REPORT:
NRW vernetzt Verwaltungen


[9.11.2009] Interkommunale Kooperationen können Städten, Gemeinden und Kreisen helfen, künftige Herausforderungen zu meistern. Wie dies in der Praxis aussieht und welche Hürden dabei zu überwinden sind, zeigt der Modellversuch Vernetzte Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, bei dem neue Organisations- und Arbeitsformen auf Grundlage von moderner IT getestet werden.

Kommunen in NRW erproben neue Formen der interkommunalen Zusammenarbeit. Aus einer Zwickmühle werden sich die Kommunen so schnell nicht befreien können: Sie müssen Kosten sparen und zugleich neue Herausforderungen bewältigen. Und diese Situation dürfte sich aufgrund der knapper werdenden Budgets in den kommenden Jahren eher noch verschärfen. Ein Ausweg liegt in der Zusammenarbeit mit anderen Städten, Gemeinden und Kreisen. Doch was sich so einfach anhört, ist in der Praxis mit etlichen Stolpersteinen verbunden. Der Faktor Mensch beispielsweise darf nicht unterschätzt werden, ebenso sind rechtliche und technische Aspekte zu berücksichtigen.

Blaupause für andere Kommunen

Wie kommunale Dienstleistungen bei mindestens gleicher Qualität kostengünstiger angeboten werden können, erproben 13 nordrhein-westfälische Kommunen im Rahmen des vom Land geförderten Modellvorhabens Vernetzte Verwaltung. Vier Projekte waren nach einem Interessenbekundungsverfahren ausgewählt worden. Sie befassen sich mit Personalverwaltung, Finanz-Management, digitaler Postbearbeitung und verbesserter Wirtschaftlichkeit des kommunalen Leistungsangebots. Erprobt werden sollen Konzepte für die interne Vernetzung sowie im Bereich Bürgerservices. Zudem soll ermittelt werden, auf welche Weise E-Government einen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten kann. Das teilt das Unternehmen d-NRW mit, an dem neben dem Land auch eine Reihe von Kommunen beteiligt ist und welches das Gesamtvorhaben begleitet. Weiterhin ist beabsichtigt, technische und semantische Standards zu entwickeln und rechtliche Regelungen für die vernetzten Strukturen zu definieren – schließlich sollen die Ergebnisse auf andere Kommunen übertragen werden können. Der Startschuss für das Modellprojekt fiel im Sommer 2008. Angelegt ist es auf zwei Jahre. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Servicestelle Personal

Im Kreis Warendorf soll im Rahmen des Modellvorhabens durch die Zusammenarbeit zwischen Kreisverwaltung und den kreisangehörigen Kommunen Everswinkel, Sendenhorst und Ostbevern die Qualität im Personalwesen gesteigert werden. Personalhoheit und erste Ansprechpartner bleiben bei den Verwaltungen, während eine Servicestelle im Hintergrund zentrale Aufgaben für über 1.400 Mitarbeiter erfüllt. Zu den Leistungen der Startphase gehört vor allem das Massengeschäft wie Gehaltsabrechnungen, sozialversicherungsrechtliche Angelegenheiten und Kindergeld sowie die Unterstützung bei Bewerbungs- und Einstellungsverfahren und im Bereich der Ausbildung. „Wir setzen darauf, dass die Servicestelle die Qualität unserer Dienstleistungen und die Rechtssicherheit von Entscheidungen im Personalbereich erhöht und längerfristig auch die Kosten für die Verwaltung reduziert“, sagt der Projektverantwortliche Stefan Funke, Kreiskämmerer und Personaldezernent des Kreises Warendorf.
Die Servicestelle Personal hat nach zwölfmonatiger Aufbauphase am 1. September dieses Jahres den Produktivbetrieb aufgenommen (wir berichteten). Nach den ersten Wochen Echtbetrieb freut sich die Kreisverwaltung über eine positive Resonanz der Beteiligten. Landrat Olaf Gericke und der Projektverantwortliche Stefan Funke sehen in der Servicestelle einen Meilenstein bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Es handle sich um eine Kooperation, bei der sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen. Durch die gründliche Vorbereitung seien Kinderkrankheiten oder andere Probleme beim Startschuss des Echtbetriebes ausgeblieben. Funke ergänzt: „Die Servicestelle Personal ist gut gestartet. Die Gehälter wurden fehlerfrei berechnet und reibungslos ausgezahlt. Die Kollegen haben die ersten Anfragen zu den verschiedensten Themen offensichtlich kompetent beantwortet; kritische Meldungen der Mitarbeiter gab es nicht. Jetzt wollen wir weitere Verwaltungen hinzugewinnen und in einigen Monaten auch zusätzliche Aufgaben übernehmen.“

