Datenschutz:
Facebook gefällt nicht


[19.3.2013] Die Nutzung von sozialen Medien wie Facebook oder Google+ durch Behörden steht vor allem unter dem Aspekt Datenschutz immer wieder in der Kritik. Denn die Angebote sind oftmals nicht konform mit den Gesetzmäßigkeiten der öffentlichen Verwaltung.

Mit sozialen Medien verantwortungsvoll umgehen. Die Begeisterung der öffentlichen Verwaltung für das Web 2.0 ist ungebrochen. Die Hoffnungen sind groß: Jugendliche erreichen, die eigene Technikaffinität und Modernität unter Beweis stellen, neue kommunikative Werbewege eröffnen – und all dies zu geringen Kosten und mit wenig Aufwand. So nutzen Kommunen und sonstige öffentliche Stellen ohne Scham Facebook, Twitter, Google & Co. Doch nun hinterfragen die Datenschutzbeauftragten die Technik und teilen mit, dass die Nutzung vieler Social-Media-Angebote mit der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht in Einklang zu bringen ist. Denn bei der Nutzung solcher Angebote ergeben sich einige zentrale, zumeist nicht befriedigend beantwortete Fragestellungen:
• Übernimmt die Kommune die ihr zukommende datenschutzrechtliche Verantwortung?
• Sind die Einwilligungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen, etwa in Form von Terms of Use und Privacy Policies, mit den behördlichen und rechtlichen Vorgaben vereinbar, mit den Anforderungen an Kleingedrucktes, an Datensparsamkeit und an verbindliche Willenserklärungen der Nutzer?
• Ist die Inanspruchnahme der Betroffenenrechte, etwa auf Auskunft und Datenlöschung, technisch und organisatorisch umgesetzt?
• Wo und wie erfolgt die Datenverarbeitung – das Setzen und Nutzen von Cookies, die Auswertung für Werbezwecke, die Nutzungsanalyse, der Zugriff Dritter einschließlich ausländischer Sicherheitsbehörden – und ist dies rechtskonform?
• Können die Bürger ihre Grundrechte über das Angebot anonym wahrnehmen?

Warnhinweise statt Korrektur

Ansatzpunkt der Fragen waren zunächst die Fanpages von Facebook, die sich bei Schulen, Polizeidienststellen, öffentlichen Dienstleistern, Ministerien und Kommunen großen Zuspruchs erfreuen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kam im Hinblick auf Facebook-Fanpages zu klaren Aussagen: Die obigen Fragen wurden jeweils mit Nein beantwortet. Die weitere öffentliche Diskussion bestätigte dieses Ergebnis und zeigte, dass die Antworten bei anderen Social-Media-Angeboten wie Google+ oft nicht besser ausfallen.
Dies führte aber – auch in Schleswig-Holstein – nicht dazu, dass die öffentliche Verwaltung versuchte, die kritisierten Aspekte aufzugreifen und zu korrigieren. Allenfalls wurden auf den behördlichen Facebook-Seiten Warnhinweise für die Nutzer oder Doppelklick-Lösungen bei Social Plug-ins wie den Gefällt-mir- und +1-Buttons eingeführt, nach dem Motto: „Sie nutzen diese Seite auf eigene Gefahr.“ Offensichtlich bleiben die informationstechnische Kompetenz und die rechtliche Durchdringung weiterhin hinter der Begeisterung für die Social-Media-Angebote zurück. Dies kann nicht wirklich befriedigen: Warnhinweise machen rechtswidriges Verwaltungshandeln nicht rechtmäßig. So werden verlinkte Inhalte von Facebook beispielsweise vollständig erfasst, gespeichert und ebenso wie originäre Inhalte der Fanpages in die automatisierte personenbezogene Reichweitenanalyse einbezogen. Selbst die Einbindung von Website-Inhalten in ein so genanntes Page Tab, auch IFrame-Einbindung genannt, unterliegt einer – auf die Anzeige des Page Tabs beschränkten – Reichweitenanalyse.

