Gesamtabschluss:
Optionen sorgfältig prüfen


[2.7.2019] Kommunen in Nordrhein-Westfalen können künftig wählen, ob sie einen Gesamtabschluss oder lediglich einen Beteiligungsbericht aufstellen. Sie sollten aber gut abwägen, ob sie von dieser Handlungsoption tatsächlich Gebrauch machen.

Vorteile und Aufwand gut abwägen. In Nordrhein-Westfalen sind am 1. Januar 2019 das zweite Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (2. NKFWG NRW) sowie das geänderte Gesetz zur Beschleunigung der Aufstellung kommunaler Gesamtabschlüsse in Kraft getreten. Im 2. NKFWG NRW ist unter anderem in dem neu in die Gemeindeordnung (GO) eingefügten § 116a eine Befreiung von der Aufstellung des Gesamtabschlusses geregelt.
Demzufolge kann eine Gemeinde unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 30. September des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres entscheiden, ob sie auf die Aufstellung des Gesamtabschlusses verzichtet. Erstmalig möglich ist das für den Gesamtabschluss zum 31. Dezember 2019. Sofern eine Gemeinde auf die Erstellung eines Gesamtabschlusses verzichtet, ist ein Beteiligungsbericht aufzustellen. Ausweislich der Gesetzesbegründung heißt das im Umkehrschluss: Wer einen Gesamtabschluss aufstellt, kann sich den Beteiligungsbericht künftig sparen.
Der Gesamtabschluss unterliegt der Prüfung und ist vom Rat zu bestätigen, der damit die Richtigkeit des vorgelegten Entwurfs feststellt; mit dem Beschluss wird der Entwurf des Gesamtabschlusses endgültig und verbindlich. Dieser Ablauf ist angemessen, weil es sich beim Gesamtabschluss um ein eigenständiges Zahlenwerk handelt, dem Bilanzierungs-, Bewertungs- und Konsolidierungsentscheidungen zugrunde liegen, deren Einklang wiederum mit den geltenden gesetzlichen Grundlagen sicherzustellen ist.

Beteiligungsbericht aufgewertet

Der Beteiligungsbericht wurde mit dem 2. NKFWG NRW dahingehend aufgewertet, dass Inhalte nun gesetzlich festgelegt sind. Demnach muss der Bericht zu sämtlichen verselbstständigten Aufgabenbereichen Informationen über die Beteiligungsverhältnisse und Jahresergebnisse, zum Stand der Verbindlichkeiten, zur Entwicklung des Eigenkapitals sowie eine Darstellung der wesentlichen Finanz- und Leistungsbeziehungen untereinander und mit der Gemeinde enthalten.
Bei diesen Informationen handelt es sich nicht um ein eigenständiges Zahlenwerk. Vielmehr sind die Daten aus den Jahresabschlüssen und weiteren Unterlagen der Beteiligungen zu übernehmen. Dass der Beteiligungsbericht nicht geprüft werden muss, wäre eine logische Schlussfolgerung. Skurril mutet allerdings die gesetzliche Formulierung an, wonach über den Beteiligungsbericht ein gesonderter Beschluss des Rats in öffentlicher Sitzung herbeizuführen ist. Um eine Feststellung oder Bestätigung soll es sich dabei aber nicht handeln – was einleuchtet, weil es sich ja um übernommene und nicht um neu erstellte und einer gesonderten Prüfung unterzogene Daten handelt. Man darf sich also fragen, welchen Inhalt der Beschluss dann haben soll.
Zu klären ist auch, was es konkret bedeutet, dass im Beteiligungsbericht sämtliche verselbstständigte Aufgabenbereiche zu beschreiben sind. Das Handelsgesetzbuch (HGB) enthält für den Begriff Beteiligung – im Zweifel Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die 20 Prozent des Nennkapitals dieser Gesellschaft überschreiten – oder für den Begriff assoziiertes Unternehmen – Vermutung, wenn ein Unternehmen mindestens 20 Prozent der Stimmrechte der Gesellschafter innehat – praktikable, wenn auch leicht voneinander abweichende Definitionen. Solche lassen sich in der Gemeindeordnung zu den verselbstständigten Aufgabenbereichen nicht finden.

