[5.10.2009] Auf dem Weg zum Konzern Kommune spielt der Gesamtabschluss die entscheidende Rolle. Durch die Einbeziehung ausgelagerter Einheiten vermittelt er ein umfassendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Stadt. Ein Modellprojekt in Nordrhein-Westfalen zeigt: Die Aufgabe ist zwar anspruchsvoll, kann aber bewältigt werden.
Gibt es das: Umfassende Umwälzungen im öffentlichen Dienst? Bernd Saxe, Bürgermeister der Hansestadt Lübeck, jedenfalls vertritt diese Auffassung. Auf einer Podiumsdiskussion sagte Saxe kürzlich: „Die Einführung der Doppik in den Kommunen ist eine Revolution.“ Zweifellos verursacht die Einführung der doppelten Buchführung in Konten große Veränderungen in den Kommunalverwaltungen, denn dabei geht es um mehr als einen Wechsel des Buchungsstils. Das neue Rechnungswesen soll dazu beitragen, dass finanzielle Belastungen nicht permanent auf nachfolgende Generationen verschoben werden. Es geht also um nicht weniger als eine gerechtere Lastenverteilung.
Drei Doppik-Herausforderungen
Bei der Umstellung auf das doppische Rechnungswesen sind drei große Herausforderungen zu bewältigen. Die Stichworte lauten: Eröffnungsbilanz, Jahresabschluss und Gesamtabschluss. Auf dem Weg zum Konzern Kommune spielt der Gesamtabschluss die entscheidende Rolle. Denn der Jahresabschluss vermittelt kein umfassendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einer Stadt. Dieses Manko kann durch die Aufstellung des Gesamtabschlusses ausgeglichen werden.
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Aufgabengebiete aus der Kernverwaltung ausgegliedert und in privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Regie überführt oder ganz verselbstständigt. Der Grund für die Welle der Ausgliederungen lag nicht zuletzt darin, dass die Betriebe ihre Buchhaltung nach kaufmännischen Grundsätzen führen konnten. Der kommunale Gesamtabschluss bietet nun die Gelegenheit, die Einzelteile wieder zusammenzuführen. Im Sinne einer konsolidierten Konzernbilanz werden die ausgegliederten Betriebe und Einrichtungen sowie Beteiligungen an privaten Unternehmen berücksichtigt. Dadurch entsteht ein kompletter Überblick, wie hoch das Vermögen und die Schulden der Kommune sind und wie es um die Finanz- und Ertragslage bestellt ist.
Anspruchsvolles Projekt
Allerdings: Die Aufstellung eines Gesamtabschlusses ist ein anspruchsvolles Projekt. Experten wie Klaus Schröder vom Nürnberger IT-Dienstleister DATEV mahnen, dass der Gesamtabschluss über die schlichte Addition der einzelnen Bilanzen von Kernverwaltung und Tochterorganisationen weit hinausgeht. In einem Beitrag für Kommune21 schreibt der Leiter des Geschäftsfelds DATEVkommunal, der Aufwand variiere je nach Art und Umfang der Beteiligungsverhältnisse. Finanzielle Verflechtungen und Leistungsbeziehungen, die zwischen den Beteiligten bestehen, müssten nach bestimmten, dem Handelsgesetzbuch entlehnten Methoden gegeneinander aufgerechnet werden. Diesem Konsolidierungsprozess sei eine Vielzahl von vorbereitenden Arbeitsschritten vorgelagert. Zunächst müsse der Konsolidierungskreis abgegrenzt werden. Anschließend gelte es, die Einzelabschlüsse der Tochterorganisationen an die gemeindlichen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze anzupassen. Wichtig sei zudem, die betroffenen Tochterorganisationen frühzeitig in den Aufstellungsprozess einzubinden. Um Praxiserfahrungen mit dem kommunalen Gesamtabschluss zu gewinnen, hat die DATEV kürzlich ein Pilotprojekt gestartet. Daran beteiligen sich in der ersten Phase Städte und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen und Hessen.
