Social Media:
Annäherung an die Realität


[17.6.2019] Immer mehr Kommunen entdecken die Vorteile sozialer Medien für die Informationsverbreitung, die Imagepflege und den Bürgerdialog. Den Chancen der Social-Media-Nutzung stehen allerdings datenschutzrechtliche Bedenken und Risiken gegenüber.

Social Media im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Bürgerdialog. Seit März bietet die Gemeinde Muldestausee in Sachsen-Anhalt eine WhatsApp-Sprechstunde mit Bürgermeister Ferid Giebler an. Die Kommune hat 12.000 Einwohner in 13 Ortschaften, die der Bürgermeister regelmäßig zur Vorort-Sprechstunde aufsucht. Die zusätzliche Online-Sprechstunde dienstags zwischen 14 und 18 Uhr wird gut angenommen. Zwei bis drei Anliegen gibt es pro Termin. Darüber hinaus betreibt die Gemeinde eine Facebook-Seite mit mehr als 2.250 Abonnenten und postet dort alle amtlichen Informationen. Ferid Giebler besitzt in seiner Funktion als Bürgermeister zudem einen Facebook-Account unter eigenem Namen. Hier beschreibt und bewertet er Gemeindeereignisse aus persönlicher Sicht. Mit einem Instagram-Account spricht Giebler darüber hinaus junge Menschen an, die sich von Facebook nicht mehr repräsentiert fühlen. „Soziale Medien sind die Lebenswirklichkeit, in der wir alle leben“, sagt Giebler. „Man kann über Social Media in einen Dialog mit den Bürgern treten, und sie sind ein zusätzlicher Kommunikationskanal.“
Immer mehr Kommunen sind in den sozialen Medien präsent. Meistens stecken dahinter engagierte Verwaltungsmitarbeiter, die Social Media in ihren Kommunen vorantreiben oder ihre Vorgesetzten von der Funktion sozialer Medien überzeugen. So wie in Baden-Baden, wo Oberbürgermeisterin Margret Mergen alle 14 Tage eine einstündige Bürgersprechstunde per WhatsApp anbietet, nachdem sie von jüngeren Kollegen auf den damit einhergehenden Nutzen hingewiesen wurden.

Studie zur Nutzung von Social Media

Wie nutzen Kommunen Social Media? Schon im Jahr 2016 haben die Beratungsfirma Cassini, die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) und die Universität Kassel eine Studie unter diesem Titel herausgegeben. 64 Prozent der deutschen Kommunen waren zu der Zeit in den sozialen Medien präsent, vor allem in Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter – ein Viertel davon seit mehr als vier Jahren. Genutzt werden soziale Medien vor allem zur Informationsverbreitung, Imagepflege und für den Bürgerdialog. So wird über die Arbeit der Stadtverwaltung, über Veranstaltungen, die Arbeit von Beteiligungsprojekten, Aktivitäten von Vereinen und kommunalpolitische Themen berichtet. In größeren Kommunen sind die Social-Media-Auftritte meist den Pressestellen angeschlossen, in kleineren oft direkt dem Bürgermeisterbüro.
Wie erfolgreich solche Social-Media-Aktivitäten sind, hängt nicht zuletzt von der Ernsthaftigkeit ab, mit der sie betrieben werden. Und vor allem von der Reaktionszeit. Bei einer WhatsApp-Sprechstunde mit festen Zeiten dürfen die Bürger von der unmittelbaren Beantwortung ihrer Anliegen ausgehen. Bei einem Facebook-Beitrag ist eine längere Frist erlaubt. 65 Prozent der Kommunen geben an, innerhalb eines Tages zu antworten, knapp 25 Prozent sogar innerhalb einer Stunde (während der klassischen Öffnungszeiten). Kommunen, die Social Media gar nicht nutzen, nennen mehrheitlich mangelnde Ressourcen als Grund, gefolgt von ungeklärten Rechtsfragen etwa beim Datenschutz, mangelnder Kontrolle über die Inhalte sowie ungeklärten Sicherheitsfragen.

