[15.5.2013] Ein ehrgeiziges Ziel beim digitalen Unterricht hat sich der Freistaat Bayern gesetzt: Bis 2020 sollen alle 5.000 Schulen eine zentrale IT-Infrastruktur nutzen. Erste Erfahrungen der Pilotschulen mit dem Digitalen Bildungsnetz Bayern sind vielversprechend.
Bayern will als erstes Bundesland bis zum Jahr 2020 ein flächendeckendes digitales Bildungsnetz aufbauen. Konkret wird eine effiziente, hochverfügbare und sichere IT-Infrastruktur einschließlich zugehöriger Management- und IT-Serviceleistungen entwickelt und erprobt. Das Konzept Digitales Bildungsnetz Bayern (DBB) ist hersteller- und betriebssystemneutral; die an den Schulen bereits vorhandenen IT-Systeme können eingebunden werden. Das Ziel: In Zukunft soll das DBB von allen rund 5.000 bayerischen Schulen mit etwa 1,8 Millionen Schülern und über 100.000 Lehrern genutzt werden.
„Mit diesem Ansatz setzt Bayern bundesweit Maßstäbe“, sagt Bernd Sibler, Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Finanzministerium und IT-Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung fügt hinzu: „Mit dem Digitalen Bildungsnetz Bayern leisten wir Pionierarbeit.“ Unterstützt werden die beiden Ministerien dabei vom Unternehmen Fujitsu. „Vom Digitalen Bildungsnetz Bayern waren wir von Beginn an begeistert“, meint Andreas Kleinknecht, Leiter des Geschäftsbereichs Öffentliche Auftraggeber und Mitglied der Geschäftsleitung von Fujitsu. „Denn bei diesem Vorhaben können wir mithilfe intelligenter IT-Werkzeuge einen Beitrag dazu leisten, dass Bayern sein hohes Bildungsniveau nachhaltig sichern und ausbauen kann.“
Züge, Gleise und Waggons
Die Aufteilung der Aufgaben zwischen Kultus- und Finanzministerium beschreibt Bayern-CIO Franz Josef Pschierer so: „Ich kleide das immer gerne in ein Bild von Zügen, Gleisen und Waggons. Für die Verlegung der Gleise, die Sicherheit darauf und den Zugang zu ihnen ist der IT-Beauftragte zuständig. Was aber an Inhalten in die Waggons geladen wird, ist Sache des Kultusministeriums.“ Und Bernd Sibler ergänzt: „Auf diesen Gleisen können dann wiederum unterschiedliche Züge fahren, von der Diesellok bis zum Hochgeschwindigkeitszug. Diese Entscheidung hat dann die jeweilige Schule zu treffen.“
Technisch gesehen handelt es sich beim Digitalen Bildungsnetz Bayern um die sichere Vernetzung aller beteiligten Institutionen auf Grundlage von Virtual Private Networks (VPN). Die Synergien beim Betrieb der Systeme sollen heterogene, kostenintensive Insellösungen an den bayerischen Schulen künftig weitgehend obsolet machen. Mit dem DBB erhalten Lehrer und Schüler zudem einen zentralen Zugang zu digitalen Medien und Lerninhalten, so etwa zur Plattform mebis – Landesmedienzentrum Bayern, einem Angebot des Kultusministeriums. Der Vorteil: Bei allen Inhalten, die auf der Plattform zu finden sind, wurden Urheber- und Lizenzrechte geklärt, sodass diese problemlos für den IT-gestützten Unterricht verwendet werden können.
Erfolgreicher Projektstart
Der offizielle Startschuss für das Projekt DBB fiel im Juni 2011, seit Januar 2012 wird das Konzept an sechs, seit November 2012 an insgesamt neun Schulen im Praxiseinsatz erprobt und weiterentwickelt. Bei der Auswahl der Piloten wurde darauf geachtet, alle Schulformen zu berücksichtigen, da auch eine zentrale IT-Infrastruktur unterschiedliche pädagogische Ansätze und Anforderungen an digitales Lernen unterstützen muss. Mit den bisherigen Ergebnissen des Machbarkeitsnachweises (Proof of Concept) zeigen sich alle Beteiligten mehr als zufrieden. Pschierer: „Die positiven und konstruktiven Rückmeldungen zeigen, dass unsere Idee richtig ist.“ Die Lehrer an den Pilotschulen hätten in den vergangenen Monaten die leicht zu bedienende und effiziente Technologie zu schätzen gelernt und würden zudem von administrativen Tätigkeiten entlastet.