Modellprojekt Gesamtabschluss in NRW
Alle Kommunen, die auf die Doppik umstellen, müssen sich früher oder später mit dem Thema kommunaler Gesamtabschluss befassen. Das neue Haushaltsrecht schreibt diesen generell vor. Erforderlich sind demnach eine konsolidierte Ergebnisrechnung, eine konsolidierte Bilanz, eine Kapitalflussrechnung, eine Eigenkapitalübersicht sowie ein Konsolidierungsbericht. In Nordrhein-Westfalen, Vorreiter bei der Einführung des neuen kommunalen Rechnungswesens, ist der konsolidierte Abschluss bereits vom 31. Dezember 2010 an vorgeschrieben.
Das Innenministerium des Landes hat deshalb bereits im Jahr 2007 ein Modellprojekt zum Gesamtabschluss gestartet. Als Pilotkommunen waren die Städte Dortmund, Düsseldorf, Essen, Lippstadt und Solingen sowie der Kreis Unna beteiligt. Fachlich begleitet wurde das Projekt von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PricewaterhouseCoopers und IVC Public Services. Auch die Gemeindeprüfungsanstalt NRW war eng eingebunden. Ermutigendes Ergebnis des Modellprojektes: Die Aufstellung des kommunalen Gesamtabschlusses ist eine durchaus zu bewältigende Aufgabe.
Veringerter Aufwand
In dem nordrhein-westfälischen Modellprojekt ging es vor allem um die Frage, wie sich der Aufwand zur Aufstellung des Gesamtabschlusses verringern lässt, ohne gesetzliche Vorgaben zu missachten. Tatsächlich konnten zahlreiche Vereinfachungen gefunden werden. In einem Beitrag für Kommune21 schreibt Edgar Quasdorff, Ministerialrat im Innenministerium Nordrhein-Westfalen und Projektleiter des Modellprojekts NKF-Gesamtabschluss: „Der Aufwand für die Aufstellung des Gesamtabschlusses kann bei konsequentem Vorgehen erheblich reduziert werden. Bei bestimmten Fallgestaltungen ist der Abschluss sogar entbehrlich.“ Dass für den kommunalen Gesamtabschluss zahlreiche Vereinfachungen und Erleichterungen identifiziert werden konnten, ohne gegen die geltenden Regeln zu verstoßen, liege an den rechtlichen und strukturellen Besonderheiten des Konzerns Kommune. Anders als bei vielen privatwirtschaftlichen Konzernen könnten zahlreiche Sachverhalte nicht schon im Vorfeld durch eine Konzernrichtlinie vereinheitlicht werden, sondern müssten nachträglich für Zwecke der Konsolidierung bestimmte Anpassungen durchlaufen. Nach dem „Rechnungslegungsgrundsatz der Wesentlichkeit“ könnten sogar kleinere Anpassungen entfallen, wenn sie für das Gesamtbild der Finanzlage erkennbar nicht von Bedeutung seien. Die Vereinfachungen seien zudem regelkonform. Eine Änderung des Haushaltsrechts in Nordrhein-Westfalen sei nicht nötig. Quasdorff warnt allerdings auch, dass insbesondere kleinere Kommunen die Aufgabe nicht unterschätzen und rechtzeitig ausreichende Ressourcen bereitstellen sollten.
Die Hansestadt Lübeck hat sich übrigens bei der Einführung der Doppik für die Finanz-Software des ortsansässigen Unternehmens MACH entschieden. Dies soll wohl die Revolutionswirren dämpfen. Bürgermeister Bernd Saxe sagte: „Ich sehe erhebliche Vorteile für Implementierung, Schulung und Betreuung darin, dass unser Finanz-Software-Haus quasi um die Ecke sitzt."
(al)
http://www.nkf-gesamtabschluss.de
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