Sindelfingen:
Strategisch steuern


[3.3.2014] Die Stadt Sindelfingen hat sich schon früh mit dem Neuen Steuerungsmodell beschäftigt. Bei der Umsetzung der Verwaltungsreform musste der theoretische Anspruch jedoch des Öfteren an die Wirklichkeit in der Verwaltung angepasst werden.

Verwaltungsmodernisierung nach dem Neuen Steuerungsmodell erhält durch Doppik neuen Schwung. Seit den 1980er-Jahren steht New Public Management (NPM) als Oberbegriff für eine Reihe von Reformbewegungen in der Verwaltung. Der Fokus liegt dabei auf einer verbesserten Planung, Steuerung und Kontrolle von Verwaltungsleistungen. Die Verwaltungsmodernisierung der deutschen Kommunen orientiert sich am Referenzkonzept Neues Steuerungsmodell (NSM) der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), welches der Grundlogik des New Public Management entspricht. Ziel war es, die Kommunalverwaltung in ein öffentliches Dienstleistungsunternehmen umzuwandeln. Im Wesentlichen besteht das NSM aus den Elementen strategische Steuerung durch Politik und Verwaltung, Output-Steuerung, Reform der Ressourcenbewirtschaftung, Schaffung von Wettbewerbsstrukturen, mehr Mitarbeiterorientierung, Personal-Management sowie Bürger- und Kundenorientierung.
Mehr als 20 Jahre sind seitdem vergangen, die Reformwelle hat jede Kommune auf die eine oder andere Art erfasst. Zwischenzeitlich gibt es vielfältige Erkenntnisse zu den Chancen, aber auch den Grenzen von Reformen im Sinne des Neuen Steuerungsmodells. Im internationalen Vergleich erfolgte in Deutschland die Aufnahme des NPM-Gedankens Anfang der 1990er-Jahre relativ spät. Zwar orientierte sich eine überwältigende Mehrheit der Kommunen am Reformleitbild des NSM, jedoch wurden in der Regel lediglich einzelne Elemente implementiert; das Gesamtkonzept wurde dagegen nur in wenigen Kommunen realisiert.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In der kritischen Auseinandersetzung klafft somit eine Lücke zwischen den theoretischen Ansprüchen des Neuen Steuerungsmodells und der Wirklichkeit in der Verwaltungspraxis. So obliegt etwa nach dem Konzept des NSM die strategische Steuerung dem Gemeinderat, während der Verwaltungsspitze die operativen Entscheidungen zustehen. Diese strikte Trennung der Zuständigkeiten hat sich in der Realität nie umsetzen lassen. Die politische Rationalität richtet sich nach aktuellen Themenstellungen und der Möglichkeit, für einzelne Anliegen in den entscheidenden Gremien Mehrheiten zu finden. Es hat sich daher die Erkenntnis durchgesetzt, dass es kein allgemeingültiges Gesamtkonzept zur Modernisierung gibt, sondern von jeder Kommune aufgrund ihrer Bedürfnisse entwickelt werden muss.
In Sindelfingen gab es bereits Ende der 1990er-Jahre erste Bestrebungen, die Elemente des NSM umzusetzen: 1998 wurde gemeinsam von der Verwaltung, dem Gemeinderat und den Bürgern das Stadtleitbild 2000 PLUS entwickelt. Als Servicestelle für die Einwohner entstand das Bürgerbüro Sindelfingen; zudem wurde eine Stabsstelle Controlling beim Oberbürgermeister geschaffen und in Teilbereichen ein Berichtswesen eingeführt. Trotz der Umsetzungsabsichten blieb das NSM jedoch in den theoretischen Ansätzen stecken. Aufgrund der schwierigen Haushaltslage und den wenigen gesetzlichen Vorgaben und Erfahrungen anderer Kommunen rückte das Thema in Sindelfingen zunächst wieder in den Hintergrund.

Doppik als Katalysator

Die Erfahrungen der Stadt mit dem Neuen Steuerungsmodell fließen jedoch in die Fortsetzung der Verwaltungsreform ein. Als Katalysator für die Elemente des NSM hat sich die Reform des Haushalts- und Rechnungswesens herausgestellt. Seit dem 1. Januar 2012 ist Sindelfingen im Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) angekommen. Innerhalb von 15 Monaten wurde das Rechnungssystem erfolgreich von der Kameralistik auf die Doppik umgestellt und die Finanz-Software DZ-Kommunalmaster Doppik auf Basis von SAP ERP Financials eingeführt. Als Basis für ein funktionierendes Controlling werden nun sukzessive die Kosten- und Leistungsrechnung, das Berichtswesen und der Steuerungskreislauf ausgebaut. Mithilfe der Elemente des NKHR wurde die Grundlage für ein strategisches und operatives Controlling geschaffen. In den nächsten Jahren wird schrittweise ein outputorientierter Steuerungskreislauf etabliert.
Zudem wurde ein neuer Strategieprozess unter dem Motto „Sindelfingen 2025 – Stadtentwicklung im Dialog“ gestartet. Dabei wurde unter breiter Bürgerbeteiligung eine Strategie für Sindelfingens Zukunft entwickelt. Die Bürger hatten die Möglichkeit, Leitlinien, Maßnahmen und Projekte für den Gemeinderat vorzuschlagen. Die städtischen Ziele werden nun gemeinsam mit dem Gemeinderat und der Verwaltungsspitze auf Grundlage der Bürgerempfehlung festgelegt. Damit liefert der Strategieprozess die Basis für den Steuerungskreislauf. Nach den ersten ernüchternden Erfahrungen soll zudem auf Basis des neuen Haushalts- und Rechnungswesens erneut eine Controlling-Stelle in der Sindelfinger Verwaltung eingerichtet werden. Wichtig ist dabei, dass der Nutzen der neuen Instrumente für die Stadtverwaltung und den Gemeinderat erkennbar ist. Die Controlling-Stelle soll die kommunalpolitische Führung bei der Zielsetzung, Planung und Kontrolle unterstützen und ist für den Aufbau eines adäquaten Informationssystems verantwortlich.

Neuer Schwung für die Reform

Nach einer Phase der Ernüchterung zum Thema Neues Steuerungsmodell erhält die Verwaltungsreform in Sindelfingen und in vielen anderen Kommunen durch die Einführung des NKHR also wieder Schwung. Es dient als wichtige Basis für die Informationsgewinnung und -versorgung der kommunalpolitischen Führung. Darauf können weitere Elemente der Steuerung aufgebaut werden und die entsprechenden Informationen sollen verstärkt in den Führungs- und Steuerungskreislauf einfließen. Sindelfingen setzt sich zum Ziel, einen strategischen Steuerungskreislauf und ein flächendeckendes Controlling in der Stadtverwaltung zu etablieren, um aus den NKHR-Elementen einen wirklichen Nutzen für die gesamtstädtische Steuerung zu ziehen. Die Weichen hierfür sind durch den Umstieg von der Kameralistik zur kommunalen Doppik bereits gestellt.

Dr. Bernd Vöhringer ist Oberbürgermeister der Stadt Sindelfingen; Birte Kranz ist Mitarbeiterin im Projekt NKHR der Stadtverwaltung.

http://www.sindelfingen.de
Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe von Kommune21 im Schwerpunkt Finanzwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.  (Deep Link)

Stichwörter: Finanzwesen, Sindelfingen, Doppik, Controlling, Neues Steuerungsmodell

Bildquelle: MEV Verlag

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