Blockchain:
Vehikel für die Vernetzung


[8.11.2017] Die Blockchain-Technologie bietet für den Einsatz in der öffentlichen Verwaltung ein hohes Potenzial. So kann sie etwa als Basis einer nationalen Beglaubigungs- und Nachweisinfrastruktur die digitale Vernetzung von Kommunen erleichtern.

Mit der Blockchain Digitalisierung neu denken. Die Blockchain und ihre Potenziale sind für die neue Landesregierung Nordrhein-Westfalens zu einem wichtigen Arbeitsauftrag geworden. Laut Koalitionsvereinbarung will sie mit einem Pilotprojekt in der Verwaltung starten, um so die Sicherheit für kritische und sensible IT-Prozesse weiterzuentwickeln. Ein gutes Signal: Die in Wissenschaft, Wirtschaft und Medien geführte Diskussion über Blockchain und digitale Währungen hat nun auch die Politik erreicht. Das eröffnet die Chance, die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung neu zu denken und zu gestalten.
Die Potenziale der Blockchain liegen in der genialen Kombination von bereits seit Langem bekannten und bewährten Konzepten. Blockchain ist als Basis der digitalen Währung Bitcoin die bekannteste Ausprägung der neuen Distributed
Ledger Technology (DLT), was nichts anderes bedeutet als „verteilte Konten“. Elemente, die man in allen Lösungen findet, sind Peer-to-Peer-Netzwerklösungen, um die Kommunikation zwischen dezentralen Knoten sicherzustellen, Public- und Private-Key-Lösungen für die kryptografische Verschlüsselung und Authentifizierung sowie digitale Zeitstempel.

Potenzial für die öffentliche Verwaltung

Auf dieser Basis erfolgt die Kommunikation direkt zwischen den Beteiligten. Jedes Element im Netzwerk speichert die Daten, keine Partei übernimmt deren alleinige Kontrolle und Steuerung. Alle Beteiligten können alle Aufzeichnungen überprüfen und jedes Element ist eindeutig identifizierbar. Nutzer können wählen, ob sie anonym bleiben wollen und eine einmal in der Datenbank eingetragene Transaktion kann nicht mehr verändert werden. Sie ist mit jeder vorangegangenen Transaktion verknüpft und bildet eine Kette.
Das Government Office for Science hat mit dem Report „Distributed Ledger Technology beyond Blockchain“ das Thema Blockchain auf ein mögliches Potenzial für die öffentliche Verwaltung hin untersucht. Für die meisten staatlichen und kommunalen Anwendungen ist ein so genanntes Permissioned Ledger notwendig und möglich. Bei diesem Mechanismus muss der Transaktionsteilnehmer nachweisen, dass er über eine spezielle Berechtigung zur Teilnahme am zugangsbeschränkten (permissioned) System verfügt. Transaktionsteilnehmer können dann berechtigte staatliche oder öffentliche Stellen oder auch Stellen aus der Privatwirtschaft sein. Im Konzept der Private Blockchain für Government-Anwendungen kann eine Steuerung und Führung (Good Governance) der öffentlichen Stellen konzeptionell berücksichtigt werden. Die Vorteile der Technologie: Weniger zentrale Instanzen und Verwaltungsaufwand, höhere Sicherheit, ein robustes Gesamtsystem und letztlich mehr Transparenz.

Technologie für die Authentifizierung

Ein Blick auf die kommunalen Kernanwendungen wie Einwohnerverfahren, Standesamtsregister, Kfz-Verzeichnisse, Führerscheinverfahren und Gewerbeanmeldungen zeigt, dass all diese „kommunalen Wesen“ nichts anderes sind als referenzierte (eineindeutige) Konten. Diese Konten speichern Stammdaten zu Personen oder Institutionen und dokumentieren die im Zeitablauf auftretenden Veränderungen. Dabei ist es Aufgabe der meisten kommunalen Anwendungen, Rechte auf Rechteinhaber eindeutig, verlässlich und (fälschungs-)sicher zu übertragen sowie im Zeitablauf zu steuern. Dazu gehört etwa das Recht, einen Personalausweis zu führen, das Recht, ein Auto zu fahren, das Recht, ein Auto oder ein Grundstück zu besitzen, das Recht, eine Werbeanlage aufzustellen oder das Recht, verheiratet zu sein.
Die Blockchain-Knoten speichern also Bewegungsdaten, die Auskünfte über bestimmte Zustände zu einem bestimmten Zeitpunkt und über die durchgeführten Interaktionen oder Beteiligten geben. Um nun eine Transaktion durchzuführen, benötigt jeder Nutzer eine eindeutige Adresse. Beim Bankgeschäft ist dies die traditionelle Kontonummer. Für diese eindeutige Servicekonto-Zuordnung sind die rechtlichen Voraussetzungen eingeleitet, im Juni 2017 hat der Bundestag das nationale Nutzerkonto beschlossen. Ein einmal angelegtes und authentifiziertes Nutzerkonto ist einem Inhaber eineindeutig zugeordnet und steht in der Blockchain-Technologie für die Authentifizierung und Genehmigung von Transaktionen bereit, ähnlich dem Wallet-Konzept bei digitalen Währungen. Die Verbindung zwischen einem nationalen Nutzerkonto als eineindeutige Adresse und der Blockchain-Technologie kann die Grundlage sein, um im digitalen Geschäftsverkehr Transaktionen von Nutzer zu Nutzer durchzuführen und aufzuzeichnen – ganz ohne zentrale Stelle, die jede einzelne Transaktion legitimieren müsste.