Das Projekt Digitales Bildungsnetz Bayern komme bei den beteiligten Schulen und Kommunen so gut an, weil es darauf ausgerichtet sei, einen konkreten Nutzen für alle Beteiligten zu stiften, meint Irene Träxler, Leiterin der Mittelschule Neunburg vorm Wald. „Wir sind stolz darauf, als einzige Mittelschule für den Machbarkeitsnachweis ausgewählt worden zu sein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten arbeiten unsere Schüler mittlerweile sehr versiert mit den digitalen Medien“, so Träxler. Im Rahmen des Projekts sei die Schule unter anderem mit einer Laptop-Klasse und Whiteboards ausgestattet worden. „Unser Schulprofil ist durch das Digitale Bildungsnetz deutlich aufgewertet worden.“
Neue Basiskompetenz
Dass Medienkompetenz heutzutage eine Basiskompetenz wie Lesen und Schreiben darstellt – darin sind sich die am Projekt beteiligten Schulen einig. „Unsere Aufgabe ist es, die Kinder auf morgen vorzubereiten, das funktioniert nicht mit Medien und Methoden von gestern“, sagt etwa Andreas Scheungrab, Mitglied der Schulleitung der Realschule Arnstorf. „Kein Jugendlicher kann künftig ohne Medienkompetenz in der Lebens- und Berufswelt bestehen.“ Darüber hinaus könne der Einsatz digitaler Medien die Motivation der Schüler ungemein fördern, berichtet Hermine Englmeier, Leiterin des Sonderpädagogischen Förderzentrums Viechtach. Hier werden Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse unterrichtet, die Schulvorbereitende Einrichtung (SVE) des Zentrums wird zudem von derzeit 24 Kindern zwischen vier und sieben Jahren besucht. Die Schwerpunkte liegen auf Sprache, Lernen und sozial-emotionaler Entwicklung – in Viechtach werden auch Kinder mit autistischen Zügen, ADHS oder psychischen Erkrankungen unterrichtet. „Dies macht es notwendig, vielfältige inhaltliche und emotionale Lernwege zu eröffnen und eine Lernumgebung mit individuellen Angeboten bereitzuhalten“, erklärt Schulleiterin Englmeier.
Neben Standardprogrammen kommt in Viechtach daher Lern-Software zur Förderung der Koordination, der Wahrnehmungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie der Motivation zum Einsatz. „Der Computer ist an unserem Förderzentrum schon lange ein wichtiges Hilfsmittel, ich persönlich nutze ihn seit 1985 im Unterricht“, so Englmeier. „Richtig eingesetzt können wir damit bei unseren Schüler sehr viel bewirken.“ Die Schulleiterin erinnert sich etwa an einen Schüler, der Schwierigkeiten beim Lesen hatte. „Wir haben dann die Bildschirmfarbe umgestellt – weiße Schrift auf gelbem Hintergrund. Das kann eigentlich kein Mensch lesen, aber diesem Schüler hat es unheimlich geholfen.“ Der PC ermögliche den Kindern erfolgreiche Lernerlebnisse, biete neue Möglichkeiten des individualisierten und eigenverantwortlichen Lernens und fördere Kooperations-, Methoden- und Kommunikationskompetenzen. Englmaiers Fazit: „Das Digitale Bildungsnetz leistet einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der hohen Qualität unseres Unterrichts.“
Auch Peter Schwertschlager, Leiter des Gymnasiums bei St. Anna in Augsburg, stellt fest: „An unserer Schule war der Einsatz von IT geradezu ein Katalysator für die Verbesserung der Unterrichtsqualität und erhöhte die Zufriedenheit und Motivation von Schülern und Lehrkräften deutlich. Wenn die IT-Struktur stimmt, sie verlässlich ist und funktioniert, animiert sie die pädagogische Kreativität der Lehrer auf ungeahnte Art und Weise.“
Ideen für die Zukunft
Als Anschub für das Projekt Digitales Bildungsnetz Bayern wurden in den Doppelhaushalt 2013/2014 nach Angaben von Finanzstaatssekretär Franz Josef Pschierer zunächst sechs Millionen Euro eingestellt. Bei einer positiver Entscheidung des Ministerrats soll das DBB bis 2014 an bis zu 120 Medienreferenzschulen umgesetzt werden. „In den Folgejahren muss der Roll-out dann natürlich schneller erfolgen“, so Bayern-CIO Pschierer. „Bei rund 5.000 Schulen wird man sich nach der Pilotphase allerdings auch noch einmal Gedanken über die dauerhafte Finanzierung des Konzepts machen müssen. Das wollen wir in den kommenden Monaten in fairer Partnerschaft zwischen dem Freistaat und den Sachaufwandsträgern tun.“
Bettina Schömig
Dieser Beitrag ist in der Mai-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Schul-IT erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)
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Bildquelle: Jakob Boerner