Digitale Postbearbeitung

Bei dem Teilprojekt, das sich dem Aufbau eines Shared Service Centers zur Digitalisierung der Posteingänge und zur Bündelung des Druck- und Versand-Outputs widmet, kann an Vorarbeiten angeknüpft werden, die vom Kreis Soest und dem Märkischen Kreis gemeinsam mit der Firma b.i.t.consult und zum Teil mit Begleitung der KGSt durchgeführt worden waren. Eva Irrgang, Landrätin des Kreises Soest: „Aus unserer Sicht stellt die Teilnahme an dem Projekt Vernetzte Verwaltung eine sehr gute Gelegenheit dar, die Kreisverwaltung auch in technologischer Hinsicht auf die zukünftig zu lösenden Aufgaben vorzubereiten.“ Neben dem Kreis Soest in der Rolle des Projekt-Konsortialführers sind von kommunaler Seite die dem Kreis angehörigen Städte Soest und Lippstadt sowie der Märkische Kreis beteiligt. Für die Projektdurchführung wurde eine interkommunale Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Kommunen gebildet. Die Aufgaben der Projektgruppe bestehen laut Holger Schubert von der Abteilung Zentrale Dienste beim Kreis Soest in der Durchführung der lokalen Ist-Analysen und der Mitarbeit an der gemeinsamen Entwicklung und internen Abstimmung der fachlichen, organisatorischen und technologischen Voraussetzungen sowie der Standards für den Shared Service. Als IT-Dienstleister begleitet die KDVZ Citkomm das Projekt durch die Entwicklung bestimmter allgemeiner Servicekomponenten, die lokale Einführung der E-Government-Basiskomponenten DMS und Vorgangsbearbeitung sowie die Integration von Fachverfahren in die Basiskomponenten.
Mittelfristig sollen unter anderem die Voraussetzungen für eine medienbruchfreie elektronische Vorgangsbearbeitung und Aktenführung in allen Kernprozessen geschaffen werden. Außerdem sollen der Bearbeitungsaufwand für Papierschriftgut deutlich reduziert und Skaleneffekte erzielt werden durch Prozessautomation und Bündelung der Posteingangs- und -ausgangsbearbeitung in einer Hand. Darüber hinaus wird angestrebt, durch standardisierte Konzepte, Services und IT-Komponenten die Entwicklungskosten zu reduzieren und den Roll-out für alle Kommunen zu beschleunigen. Schließlich soll der Shared Service in zwei ausgewählten Kernprozessen pilotiert und evaluiert werden: bei der Bearbeitung von Eingangsrechnungen sowie von Verkehrsordnungswidrigkeiten in Kreisen und Gemeinden.

Interkommunales Finanzcenter

Hintergrund des Projektes Interkommunales Finanzcenter Baumberge der Gemeinden Nottuln und Havixbeck ist die Tatsache, dass durch die Einführung des Neuen Kommunalen Finanz-Managements (NKF) hohes Fachwissen und eine regelmäßige Aufstockung des Personalbestandes zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung erforderlich sind. So fasst es Doris Block, Fachbereichsleiterin bei der Gemeinde Nottuln, zusammen. Durch das in Nottuln angesiedelte Finanzzentrum soll nun Expertenwissen gebündelt und zugleich eine Personalaufstockung bei der Gemeinde Havixbeck vermieden werden. Geschäftsbereich ist die Finanzbuchhaltung. Darüber hinaus erfolgt in dem neugegründeten Zentrum die fachliche Beratung in NKF-Fragen sowie die Zusammenstellung der Unterlagen und Abschlussbuchungen für die Jahresabschlüsse.
Seit rund neun Monaten ist das Finanzzentrum inzwischen in Betrieb. Laut Fachbereichsleiterin Block wurden alle Geschäftsvorfälle sowie die Ein- und Auszahlungen von Beginn an zeitnah verbucht. Als nächster Schritt sollen die Buchungsbelege in digitaler Form an das Finanzzentrum geleitet werden. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem kommunalen IT-Dienstleister citeq. Mit der Realisierung des digitalen Belegflusses könne offensiv um Kommunen geworben werden, die nicht in unmittelbarer Nähe des Finanzzentrums liegen, so Block.
Die Zwischenbilanz der Fachbereichsleiterin fällt positiv aus: Die interkommunale Zusammenarbeit funktioniere. Das anfängliche Denken in „Nottuln“ und „Havixbeck“ verschwinde immer mehr, die Aufgabenerfüllung für beide Kommunen stehe im Mittelpunkt. Die Mitarbeiter der Verwaltungen hätten sich an die zentrale Einrichtung gewöhnt. Ein wesentlicher Gesichtspunkt für den Erfolg des Projektes. Wurden doch die menschlichen Hürden fünf Monate nach Projektstart als die schwierigsten eingeschätzt, zumal es bei fast allen Beteiligten zu Veränderungen im bisherigen Aufgabenfeld kam und langjährige Mitarbeiter der Gemeinde Havixbeck einen neuen Dienstort akzeptieren mussten.