Transaktionskosten reduzieren

Für viele Geschäftsprozesse zwischen Wirtschaft, Verwaltung und Bürgern braucht es beglaubigte Nachweise und Bescheinigungen wie Zeugnisse, Gewerberegisterauskünfte, Führerschein-, Grundstücks- oder Standesamtsnachweise. Verwaltungsrechtliche Nachweise von Unternehmen, Organisationen und Bürgern sind in der Regel in staatlichen oder öffentlichen Registern abgebildet und in Daten und Datenstrukturen hinterlegt. Da liegt die Idee nahe, eine nationale Beglaubigungs- und Nachweisinfrastruktur aufzubauen und so die Transaktionskosten zu reduzieren. Hierüber könnte ein Sender, der einen Nachweis liefern muss, dem Empfänger, für den der Nachweis im nächsten Prozessschritt benötigt wird, auf elektronischem Weg die zeitlich befristete Erlaubnis zur Prüfung erteilen, ob die entsprechenden Rechte auch vorliegen. Ebenso die Erlaubnis, die weiteren Daten zu übertragen, sofern erforderlich. Dabei wird jede Abfrage in der Blockchain registriert und protokolliert, um Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Sicherheit für Sender wie Empfänger herzustellen.
Das Besondere an einer solchen digitalen Beglaubigungs- und Nachweisinfrastruktur: Empfänger und Sender von Nachweisen über Rechte benötigen keine elektronische Schnittstelle zum jeweiligen Register. Der Nutzer weist mithilfe seines Nutzerkontos und einer entsprechenden App seine Identität nach und erlaubt dem Empfänger eine definierte Abfrage von Daten. So könnte einem Vermieter von Fahrzeugen beispielsweise die Überprüfung des aktuell vorliegenden Führerscheins elektronisch erlaubt werden. Hier wäre schon die Rückmeldung eines „ja“ oder „nein“ ausreichend. Neben der Reduzierung von Transaktionskosten könnte über eine Blockchain-Infrastruktur also auch die Datensparsamkeit vorangetrieben werden.

Kommunale Rechenzentren als Betreiber

Eine solche DLT-Infrastruktur könnte in Deutschland auf Basis des Netzwerks der kommunalen Rechenzentren – gegebenenfalls ergänzt um weitere öffentliche Rechenzentren – aufgebaut werden. Unternehmerisch böte sich hier die Genossenschaft der kommunalen Rechenzentren ProVitako als Betreiber an. Die Rahmenbedingungen sind hervorragend: Das nationale Nutzerkonto wird eingeführt, die Entwicklungen rund um den elektronischen Personalausweis gehen weiter, die Bundesrepublik verfügt über eine sehr gute Infrastruktur der kommunalen und öffentlichen Rechenzentren und die notwendigen Technologien liegen vor. Notwendig wäre nun eine öffentliche Initiative von Bund, Ländern und Kommunen, um diese Infrastruktur einzuführen. Die dafür erforderlichen Diskussionen haben begonnen – hier kann der Beschluss der Landesregierung in Düsseldorf wegweisend sein.

Dieter Rehfeld ist Vorsitzender der Geschäftsführung der regio iT gesellschaft für Informationstechnologie mbh, Aachen.

http://www.regioit.de
Dieser Beitrag ist in der November-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.  (Deep Link)

Stichwörter: Digitale Identität, regio iT, Blockchain

Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation

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