourcen und Leistungen zum IT-Dienstleister, zum Beispiel aus den Kultureigenbetrieben, der Schulverwaltung oder bei der Betriebstechnik. Damit kann kleinteilig oder isoliert betriebene IT in den wirtschaftlichen Betrieb überführt und gleichzeitig die einheitliche Steuerung des Konzerns Stadt Leipzig im IT-Bereich verbessert werden. Eine weitere Maßnahme betrifft den Verkauf von zehn Prozent der Geschäftsanteile von Lecos an den Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen (KISA), wodurch Synergien im sächsischen Raum besser genutzt werden können. Ein seit Längerem verfolgtes Projekt ist außerdem die Erarbeitung einer einheitlichen GIS-Strategie in der Stadtverwaltung.

Umstellung auf Thin Clients

Die Ablösung des Großrechnersystems ist ein weiterer wichtiger Ansatz zur Kostenreduzierung: Gegenwärtig werden alle verbliebenen Verfahren auf Client-Server-Verfahren umgestellt, sodass davon auszugehen ist, dass nach 2014 der Betrieb eines Großrechners in der Stadtverwaltung Leipzig endgültig der Vergangenheit angehört. Außerdem wird geprüft, ob die Umstellung von bis zu 50 Prozent der PC-Arbeitsplätze der Stadtverwaltung auf Thin Clients möglich ist. Ziel ist es, die Wartungs- und Ausfallzeiten zu reduzieren, die Nutzungsdauer zu verlängern und den Vor-Ort-Support zu entlasten. Ob dies möglich ist und die jeweiligen Fachanwendungen auf Basis von Thin Clients betrieben werden können, muss jeweils gesondert geprüft werden. Dazu wird im Laufe dieses Jahres ein Pilotprojekt starten. Zur Verbesserung der zentralen Steuerungsfunktion wird 2012 zudem eine IT- und E-Government-Projektkonferenz ihre Arbeit aufnehmen.

Konzept für E-Government

Auf Basis der strategischen Ziele der Verwaltung wurde parallel ein E-Government-Konzept erarbeitet. Dazu wurden E-Government-geeignete Leistungen ermittelt, entsprechend priorisiert und eine Prozesserhebung des Ist-Zustandes durchgeführt. Kriterien für die Auswahl waren Zielgruppenrelevanz (Bürger oder Unternehmer), Häufigkeit der Anwendung, Zahl der Beteiligten, der Aufwand für die Verwaltung und die Realisierbarkeit. Priorisierte Leistungen wurden für zwei wesentliche Bereiche ermittelt: das Baurecht und die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen. Darüber hinaus wurde eine Reihe von wichtigen Querschnittslösungen zur Umsetzung vorgeschlagen, so etwa eine Beteiligungsplattform, ämterübergreifende Datenzugriffe, eine E-Payment-Funktion und die elektronische Terminvereinbarung.
Die Umsetzung aller beschriebenen Aufgaben bedarf einer Reihe von Rahmenbedingungen. Dies betrifft zum Beispiel den Aufbau einer E-Government-Gesamt­architektur. Ebenso wichtig sind die Kompetenzentwicklung beim Personal und die zentrale Planung und Finanzierung zentraler E-Government-Vorhaben. Nicht zu vernachlässigen ist die Etablierung eines Controlling-Prozesses bei der Umsetzung der wichtigsten E-Government-Vorhaben.

Wissen der Mitarbeiter nutzen

Die Notwendigkeit, nach acht Jahren der Prozessumgestaltung und Ausgründung wesentlicher Dienstleistungen die Strukturen und Prozesse der IT-Infrastruktur zu evaluieren, wurde im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsunter­suchung bestätigt. Von besonderer Bedeutung war es, das Wissen und die Ideen der Mitarbeiter, welche die Stärken und Schwächen der Organisation am besten kennen, aufzunehmen und systematisch zu analysieren. Zudem hat sich gezeigt, dass eine strategische Steuerung von E-Government verschiedener Instrumente bedarf, um ausreichend Wirkung zu entfalten. Nur im Zusammenspiel von finanziellen Instrumenten, Motivation und organisatorischer Kompetenz der IT-Steuerung kann verhindert werden, dass sich IT in den Fachbereichen verselbstständigt.

Dr. Christian Aegerter ist Leiter des Hauptamtes der Stadt Leipzig.


Stichwörter: Panorama, Lecos, Leipzig, IT-Steuerung, Prozess-Management

Bildquelle: Leipzig Tourismus und Marketing GmbH

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