[26.9.2012] Aus der Idee heraus, Know-how in einer Datenbank zu konservieren sowie ein Mitarbeiterforum für den internen Austausch einzurichten, entstand bei der Stadt Sindelfingen der Sindelfinder. Ein Experiment.
Im Rahmen des Sommerprojekts 2011 der Firma IBM und der Stadtverwaltung Sindelfingen wurden gemeinsam mit Studenten der Dualen Hochschule innovative und neue Themenbereiche mit der Verwaltung ausgearbeitet. Diskutiert wurde dabei unter anderem der Einsatz von Social Media in der internen und externen Kommunikation. Dieses Thema stand zwar schon auf der internen Agenda im Rathaus, umgesetzt werden konnte es allerdings noch nicht. Social Media und Social Web sind in Verwaltungen noch weitgehend unerforschte Gebiete. In der Privatwirtschaft hingegen, insbesondere bei großen Institutionen, sind sie eine Selbstverständlichkeit. Die Studenten der IBM brachten dementsprechend viel Erfahrung und eine Vielzahl von Ideen in die Gespräche ein, und gaben so den Auslöser für die Konzeption des so genannten Sindelfinders.
Know-how sammeln und bewahren
Der Stadt lag das Thema Verwaltungs-Wiki sehr am Herzen, denn die Folgen der sich ändernden gesellschaftlichen Altersstruktur werden auch in Sindelfingen zunehmend spürbar. Immer mehr Aufgaben müssen künftig von immer weniger Mitarbeitern erledigt werden. Zudem geht Wissen zusammen mit den Know-how-Trägern in den Ruhestand. Mithilfe eines Verwaltungs-Wikis, also einer Wissensdatenbank für alle relevanten Themen der Stadtverwaltung, soll dieses Wissen für die nachfolgende Generation digital konserviert werden – so lautete der Auftrag an die Projektgruppe. Die Studenten wiederum empfanden es als wichtig, auch ein Mitarbeiterforum einzurichten, in dem alle möglichen Themen diskutiert werden können.
Mehr Kommunikation in der Verwaltung
Um einen Nutzeranreiz zu schaffen wurde vorgeschlagen, das Forum mit einem Danke-Award auszustatten. Die Nutzer können für gelungene Beiträge einen elektronischen Finde-ich-gut-Pokal vergeben. Am Monatsende erhält der Mitarbeiter mit den meisten elektronischen Pokalen einen echten Wanderpokal. Dieser Aspekt begeistert auch vor dem Hintergrund, dass sich in den vergangenen Jahren die Formen der Kommunikation sehr verändert haben. Bedingt durch die heterogene Produktlandschaft in der Verwaltung gibt es außerdem nur wenige Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Bereichen, weshalb sich viele Mitarbeiter nur selten persönlich zum gegenseitigen Austausch begegnen. Vor diesem Hintergrund beschloss die Projektgruppe, mit dem Sindelfinder nicht nur Wissen zu bewahren, sondern auch die Kommunikation zu digitalisieren.
Der Start in die Praxis
Innerhalb von drei Wochen konzipierten die IBM-Studenten den Sindelfinder inhaltlich, technisch und grafisch. Er basiert auf dem Open-Source-Content-Management-System Joomla mit mehreren Add-ons sowie einigen selbstprogrammierten Modulen. Da es sich um Standard-Software handelte, war die Einbindung in die bestehende IT-Landschaft zur Authentifizierung der Benutzer mit wenigen Handgriffen erledigt.
Doch wird so eine moderne Plattform in der Verwaltungsrealität angenommen? Werden die Mitarbeiter Wissensbeiträge einstellen? Wie stehen die Führungskräfte der Plattform gegenüber? Sowohl unter den Amtsleitern als auch beim Personalrat wurde sehr kritisch und kontrovers diskutiert, ob der Sindelfinder tatsächlich live gesetzt werden soll. Letztendlich entschied sich die Verwaltungsleitung für die Plattform und eine Pilotphase. Ein Social-Media-affiner Mitarbeiter der Organisationsabteilung und die IT-Abteilung wurden mit der Durchführung des Experiments beauftragt.
Die sechsmonatige Pilotphase sah zunächst einen Friendly-User-Test vor. Hierfür wurden 15 Verwaltungsmitarbeiter ausgesucht, die sich in der digitalen Welt zu Hause fühlen. Sie bekamen den Auftrag, den Sindelfinder mit interessanten Themen zu füllen. Ziel war es, die Wissensdatenbank inhaltlich so auszustatten, dass sie bei einer
Implementierung für das ganze Haus zum Selbstläufer wird. Bereits nach den ersten Testtagen stellte sich jedoch heraus, dass 15 Mitarbeiter für den Start nicht ausreichen. Es wurde so gut wie kein Beitrag auf der Plattform veröffentlicht und das Forum wurde kaum genutzt. Aus diesem Grund wurde das Test-Team um zehn Mitarbeiter aufgestockt. Nachdem dann gezielt ein paar die Allgemeinheit ansprechende Themen eingestellt wurden – etwa Eis in der Kantine oder Probleme mit Office 2010 – kam Schwung in das Forum. Mitarbeiter, die im Arbeitsalltag nie aufeinander getroffen wären, tauschen sich jetzt aus. Jeden Morgen prüft der Moderator die Aktivitäten im Forum, um unangemessene und unsinnige Beiträge auszuschließen. Auffälligkeiten gibt es bislang keine. Immerhin agieren die Mitarbeiter nicht anonym, sondern größtenteils sogar mit Porträtfoto. Sorge bereitet derzeit das Wiki, das trotz des erweiterten User-Umfangs noch nicht zufriedenstellend funktioniert.
Erste Erfahrungen
Die aktuelle Bilanz macht deutlich, dass das Forum die interne Kommunikation der Sindelfinger Stadtverwaltung bereichert. Der Sindelfinder wird bei vielerlei Fragen, aber auch zur Meinungsabfrage oder Ideengewinnung genutzt. Das Experiment hat aber auch gezeigt, dass nicht alle Social-Media-Angebote Anklang finden. Das betrifft beispielsweise das Wissensmanagement, das nochmals überdacht werden muss. Es gilt nun aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse die bestehenden Konzepte und Ideen weiterzuentwickeln, auszubauen und bei Bedarf neue Ansätze zu suchen. Eines steht allerdings schon fest: Die Stadtverwaltung ist mit dem Einzug des Sindelfinders im Social Web angekommen.
Margit Gäng ist Leiterin, Stephan Aufsfeld ist IT-Leiter und Christof Hölzl ist Mitarbeiter der Abteilung Organisation und Zentrale Dienste der Stadt Sindelfingen.
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Bildquelle: Stadt Sindelfingen