Schulischer Bereich besonders heikel

Besonders heikel sind Schulanwendungen, wo Lehrkräfte und Schüler geradezu animiert werden, rechtswidrige Angebote zu nutzen. Vom faktischen Nutzungszwang sind Kinder betroffen, die tatsächlich und rechtlich zu einer informierten Einwilligung nicht selbst in der Lage sind. Die Vorbildwirkung auf die Kinder ist katastrophal, Schönwetterreden über die Vermittlung von Medienkompetenz entpuppen sich dann als wenig ernst gemeintes Alibi.
Soziale Medien können von öffentlichen Stellen jedoch durchaus genutzt werden, selbst im sensiblen schulischen Bereich. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Stellen rechtlich wie faktisch, also technisch-organisatorisch, die Verantwortung übernehmen, dass vor der Freigabe erfolgreich eine qualifizierte Prüfung erfolgte. Das gibt es nicht zum Nulltarif, sondern verlangt IT-Qualität und Kompetenz bei Entwicklern, Entscheidern, Anwendern und Nutzern. Statt ungeprüft günstige Social-Media-Anwendungen von US-Anbietern zu übernehmen, welche sämtliche Inhalts- und Kommunikationsdaten der Werbenutzung sowie den US-amerikanischen Sicherheitsbehörden auf dem Silbertablett servieren, müssen datenschutzkonforme technische Lösungen entwickelt, implementiert und betrieben werden. Zum Betrieb gehören knappe und klare Regeln für Anwender und Nutzer, in denen die Verantwortlichkeiten, Rechte und Pflichten benannt werden, sowie Privacy-By-Default-Einstellungen.

Verantwortungsvoller Umgang entscheidend

Es wäre falsch, sämtliche bestehende soziale Medien zu verdammen. Wichtig ist aber ein bewusster, verantwortungsvoller Umgang hiermit. So kann die Verbreitung von Nachrichten über Twitter eine sinnvolle Ergänzung zur eigenen Web-Präsenz und Öffentlichkeitsarbeit sein. Statt der Einbindung von Google oder Bing als datenfressende Suchmaschinen gibt es jedoch brauchbare, als datenschutzkonform zertifizierte, kostenfreie Alternativen wie Ixquick, Startpage und Startingpage.
Hier besteht ein Markt für kommunale IT-Dienstleister. Technische Lösungen, die nicht auf ausländischen Servern laufen, sondern selbst verantwortet und administriert werden können, sind – teilweise als Open Source Software – auf dem Markt verfügbar. Bislang konnten sich datenschutzfreundlichere Alternativen wie Diaspora, Friendica oder Identica aber nicht durchsetzen, weil alle meinten, zu den Angeboten, die vom Großteil der Anwender genutzt werden, gäbe es keine Alternative. Facebook & Co. verkommen allerdings immer mehr zu reinen Werbeplattformen, die zu promoten der öffentlichen Verwaltung schon aus Gründen der Marktneutralität verboten ist. Soziale Netzwerke, welche diesen Namen zu Recht tragen und die zugleich auch noch das Gütesiegel der Akzeptanz der Datenschutzbehörden vorweisen können, haben gerade in Deutschland, wo informationelle Selbstbestimmung und Rechtsstaatlichkeit kulturell anerkannte Werte sind, ein bisher ungenutztes Potenzial.

Dr. Thilo Weichert ist Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein und Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz (ULD) in Kiel.