Vernetzte Verwaltung in Nordlippe

Dass interkommunale Kooperationen nicht bei allen Beschäftigten auf Gegenliebe stoßen, sondern auch Ängste, Sorgen und Verunsicherungen hervorrufen, diese Erfahrung haben auch die vier Projektpartner in der Region Nordlippe gemacht. Im Entwurf des Ergebnisberichts vom Juli dieses Jahres heißt es: Um Ängste und daraus resultierende Widerstände erst gar nicht aufkommen zu lassen sowie den Sachverstand der Mitarbeiter zur schnellen Umsetzung der Ergebnisse zu nutzen, bedarf es gegenüber den Betroffenen einer offenen Informationspolitik mit gläsernen Taschen.
Die interkommunale Zusammenarbeit wird in Nordlippe seit Jahren intensiv gepflegt. Hans Hoppenberg, Bürgermeister der Gemeinde Extertal, sagt gegenüber Kommune21: „Wir vier Bürgermeister sind uns einig, dass wir auf Dauer allein nicht überlebensfähig sind. Die Vision einer Gemeinde Nordlippe ist zwar in absehbarer Zeit nicht umsetzbar, gleichwohl gilt es, alle kommunalen Aufgaben auf den Prüfstand zu stellen, die wir gemeinsam wirtschaftlicher, aber auch bürgerfreundlicher organisieren können.“ Die Projekte im Rahmen des Modellvorhabens Vernetzte Verwaltung seien wichtige Bausteine dieser Bemühungen. Was die praktische Umsetzung anbelangt, gibt sich Hoppenberg keinen Illusionen hin. Hier werde es organisatorische und möglicherweise personelle Probleme geben. Er ergänzt: „Wir sind uns jedoch einig, diesen Weg konsequent weiter zu gehen.“
War der Fokus der Zusammenarbeit der Stadt Barntrup sowie der Gemeinden Dörentrup, Extertal und Kalletal bislang auf die Bereiche Bürgergesellschaft, Tourismus, Demografie und Landwirtschaft beschränkt, soll nun die Wirtschaftlichkeit des kommunalen Serviceangebotes insgesamt durch neue Organisationsformen der Leistungserbringung verbessert werden. Für die drei Einzelprojekte Gebäude-Management, Bürgerbüro und Gemeindesteuer ist eine Laufzeit von 21 Monaten vorgesehen. Im Herbst 2008 wurde die Unternehmensberatung Deckert Management Consultants mit der Durchführung des Projekts beauftragt. Beteiligt ist darüber hinaus das Kommunale Rechenzentrum Minden/Ravensberg-Lippe (KRZ). Als Organisationsform soll für alle drei Projekte eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung gewählt werden, da dabei der geringste organisatorische Veränderungsbedarf bei vollem Funktionsumfang besteht.
In dem noch einzurichtenden Gebäude-Management-Center soll das Gebäude-Management mit zentraler Gebäudeverwaltung und dezentraler Gebäudebewirtschaftung unter eine Leitung gestellt werden. Für das vernetzte Bürgerbüro sollen das Leistungsspektrum sowie die unterstützende IT vereinheitlicht werden. Die Gemeindesteuerbearbeitung soll in Form eines virtuellen Service-Centers erfolgen. Als künftige Schritte wurden für das Gebäude-Management die Entwicklung hin zum Competence Center, für das Bürgerbüro eine Erweiterung des Leistungskataloges und für die Gemeindesteuer die Ausdehnung des Handlungsfeldes identifiziert.

Zwischenbilanz gezogen

Die Projekte im Rahmen des Modellvorhabens Vernetzte Verwaltung sind aufwändiger als andere Projekte, heißt es im Entwurf des Ergebnisberichts der Region Nordlippe. Als Gründe werden neben der Vielzahl der Beteiligten juristische Komponenten sowie politische Einflüsse angeführt. Diese Erfahrung dürfte sich nicht auf die Region Nordlippe beschränken. d-NRW hat für Kommune21 aus dem bisherigen Verlauf des Gesamtprojektes mehrere Erkenntnisse abgeleitet. Neben dem bereits erwähnten Change Management und einer offenen Informationspolitik sind Prozess-Management und -optimierung wichtige Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit. Zudem gilt es, die rechtlichen Gestaltungsspielräume intensiv zu nutzen. Ein besonderes Augenmerk muss auch auf der Gewährleistung von Datenschutz und -sicherheit liegen, schließlich gehen mit der Auflösung bisheriger Zuständigkeiten andere Formen der elektronischen Datenhaltung und des Datenzugriffs einher. Außerdem besteht für die beteiligten Kommunen ein regelmäßiger und intensiver Abstimmungsbedarf. Darüber hinaus erfordert die Zusammenarbeit die Anpassungsbereitschaft der Mitwirkenden. Das Erfordernis eindeutiger Regelungen hinsichtlich Zuständigkeit und Verantwortung setzt bei einzelnen Partnern voraus, dass ein Wille zur Übertragung von Kompetenzen gegeben ist. Und schließlich muss eine Veränderungsbereitschaft bestehen, die von der Verwaltung und den politischen Gremien mitgetragen wird. Denn nur dann ist es möglich, Stolpersteine aus dem Weg zu räumen und Mitarbeiter für die Projekte zu begeistern. (rt)


Stichwörter: Nordrhein-Westfalen, Vernetzte Verwaltung, Kreis Warendorf, Kreis Soest, Region Nordlippe, Nottuln, Havixbeck



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