Sachsen:
Über Grenzen zum Ziel


[7.1.2015] Der IT-Planungsrat hat eine wichtige Schnittstellenfunktion, bleibt aber hinter seinen Möglichkeiten zurück. Zu diesem Ergebnis kommt der sächsische CIO Wilfried Bernhardt nach fünf Jahren Amtszeit im ersten Teil seiner Bilanz.

In Sachsen zeigt sich: Zusammenarbeit ist wichtig auf dem Weg der Verwaltungsmodernisierung. In der Zeit von Dezember 2009 bis November 2014 habe ich als für E-Government und E-Justice zuständiger Staatssekretär und seit 2010 als Beauftragter des Freistaats Sachsen für Informationstechnologie (Chief Information Officer) die IT-Entwicklung im Freistaat Sachsen verantwortet. Ein Fazit vorweg: An erster Stelle der Errungenschaften in diesen Jahren steht für mich die inzwischen institutionalisierte Kooperation der verschiedenen Verwaltungsebenen, die für Fortschritte bei der Digitalisierung der Verwaltung sowie bei der Kommunikation zwischen Bürgern, Unternehmen und der Verwaltung unabdingbar ist. Eine wichtige Rolle dabei spielt der IT-Planungsrat, der sich am 22. April 2010 konstituierte. Das neue Gremium war im Zuge der Föderalismuskommission II auf Grundlage des neuen Art. 91 c Grundgesetz und des dazu vereinbarten Staatsvertrags beschlossen worden, um eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern in IT-Fragen zu erlangen.

Grenzüberschreitend entwickeln

Ich habe von Beginn an den Freistaat Sachsen in diesem Gremium vertreten. Mit zahlreichen Initiativen und in von Sachsen (mit-)getragenen Projekten habe ich dafür gesorgt, dass der Freistaat nicht nur für die gesamtstaatliche Entwicklung von IT und E-Government Verantwortung übernahm, sondern auch sächsische Ideen und Standards die IT-Entwicklung in Deutschland wesentlich beeinflussten. Dies begann mit der Erarbeitung einer Nationalen E-Government-Strategie und den daraus folgenden Umsetzungsschritten. Der demografische Wandel ließ vor allem in einigen sächsischen Regionen die Bevölkerungszahl stark zurückgehen. Zudem nahm in Sachsen die Zahl älterer Bürger und Mitarbeiter anteilig stark zu. Das führte zu der Erkenntnis: Im digitalen Zeitalter müssen spezielle Angebote für Ältere und Bürger im ländlichen Raum bereitgehalten werden. Im Rahmen einer Vorbereitungsarbeitsgruppe zum Nationalen IT-Gipfel in Dresden (7. Dezember 2010) entstand die Idee moderner Bürgerservices mit Bürgerterminals und Bürgerkoffer, die auch unter dem Dach des IT-Planungsrats über die Grenzen des Freistaats Sachsen hinaus große Beachtung fanden.

Entscheidungsfindungsverfahren bremst

Nach meiner Überzeugung hat der IT-Planungsrat in einem föderal verfassten Staat eine äußerst wichtige Schnittstellenfunktion. Dennoch bleiben die bisherigen Arbeitsergebnisse hinter den Möglichkeiten und den allgemeinen Erwartungen zurück. Das liegt auch daran, dass die für den IT-Staatsvertrag Verantwortlichen von Bund und Ländern zu wenig Mut bewiesen, als sie Mehrheitsentscheidungen des IT-Planungsrats nur bei Standardisierungsfragen zuließen; der Zwang zur Einstimmigkeit verleitet aber dazu, bei IT-Modernisierungsschritten auf den Langsamsten zu warten und die Ambitionierten zu bremsen. Spürbar ist dies bei der Diskussion über einen Unterbau des IT-Planungsrats vor allem für den operativen Betrieb von Projekten. Eine Mehrheit der Länder (wie Sachsen) und der Bund hätten hier sicherlich die zeitnahe Einrichtung zielführender Strukturen befürwortet, das schwierige Entscheidungsfindungsverfahren des IT-Planungsrats hat aber bisher ein rasches Handeln verhindert. Auch die heterogene Zusammensetzung des IT-Planungsrats lässt den Bedenkenträgern viel Raum, sich gegen schnelle und spürbare Fortschritte beim E-Government erfolgreich zur Wehr zu setzen. Insbesondere finanzielle Argumente wurden gegen die Förderung von sinnvollen Vorhaben wie das von Rheinland-Pfalz und Sachsen pilotierte D115-App-Projekt ins Feld geführt. Dabei blieb unberücksichtigt, dass IT mittelfristig nicht nur für mehr Bürgerfreundlichkeit, sondern auch für mehr Effizienz in der Verwaltung (und damit für Einsparungen) steht.

