Personalwesen:
Arbeiten 4.0


[2.9.2019] Die Arbeitswelt ist zunehmenden Veränderungen unterworfen. Individualisierung, Wertewandel und demografische Entwicklung lauten die Megatrends, auf die sich die Kommunen einstellen müssen – unter anderem durch neue Technologien und flexible Arbeitsmodelle.

Digitale Transformation verändert Arbeitswelt grundlegend. Wie sieht das Arbeiten von morgen aus? Die Ansichten gehen hier weit auseinander und reichen von bedrohlichen Jobvernichtungsszenarien bis hin zu euphorischen Heilsversprechen. Richtig ist, dass die digitale Transformation die Arbeitswelt durch die intelligente Vernetzung von Menschen, Maschinen, Objekten sowie Informations- und Kommunikationssystemen grundlegend verändern wird.
Sofern wir dies wollen, sind wir heutzutage immer und überall miteinander verbunden. Vielen Berufsgruppen eröffnen sich dadurch neue Optionen, Arbeitsort und -zeit flexibel zu wählen. Als Gegenbewegung zu dieser neuen Work-Life-Dynamik gewinnen Achtsamkeit und bewusste Fokussierung an Bedeutung. Gleichzeitig prägen langfristige Entwicklungen die Arbeitswelt von morgen. Dazu gehört beispielsweise der Megatrend der Individualisierung. Viele sind es im Privatleben gewohnt, vom Turnschuh über das Auto bis hin zum Frühstücksmüsli alles individuell konfigurieren zu können. Diese Erwartung überträgt sich auf das Arbeitsleben: Arbeitsformen, -orte und -zeiten, Fortbildungen oder Karrierechancen sollen möglichst selbst bestimmt und nach den jeweiligen Vorstellungen gestaltet werden können. Das erfordert Raum für Eigenverantwortung und Wahlmöglichkeiten und stößt an die notwendigen Grenzen organisatorischer Rahmenregelungen und Standards, die effiziente Prozesse und Strukturen ermöglichen.

Grundsätzlicher Wertewandel

Ein weiterer Megatrend mit weitreichenden Folgen in der neuen Arbeitswelt ist der demografische Wandel, denn er verändert die Machtstrukturen des Arbeitsmarkts. Da die Zahl an Fach- und Nachwuchskräften kleiner wird, können Verwaltungen nicht mehr aus einer Fülle von Bewerbern auswählen, die in starker Konkurrenz zueinander stehen. Die Bewerber suchen vielmehr nach dem besten Arbeitgeber mit den besten Arbeitsbedingungen und interessantesten Aufgaben. Gleichzeitig gewinnt die Bindung der eigenen Fach- und Führungskräfte an Bedeutung, denn auch sie vergleichen angesichts zahlreicher Jobangebote oder sogar Abwerbeversuchen die Attraktivität ihrer eigenen mit der von benachbarten Kommunen oder anderen öffentlichen Arbeitgebern. Überdies erfordert die zunehmend älter werdende Belegschaft Konzepte und Maßnahmen zum lebenslangen Lernen, zur betrieblichen Gesundheitsprävention sowie zu der Frage, wie Jung und Alt erfolgreich zusammenarbeiten können. Insbesondere, wenn eine um die 30 Jahre alte Führungskraft ein Team Ü40 leitet.
In der Arbeitswelt 4.0 wollen sich zudem immer weniger Menschen damit begnügen, dass Arbeit ein Mittel zum Zweck und notwendiges Übel ist, um den Lebensunterhalt sicherzustellen. Es findet ein grundsätzlicher Wertewandel statt: In einer Gesellschaft, in der Grundbedürfnisse wie Nahrung, Bildung und Wohnen weitgehend befriedigt sind, werden Werte wie Glück, Zufriedenheit und Selbstentfaltung wichtig. So soll Arbeit nicht nur Lohnerwerb sein, sondern einen Sinn haben und Freude bereiten. Berufliches Engagement sowie die Akzeptanz von Leistungsanforderungen und Pflichterfüllung hängen zunehmend davon ab, wie die Arbeit gestaltet wird oder selbst gestaltet werden kann.

