Digitalisierung:
Start-ups als Partner


[26.1.2018] Kommunen müssen die Digitalisierung ihrer Verwaltungen unbedingt vorantreiben. Partnerschaften mit Start-ups können dabei helfen. Doch dazu braucht es den offenen Zugang zu Daten, innovative Vergabeverfahren und eine digitale Willkommenskultur.

Start-ups bringen junge Ideen in die Behörden. Die Digitalisierung von Verwaltungsangeboten an der Schnittstelle zu Bürgern und Unternehmen wird eines der zentralen Themen der kommenden Legislaturperiode sein. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollen nutzerorientierte, medienbruchfreie, digitale Angebote entstehen, welche die Behördenarbeit entschlacken, Daten effektiv nutzen und den Kontakt sowie die Interaktion der Bürger und Unternehmen mit der Verwaltung vereinfachen. So weit so gut.
Digitale Verwaltungsangebote gibt es in Deutschland. Trotzdem ist ein großes Stück des Weges noch zu gehen, denn im europäischen Vergleich stehen wir in Bezug auf die Digitalisierung der öffentlichen Hand nicht gut da. Statt eines einheitlichen, ebenenübergreifenden digitalen Angebots der Verwaltung gibt es einen Flickenteppich unterschiedlicher Insellösungen. Dabei ist eine umfassende Digitalisierung der Verwaltung keinesfalls ein „Nice to have“, sondern die Basis für die digitale Zukunft unseres Landes.

Warten auf den Durchbruch

Das hat auch die Politik erkannt: CDU-Politiker Peter Altmaier beispielsweise versprach als Kanzleramtsminister auf einem Event der Zeitung Handelsblatt, Deutschland werde bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode im Jahre 2021 zur führenden E-Government-Nation in Europa aufsteigen. Er sei sogar bereit, zwölf Flaschen Grauburgunder darauf zu verwetten.
Da kann man nur hoffen, dass sein Weinkeller gut gefüllt ist, denn der Durchbruch in der Digitalisierung der deutschen Behörden lässt auf sich warten. Der Grund: Obwohl in vielen Behörden und Organisationen der öffentlichen Hand immer wieder spannende und neue E-Government-Angebote entstehen, gelangen diese Entwicklungen nur selten über die Grenzen der Kommunen hinaus.
Ein Lösungsbaustein für dieses Dilemma ist die Partnerschaft mit Start-ups. In Zusammenarbeit mit den neu gegründeten Wirtschaftsunternehmen können kommunale Verwaltungen Innovationen vorantreiben und moderne E-Government-Lösungen aus Expertenhand erhalten.
Start-ups können sich als gewinnbringende Digitalpartner der Verwaltung beweisen. Sie können beispielsweise den Schwerpunkt auf Datenanalysen mit modernen und innovativen Werkzeugen legen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten. Schließlich geben laut der Sonderausgabe der Studie „Mit Daten Werte schaffen 2017“, für die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG gemeinsam mit Bitcom Research mehr als 100 Entscheider aus dem Public Sector befragt hat, fast acht von zehn Verwaltungen an, dass Datenanalysen ein entscheidender Baustein für ihre Arbeit sind. Die Ergebnisse dieser Datenanalysen können zur Verbesserung der digitalen Behördenangebote genutzt werden.

Keine Scheu vor kreativen Ideen

Ein weiterer Vorteil kann im direkten Zuwachs an Know-how gesehen werden, das Start-ups in eine Partnerschaft mit den Behörden einbringen. Sie haben keine Scheu vor kreativen, unkonventionellen Ideen und sind nicht durch Strukturen großer Unternehmen eingeschränkt. Das erlaubt ein weitaus dynamischeres Vorgehen, als es innerhalb einer Behörde oder eines großen Unternehmens möglich wäre.
Start-ups sind Profis darin, ihre Ideen direkt in praktisch vermarktbare Produkte umzuwandeln. Denn eine gute Idee bringt nur dann wirklichen Fortschritt für das E-Government, wenn sie breitentauglich aufbereitet und mit anderen Verwaltungen geteilt werden kann. Dazu trägt auch bei, dass Start-ups von außen auf die Verwaltung blicken können. Dadurch ist es ihnen möglich, unvoreingenommener einzuschätzen, auf welchem Weg Neuerungen weitergegeben werden können.
Stärker entwickelt werden sollte die Kooperation von Start-ups und den gestandenen Dienstleistern der Behörden. Auch diese Partnerschaft ist von hohem Nutzen für die Verwaltung: Die etablierten Dienstleister können von den Start-ups die Kultur der Innovation lernen. Start-ups wiederum werden bei Vergabeverfahren unterstützt, indem die Dienstleister sie beispielsweise als Subauftragnehmer einbinden.