Ebenenübergreifender Austausch

Elementar ist die Erkenntnis, dass die Kommunen das Gesicht der Verwaltung zum Bürger darstellen. Ohne einen digitalisierten Zugang der Bürger und Unternehmen zu den Kommunen bleibt E-Government in der Gesellschaft weitgehend unsichtbar. Schon deshalb war und ist der staatlichen Ebene anzuraten, die Abstimmung mit den Kommunen in den Vordergrund der eigenen Aktivitäten zu stellen. In Sachsen wurde durch die Gründung des Sächsischen IT-Kooperationsrats ein Rahmen für verlässliche Abstimmungen zwischen kommunaler und staatlicher Ebene etabliert. Aber auch außerhalb dieses offiziellen Gremiums habe ich regelmäßig den Kontakt zu den Geschäftsführern der kommunalen Landesverbände gesucht. Wichtig waren mir ferner ein kontinuierlicher Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts. Dabei muss das verfassungsrechtlich verbriefte Ressortprinzip oft als Vorwand dafür herhalten, sich gegen eine stärkere Zentralisierung zu wenden, obwohl die Vernunft dafür spricht, zentrale Kompetenzen aufzubauen und die immer knapper werdenden finanziellen und personellen Ressourcen (Fachkräftemangel) zentral zu bündeln. Die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts findet auf der Grundlage der neu geschaffenen sächsischen CIO-Struktur im Lenkungskreis Informationssicherheit und im zugehörigen Arbeitskreis statt. Und nicht zu vergessen: IT-Leistungen werden über Behördengrenzen hinweg erbracht – insbesondere durch den Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste (SID).

E-Akte als Paradebeispiel

Ein Paradebeispiel für ein intensives Zusammenwirken der Ressorts stellt die landesweite Einführung der elektronischen Verwaltungsakte dar, die sich mittlerweile auf gutem Weg befindet: Mit einem zentralen Kompetenz-Center und einer weitgehend zentralen Finanzierung wurden die Voraussetzungen geschaffen, um das seit Kurzem gesetzlich vorgegebene Ziel einer vollständigen elektronischen Akte bis 2018 und damit zwei Jahre früher als der Bund zu erreichen. Die elektronische Akte verfolgt dabei keinen Selbstzweck: Sie ist ein wichtiges Mittel für eine effizient arbeitende Verwaltung, die mit der Gewährung einer elektronischen Einsichtnahme in die Verwaltungsakten und mit der dann möglichen elektronischen Verfahrensstandabfrage zudem ausgesprochen bürgerfreundlich ist. Dabei spielt auch eine ganz wichtige Rolle, dass der Freistaat Sachsen bei der Akteneinführung einen etwas anderen Weg gegangen ist. Mit dem Projekt „elektronisches Kabinett“ wurde den Ministern und Staatssekretären bereits sehr früh das elektronische Instrumentarium zur Arbeit in dem höchsten Regierungsgremium in die Hand gegeben und damit gerade beim Führungspersonal psychologische Barrieren gegen die digitale Technik abgebaut. Umso selbstverständlicher wirkt die Konsequenz aus diesem Top-down-Ansatz, auch in den anderen Ebenen einer Verwaltung die Digitalisierung zu etablieren.

Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär a.D., war bis November 2014 Beauftragter des Freistaats Sachsen für Informationstechnologie.

Hier gelangen Sie zum zweiten Teil der Bilanz von Dr. Wilfried Bernhardt, Staatssekretär a.D. (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Januar-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Politik, Sachsen, Wilfried Bernhardt, IT-Planungsrat

Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation

Druckversion    PDF     Link mailen


 Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich Politik
Stuttgart: Fortsetzung des DigitalPakts gefordert
[20.9.2024] Gemeinsam mit acht weiteren Kommunen setzt sich die Stadt Stuttgart für eine Verlängerung des DigitalPakts Schule ein. Mit dem Ende der bisherigen Förderung Ende 2024 befürchten die Städte einen Rückschritt bei der Schuldigitalisierung. mehr...
Um die Digitalisierung der Schulen weiter voranzutreiben, fordert die Stadt Stuttgart jetzt vom Bund eine Verlängerung des DigitalPakts Schule.
Wiesbaden: Digitalisierungsmaßnahmen beschlossen
[18.9.2024] Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will die Stadt Wiesbaden die Digitalisierung der städtischen Dienstleistungen vorantreiben und gleichzeitig moderne Arbeitsumfelder für die Beschäftigten schaffen. mehr...
Deutscher Landkreistag: Achim Brötel ist neuer Präsident
[11.9.2024] Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat einen neuen Präsidenten gewählt: Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, tritt die Nachfolge von Reinhard Sager an, der das Amt zuvor zehn Jahre lang innehatte. mehr...
Landrat Achim Brötel ist neuer Präsident des Deutschen Landkreistages.
Essen: Charta Digitale Ethik verabschiedet
[4.9.2024] In ihrer Charta Digitale Ethik hat die Stadt Essen die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Stadtverwaltung festgelegt. Das soll insbesondere für einen ethisch verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz sorgen. mehr...
Charta Digitale Ethik setzt die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Technologien in der Essener Stadtverwaltung.
Ulm: Innovationsmotor gestartet Bericht
[23.8.2024] Um ihre Digitale Agenda mit kreativen Köpfen aus der Region umzusetzen, hat die Stadt Ulm den Innovationsmotor gestartet – einen Ideenwettbewerb insbesondere für junge Unternehmen. Runde eins hat der digitale Begleiter für Angsträume gewonnen. mehr...
Scheckübergabe an die Gewinner des Wettbewerbs um den Ulmer Lederhof.
Weitere FirmennewsAnzeige

SAP S/4HANA: Klare Sicht im Rechnungswesen
[10.9.2024] Die Bremer Stadtreinigung AöR arbeitet seit Anfang 2022 auf einem SAP S/4HANA-System und realisierte im Anschluss an dieses Migrations- projekt den Umstieg auf die elektronische Rechnungseingangsverarbeitung mit der xSuite. mehr...

SCCON vernetzt Politik, Verwaltung und Digitalwirtschaft: Drei Tage Fokus auf die Digitalisierung des öffentlichen Sektors auf der Smart Country Convention Berlin
[1.9.2024] Bürokratiebändiger, Digitalisierungsfans und Smart City Enthusiasten – sie alle kommen vom 15. – 17. Oktober 2024 auf der Smart Country Convention in Berlin zusammen. Ob Leitlinien für den Einsatz von KI in der Verwaltung, digitaler Zwilling in der Smart City oder personalisierte Verwaltung auf dem Smartphone – es gibt bereits heute zahlreiche innovative Lösungen für die Digitalisierung von Städten, Gemeinden und Behören. Spitzenvertreterinnen und -vertreter aus Verwaltung, Politik und Wissenschaft, Pioniere der Digitalwirtschaft, Hidden Champions und lokale Branchenköpfe zeigen auf der Smart Country Convention 2024, wie wir die Herausforderungen der Digitalisierung gemeinsam bewältigen können. mehr...

Dokumentenmanagement: Zukunftsweisende Rechnungsbearbeitung mit SAP
[21.8.2024] Rechnungen treffen in Unternehmen in allen Formaten und auf unterschiedlichen Wegen ein: im Papierformat, per E-Mail als PDF oder bereits als E-Rechnung im XML-Format. Letzteres Format ist im Public Sector schon gesetzt, im B2B wird es nun zum 1.1.2025 verpflichtend. Für die Rechnungsverarbeitung in SAP gibt es bereits erprobte Lösungen am Markt. Wichtig ist, dass diese auch mit der neuen Produktgeneration S/4HANA in ihren verschiedenen Ausprägungen funktionieren. mehr...
Suchen...

 Anzeige

Aboverwaltung


Abbonement kuendigen

Abbonement kuendigen
IT-Guide PlusCeyoniq Technology GmbH
33613 Bielefeld
Ceyoniq Technology GmbH
TEK-Service AG
79541 Lörrach-Haagen
TEK-Service AG
regisafe GmbH
71332 Waiblingen
regisafe GmbH
LORENZ Orga-Systeme GmbH
60489 Frankfurt am Main
LORENZ Orga-Systeme GmbH
co.Tec GmbH
83026 Rosenheim
co.Tec GmbH
Aktuelle Meldungen