[9.7.2012] Der Bundestag hat den Entwurf eines Bundesmeldegesetzes beschlossen. Bei Datenschützern stoßen die vorgenommenen Änderungen allerdings auf heftige Kritik. Sie hoffen auf ein Intervenieren des Bundesrates.
Den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (
wir berichteten) hat der Bundestag verabschiedet. Wie auf heise online zu lesen ist, stimmten die Regierungsfraktionen dafür, die Daten der rund 5.200 Meldeämter zu vernetzen. Die Opposition war geschlossen dagegen. Ein zentrales Bundesmelderegister sieht das Gesetz nicht vor. Behörden sollen stattdessen online Zugang zu Meldedatenbeständen geben. Ein ursprünglich geplantes elektronisches Widerspruchsrecht der Betroffenen hat die Koalition laut heise online beseitigt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar äußerte sich gegenüber heise online enttäuscht von den Änderungen. Der Entwurf falle damit teilweise sogar hinter die geltende Rechtslage zurück. Bei der einfachen Melderegisterauskunft wäre nach Ansicht Schaars eine deutliche Stärkung der Rechte der Meldepflichtigen erforderlich gewesen. Äußerst kritisch beurteilt der oberste Datenschützer auch, dass die Nutzung von Meldedaten für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels zulässig sein soll, sofern der Meldepflichtige nicht widerspricht. Dies stelle eine massive Verschlechterung gegenüber dem Regierungsentwurf dar, der hierfür zu Recht eine Einwilligung des Meldepflichtigen verlangt hatte, so Schaar gegenüber heise online. Kritik kommt auch vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD). Wie das Datenschutzzentrum in einer Presseinformation mitteilt, erhalten Firmen gemäß der Gesetzesänderung für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels Melderegisterauskünfte, selbst wenn die betroffene Person Widerspruch eingelegt hat, sofern die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Informationen verwendet werden. Diese unscheinbare Änderung hätte gravierende Konsequenzen für die Bürger und die Kommunen. Profitieren würden vor allem Auskunfteien und Adresshändler, so das ULD. Eine nicht aktuelle Adresse würde genügen, damit sich die Firmen die behördlich beschafften, geprüften aktuellen Adressen besorgen könnten. Den Kommunen würden die Gebühren für Melderegisterauskünfte genommen, weil sich Interessenten bei den Adressenhändlern bedienten und nicht mehr zu den Meldebehörden gehen müssten, heißt es in der Pressemitteilung des Datenschutzzentrums. Thilo Weichert, ULD-Leiter und Landesdatenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, sagt: „Ich bin schockiert über Form und Inhalt der Gesetzgebung. An Kommunen und Datenschützern vorbei werden hier wirtschaftliche Lobby-Interessen bedient. Wir können nur hoffen, dass der Bundesrat diesen gefährlichen Unsinn stoppt.“
(rt)
Beschlussempfehlung des Bundestages zum Bundesmeldegesetz (Deep Link)
Zur Meldung auf heise online (Deep Link)
Kritik des ULD (Deep Link)
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