Fortschrittsfreundlichen Rahmen schaffen

Um diese lokalen Lösungen abzuschöpfen und für andere föderale Ebenen nutzbar zu machen, könnte ein deutschlandweiter Digitalisierungsinkubator geschaffen werden, so wie es der Normenkontrollrat mit der „Unabhängigen Organisation“ in seinem Gutachten aus dem Jahr 2016 vorgeschlagen hat. Eine derartige Einrichtung würde es ermöglichen, vermeintliche Insellösungen denjenigen Behörden und Organisationen zur Verfügung zu stellen, die vergleichbare Aufgaben haben.
Um das zu leisten, müssten im ersten Schritt etwaige Innovationen der Kommunen, der Länder und des Bundes durchleuchtet und auf ihre Breitentauglichkeit überprüft werden. Lautet das Ergebnis dieser Analyse, dass aus den Entwicklungen übertragbare Lösungen für andere Behörden und/oder andere föderale Ebenen werden könnten, würden sie im zweiten Schritt zu Produkten weiterentwickelt und damit für den breiten Markt anwendbar gemacht. Der Inkubator könnte dann auch zentral die Vermarktung dieser Digitalisierungslösungen unterstützen und koordinieren.
Damit die Partnerschaft mit Start-ups und die Schaffung etwaiger Digitalisierungsinkubatoren funktionieren kann, muss aber zunächst ein fortschrittsfreundlicher Rahmen für die Kooperation mit entsprechenden Erprobungsräumen entstehen. Ein möglicher Erprobungsraum ist die stärkere Zusammenarbeit im Bereich Open Data. Verwaltungen verfügen über große Datenmengen, in denen das Potenzial für großartige Innovationen schlummert. Werden diese Daten anonym, sicher und in maschinenlesbarer Form kontinuierlich zur Verfügung gestellt, haben Innovatoren die Möglichkeit, sie als Rohstoff für kreative Nutzungsansätze zu testen. Im August 2017 hat die Bundesregierung im Rahmen der Teilnahme Deutschlands an der Open Government Partnership (OGP) den ersten nationalen Aktionsplan (NAP) verabschiedet. Da gibt es viele Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Start-ups und den Verwaltungen.

Digitale Willkommenskultur

Die Kooperation mit den Kommunen sollte für Start-ups reibungsärmer gestaltet werden, als dies bislang der Fall ist. Das gilt vor allem für die Vergabeverfahren, die immer noch eine große Hürde für die neu gegründeten Wirtschaftsunternehmen darstellen. Zum einen sollten die neuen Verfahrensarten, wie die Innovationspartnerschaft, häufiger zur Anwendung kommen. Zum anderen sollten die Verwaltungen prüfen, ob Referenzen immer das entscheidende Eignungskriterium darstellen und nicht vielleicht auch ein überzeugender Prototyp die Eignung vergleichbar gut dokumentiert.
Es braucht also eine digitale Willkommenskultur für die Start-ups – zukunftsorientiert und auf Augenhöhe. Mit so einer neuen Art der Zusammenarbeit zwischen föderalen Ebenen und Start-ups können lokal ausgearbeitete Ideen zu deutschlandweiten Lösungen weiterentwickelt werden. Denn in Zukunft darf es nicht mehr darauf ankommen, wo Bürger wohnen oder wo Unternehmen ansässig sind. Verwaltungsleistungen müssen überall digital zugänglich sein – schnell, sicher und barrierefrei.

Mathias Oberndörfer ist Managing Partner und Bereichsvorstand Öffentlicher Sektor bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Die Studie „Mit Daten Werte schaffen 2017“ steht auf der KPMG-Website in der Rubrik Branchen/Öffentlicher Sektor zur Verfügung (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Januar-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.  (Deep Link)

Stichwörter: Panorama, Digitalisierung

Bildquelle: MEV Verlag

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