Ersatzberichterstattung für den Gesamtabschluss

Es liegt allerdings nahe, den Umfang der Berichterstattung auf Grundlage der obigen Definition auf diejenigen Beteiligungen zu erstrecken, bei denen die Gemeinde mindestens 20 Prozent hält. Das steht auch im Einklang mit der gesetzlichen Formulierung, wonach für Gemeinden, die von der Aufstellung eines Gesamtabschlusses befreit sind, ein Beteiligungsbericht zu erstellen ist. Es handelt sich also um eine Art Ersatzberichterstattung für den Gesamtabschluss. Folglich ist es sachgerecht, die Berichterstattung auf diejenigen Beteiligungen zu erstrecken, die im Gesamtabschluss Gegenstand der gesonderten Betrachtung sind: Unternehmen, die zu konsolidieren sind (in der Regel Beteiligungen mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent) sowie solche, für die eine At-Equity-Bewertung vorzunehmen ist (in der Regel Beteiligungen mit einem Anteil von 20 bis 50 Prozent).
Die Berichterstattung im Beteiligungsbericht dürfte keine Schwierigkeiten bereiten. Eine Ausnahme bilden die wesentlichen Leistungsbeziehungen der Beteiligungen untereinander, insbesondere bei solchen, bei denen die Gemeinde keine Vormachtstellung hat. Nicht jedes Unternehmen ist dazu bereit, einem Minderheitsgesellschafter Informationen zu Leistungsbeziehungen zu anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Festzuhalten ist, dass der Aufwand zur Informationsbeschaffung beim Beteiligungsbericht wahrscheinlich deutlich höher ausfällt als bei der Aufstellung eines Gesamtabschlusses, da bei diesem Minderheitsbeteiligungen nicht zu konsolidieren sind und damit die Ermittlung der Leistungsbeziehungen in aller Regel nicht erforderlich ist. Dennoch dürfte der Beteiligungsbericht insgesamt weniger Arbeitsaufwand verursachen als der Gesamtabschluss. Für Gemeinden, bei denen ein möglichst geringer Arbeitsaufwand im Vordergrund steht, empfiehlt es sich also, den Ratsbeschluss zum Verzicht auf die Aufstellung des Gesamtabschlusses herbeizuführen.

Ein Hauch von Sozialismus

Die kommunale und aus der Kameralistik entstandene Rechnungslegung umweht immer noch ein Hauch von Sozialismus. Ein schlechtes Ergebnis interessiert nicht wirklich; Hauptsache der Plan ist erfüllt, schließlich ist von den Verlusten nicht der Einzelne direkt betroffen, da diese dank Stärkungspakt, Schutzschirm, Hessenkasse und ähnlicher Maßnahmen von der Allgemeinheit ausgeglichen werden. Das tut dem Interesse am Jahresabschluss, der die harten Fakten auf den Tisch legt, nicht gut. Gleiches gilt in verstärktem Maße für den kommunalen Gesamtabschluss. Mit diesem sollte einst der Überblick über die Gesamtlage der Gemeinde wiedergewonnen und ein interkommunaler Vergleich bei sehr unterschiedlichen kommunalen (Beteiligungs-)Strukturen ermöglicht werden. Hier ist insbesondere an Kennzahlen wie Eigenkapitalquote, Verschuldungsgrad oder Stand der liquiden Mittel (Ausschüttungspolitik) zu denken. Des Weiteren werden die wesentlichen Informationen aus den Tochterunternehmen im Gesamtlagebericht zusammengefasst.
Bei der Beurteilung der Handlungsmöglichkeiten ist auch zu berücksichtigen, dass die Aufstellung des Gesamtabschlusses der Kommune einen viel tieferen Einblick in die Tochterunternehmen ermöglicht als die Aufstellung eines Beteiligungsberichts. Schließlich sind innerkonzernliche Forderungen und Verbindlichkeiten, Aufwendungen und Erträge abzustimmen und an die Gemeinde zu melden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Aufstellung des Gesamtabschlusses zeitnah erfolgt – und daran hapert es häufig.
Ein Nutzen von Gesamtabschlüssen, die im Zweifel knapp drei Jahre nach dem Bilanzstichtag vorgelegt werden, ist nicht erkennbar. Anders sieht es aus, wenn der Gesamtabschluss tatsächlich zeitnah erstellt und zu Steuerungszwecken eingesetzt wird. Aus Sicht der Gemeinde ist daher gut zu überlegen, ob durch Ausübung der Verzichtsregelung des § 116a GO, soweit richtig angewendet, ein wichtiges Instrument der Beteiligungssteuerung aus der Hand gegeben wird.

Oliver Quost ist Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und Associate Partner bei Rödl & Partner.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Juli 2019 von Kommune21 im Schwerpunkt Gesamtabschluss erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Finanzwesen, Gesamtabschluss, Nordrhein-Westfalen, Beteiligungsbericht, Doppik

Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation

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