Gestaltungsfelder für Kommunen

Das Arbeiten von morgen wird also anders sein als heute. Die Veränderungen betreffen dabei nicht nur das Was der Arbeit, sondern noch viel grundlegender das Wie. Werte, Verhaltensweisen und Mindsets befinden sich mindestens so sehr im Wandel wie Prozesse, Strukturen und Arbeitsinhalte. Daraus lassen sich relevante Gestaltungsfelder für Kommunen ableiten. Treffen alte und neue Arbeitswelt aufeinander, hat sich beispielsweise das Prinzip der Beidhändigkeit (Ambidextrie) etabliert. Damit ist gemeint, dass Organisationen gleichermaßen Stabilität und Effizienz auf der einen sowie Unsicherheit und Innovationen auf der anderen Seite managen können. Blicken Kommunen in die Zukunft und fragen sich, wie sie neben ihrem erfolgreichen Kerngeschäft an innovativen Dienstleistungen arbeiten können, dann agieren sie beidhändig. Organisatorisch braucht es zwei Betriebssysteme, ein klassisch-hierarchisches sowie ein agil-flexibles, die beide institutionell miteinander verknüpft sind und im Austausch stehen.
Die digitale Transformation ist zudem Chefsache und kein isolierter Prozess. Sie rüttelt an den Grundwerten einer Organisation und fordert von Führungskräften in besonderem Maße, dem Wandel durch sinnvolle Ziele und Leitplanken eine Richtung zu geben, ihn zu begleiten, durch transparente Informationen zu erklären sowie Entscheidungsprozesse nachhaltig in die betroffenen Bereiche zu verlagern, indem Verantwortung delegiert und Eigeninitiative gefördert wird. Dazu gehört auch, Fachkräfte auf Abstand führen zu können (mobile Arbeit, virtuelle Teams), was eine Abkehr von der Präsenzkultur hin zu einer Vertrauenskultur und Ergebnisorientierung bedeutet.

Digitale Technologien halten Einzug

Darüber hinaus werden Arbeitstätigkeiten künftig zunehmend von digitalen Technologien unterstützt. So kann etwa die Robotik, also der Einsatz von Exoskeletten, körperliche Belastungen reduzieren – dies ist beispielsweise in der Abfallwirtschaft, der Grünpflege oder bei der Feuerwehr relevant. Zur Inspektion von Kanalsystemen oder Kabelschächten können so genannte Roboterratten zum Einsatz kommen. Der 3D-Druck gewinnt für die Fertigung von Gebäude- und Stadtmodellen sowie im Bauwesen an Bedeutung. Künstliche Intelligenz (KI) wiederum wird zur Steuerung von Ampelanlagen oder der Straßenbeleuchtung genutzt. Auch Chatbots, Sprachbiometrie oder das Dokumenten-Management basieren zunehmend auf KI. Digitale Stadtrundgänge, virtuelle Schaufenster oder Marktplätze schließlich lassen sich mithilfe von Augmented oder Virtual Reality gestalten. Diese Technologien finden zur Lernunterstützung auch Eingang in die Bereiche Bildung und Qualifizierung.
Zu den zeitgemäßen Konzepten, die Kommunen ausprobieren sollten, um der Arbeitswelt der Zukunft gerecht zu werden, gehören ein ortsungebundenes, mobiles Arbeiten sowie neue Arbeitszeitmodelle wie Jobsharing. Bei Neu- oder Umbauten von Verwaltungsgebäuden liegt der Fokus auf attraktiven Umgebungen, die den Beschäftigten vielfältige Arbeitsmöglichkeiten bieten.

Personalentwicklung 4.0

Die Digitalisierung wird auch Job- und Stellenprofile verändern. Das führt in der Folge dazu, dass sich die Anforderungs- und Kompetenzprofile ebenfalls wandeln. Arbeiten 4.0 braucht demzufolge eine Personalentwicklung 4.0, die räumlich, zeitlich und inhaltlich flexibel ist, zum Beispiel durch Blended Learning, auf eine individuelle Förderung von Fach- und Führungskräften setzt und kontinuierlich dazu beiträgt, sich auf wandelnde Anforderungsprofile vorzubereiten. Gleichzeitig behalten analoge Face-to-Face-Formate ihren Wert, etwa Team-Fortbildungen oder Führungszirkel – denn Vertrauen kann nur im persönlichen Kontakt wachsen, und die Vernetzung über Bereichsgrenzen hinweg fällt leichter, wenn man sich persönlich kennt.
Ist das kommunale Personal-Management in der Lage, Entwicklungen und Trends wie die zunehmende Individualisierung, den Wertewandel und die demografische Entwicklung zu erkennen und dieses Wissen mit Lösungsoptionen in die Personalstrategie einzubringen, dann leistet es einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Verwaltung und zur Gestaltung der Arbeitswelt 4.0.

Ines Hansen ist Programmbereichsleiterin Personalmanagement bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).

https://www.kgst.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September 2019 von Kommune21 im Schwerpunkt Personalwesen erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.  (Deep Link)

Stichwörter: Personalwesen, Arbeiten 4.0

Bildquelle: denisismagilov/stock.adobe.com

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