Stichwörter: Social Media, Datenschutz, Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Facebook, Google+

Bildquelle: PEAK

Druckversion    PDF     Link mailen




 Anzeige


Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Social Media
Reutlingen: Datenschutzkonformer Social-Media-Einblick
[25.7.2023] Wer selbst nicht in den sozialen Medien aktiv ist und trotzdem die Social-Media-Beiträge der Stadt Reutlingen einsehen will, kann dies nun datenschutzkonform über die Website Stage tun. mehr...
Die Stadt Reutlingen gewährt auf der Plattform Stage datenschutzkonform Einblick in ihre Social-Media-Beiträge.
KGSt/Amtshelden: Praxisnahes Social-Media-Wissen
[17.7.2023] Die Kommunikation über Social Media ist auch für Kommunen sinnvoll – wirft aber viele Fragen auf. In Zusammenarbeit mit dem Start-up Amtshelden bietet die KGSt jetzt ein Weiterbildungsprogramm an, das genau auf den Bedarf kommunaler Mitarbeiter zugeschnitten ist. mehr...
Die Gründer des Start-ups Amtshelden: Christian Rosenberger und Julia Lupp
Hanau: Ausgezeichnete Bürgerkommunikation
[23.6.2023] Die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern über Social-Media-Kanäle ist für Städte unverzichtbar – das sagt der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Bereits seit dem Jahr 2010 nutzt Hanau diesen Weg der Bürgerkommunikation. Jetzt hat die Stadt dafür den German Brand Award erhalten. mehr...
Der German Brand Award für Kommunikationskanäle ging an die Stadt Hanau.
Köln: Authentisch kommunizieren Bericht
[18.11.2022] Um mit ihren Informationen auch solche Zielgruppen zu erreichen, die klassische Medien eher nicht nutzen, setzt die Stadt Köln voll auf Social Media – unter anderem mit dem preisgekrönten Format „Wat is?“ auf dem städtischen Instagram-Kanal. mehr...
Dreharbeiten für die Kölner Instagram-Serie „Wat is?“.
Kassel: Azubis gestalten Social-Media-Beiträge
[18.11.2022] Auf eine Ansprache auf Augenhöhe achtet die Stadt Kassel bei der Auszubildendensuche und nutzt dazu ihre Social-Media-Kanäle. Die entsprechende Kampagne und die Beiträge haben die Auszubildenden selbst gestaltet. mehr...
Augenzwinkernd provokant in der Aussage und zielgruppengerecht in der Bildsprache warb die Stadt Kassel in ihren Social-Media-Kanälen um Auszubildende.
Weitere FirmennewsAnzeige

EU-Richtlinie 2016/2102: So funktioniert barrierearme Rechnungsverarbeitung
[22.8.2023] Einen barrierearmen Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen zu gewährleisten, dazu sind öffentliche Stellen in Deutschland und der EU seit 2019 verpflichtet. Was bedeutet dies für die Verarbeitung eingehender Rechnungen in SAP? Sind Dokumentenprozesse überhaupt betroffen? mehr...

Stadt Essen nutzt Eingangsrechnungsworkflow der xSuite im großen Stil: Sichere Planung durch Rechnungsworkflow
[23.3.2023] Essen ist eine moderne Wirtschafts-, Handels- und Dienstleistungsmetropole im Herzen des Ruhrgebiets. Sie ist Konzernzentrale, zum Beispiel für RWE AG, Evonik Industries AG, E.ON Ruhrgas AG, GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH und Hochtief AG. Die Messe Essen ist etabliert unter den Top-Ten der deutschen Messeplätze. Was viele Besucher angesichts der modernen Essener Skyline verblüfft: Die Geschichte der Stadt ist älter als die Berlins, Dresdens oder Münchens. Essen feierte im Jahr 2002 das 1150-jährige Jubiläum von Stift und Stadt Essen. mehr...
Suchen...

 Anzeige



 Anzeige

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
Ausgewählte Anbieter aus dem Bereich Social Media:
GovConnect GmbH
30163 Hannover
GovConnect GmbH
ekom21 – KGRZ Hessen
35398 Gießen
ekom21 – KGRZ Hessen
brain-SCC GmbH
06217 Merseburg
brain-SCC GmbH
Aktuelle Meldungen