Richtlinie zur Nutzung von Social Media

Datenschutzbehörden haben sich bei der Social-Media-Nutzung durch öffentliche Stellen stets restriktiv gezeigt. Die meisten Kommunen hat das wenig berührt. Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink stellte 2017 ernüchtert eine „erschreckend geringe Resonanz“ fest. Mit einer Richtlinie zur Nutzung sozialer Medien durch öffentliche Stellen sollte eine Annäherung an die Realität unternommen werden. Die Richtlinie fordert von öffentlichen Stellen ein klares Nutzungskonzept. Zweck, Art und Umfang des Einsatzes sozialer Medien müssen darin beschrieben und die redaktionelle und technische Betreuung festgelegt werden. Außerdem müssen öffentliche Stellen das Telemediengesetz beachten und sowohl ein Impressum als auch eine eigene Datenschutzerklärung ausweisen. Insgesamt sind sie zur Datensparsamkeit angehalten und dazu, die fehlenden Widerspruchsmöglichkeiten der amerikanischen Plattformen durch aktive Aufklärung auszugleichen.
Kommunen realisieren dies oft in Form von Guidelines, mit denen sie auf die Regeln der von ihnen genutzten sozialen Medien aufmerksam machen und beispielsweise deren AGBs veröffentlichen oder verlinken. Auch die Netiquette – die Umgangsformen im digitalen Raum – wird in solchen Guidelines thematisiert und darauf hingewiesen, dass Chat-Verläufe und Sprachnachrichten protokolliert und unter Umständen strafrechtlich relevant werden können. Für kommunale WhatsApp-Gruppen ist eine Zustimmung zur Datenschutzerklärung notwendig. Dies wird häufig dadurch realisiert, dass ein Chat-Verlauf erst mit einem bestimmten Stichwort, beispielsweise „Anmeldung“, beginnt, welches auf der kommunalen Web-Seite unter den Guidelines genannt wird.
Persönliche Daten wie Telefonnummern und Namen behandeln die Kommunen vertraulich und löschen sie auf Wunsch wieder. Vielerorts wird für WhatsApp ein eigenes Smartphone nur für diesen Zweck genutzt, auf dem keinerlei Kontakte gespeichert sind. Denn die Geschäftsmodelle von Facebook, WhatsApp und Instagram sehen vor, Nutzerdaten und ganze Adressbücher auszulesen und für Werbezwecke auszuwerten. Dies allerdings untersagt die Europä­i­sche Datenschutz-Grundverordnung.

Mehr Chancen als Gefahren

Neustadt in Mittelhessen hat aus Datenschutzgründen seine Facebook-Aktivitäten eingestellt – auch aus Angst vor Abmahnungen. Da Facebook über seinen Statistikdienst Insights detaillierte Informationen über die Nutzer und deren Verwendung von Inhalten erhebt, haben die Neustädter zunächst die Kommentarfunktion auf ihrer Facebook-Seite abgestellt, damit nicht unfreiwillig Daten über die Bürger gespeichert werden können. Später gab man den Account dann ganz auf.
Einige Anwälte sprechen von einer Grauzone, auch die Datenschutzbeauftragten schließen sich nicht immer den Empfehlungen der Landesbehörden an. Die Kommunen sehen in der Nutzung sozialer Medien offenbar mehr Chancen als Gefahren. Neustadt konzentriert sich jetzt ganz auf WhatsApp.

Helmut Merschmann

LfDI BW: Richtlinie zur Nutzung von Sozialen Netzwerken durch öffentliche Stellen (Deep Link)
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juni 2019 von Kommune21 im Schwerpunkt Social Media erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Social Media, WhatsApp, Messenger, Datenschutz, Muldestausee, Neustadt, Facebook, Bürgerbeteiligung

Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation

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