KasselVom Experiment zur Strategie

Das Social-Media-Team der Stadt Kassel dreht ein Reel auf der Rathaustreppe.
(Bildquelle: Stadt Kassel)
Es war einmal eine Zeit, in der städtische Kommunikation vor allem über Amtsblätter, Pressemitteilungen und Plakate lief. Doch dann kam Social Media – und plötzlich sollte die Stadtverwaltung nicht nur informieren, sondern auch inspirieren, unterhalten und im besten Fall viral gehen. Heute sind Kanäle wie Facebook, Instagram oder YouTube aus dem Kommunikationsalltag der Stadt Kassel nicht mehr wegzudenken. Doch wie hat alles angefangen? Und welche Rolle spielen Plattformen wie TikTok in der täglichen Arbeit?
Die Stadt Kassel ist seit dem Jahr 2010 in den sozialen Medien aktiv. Damals war Facebook der erste Kanal, den die Stadtverwaltung bespielte. Die Idee war simpel: Bürgerinnen und Bürger dort erreichen, wo sie ohnehin schon aktiv sind. Doch die ersten Schritte waren alles andere als einfach. Es gab viele Fragen, die geklärt werden mussten: Welche Inhalte sollen gepostet werden? Was ist mit dem Datenschutz? Und wie geht man mit Kritik um? Anfangs war der Social-Media-Auftritt der Stadt Kassel ein Experiment, das nebenbei zur klassischen Pressearbeit lief. Auf Grundlage von Pressemitteilungen wurden Beiträge erstellt, die vor allem auf klassische Informationen setzten: Veranstaltungen, städtische Dienstleistungen oder Straßensperrungen. Doch schnell wurde klar, dass Social Media mehr kann – und dass vor allem mehr erwartet wird.
Offenheit für neue Formate
In den folgenden Jahren durchlief die Stadt Kassel einen intensiven Lernprozess. Soziale Medien wurden nicht mehr nur als zusätzliche Kommunikationskanäle betrachtet, sondern als Möglichkeit, echten Dialog zu führen. Dies bedeutete auch, neue Wege zu gehen: Jede Nachricht war eine Chance, direkt mit den Menschen in Kontakt zu treten und somit mehr Bürgernähe zu erzeugen. Heute sorgen so genannte Amtfluencer für Authentizität, wenn sie mit ihrem Gesicht für bestimmte Themen aus der Stadtverwaltung stehen. Auch für neue Formate zeigte sich die Stadt offen: Statt nur trockene Informationen zu posten, wurden kreative Inhalte entwickelt. Von kurzen Videos über interaktive Umfragen bis hin zu humorvollen Beiträgen, die lokale Themen aufgreifen – Kassel entwickelte einen eigenen, authentischen Stil.
Insbesondere während der Coronapandemie zeigte sich, wie wichtig Social Media für eine schnelle und verlässliche Kommunikation ist. Als Krisenkanal sind soziale Medien in Kassel seitdem fest etabliert: Die Menschen wissen, wo sie zum Beispiel bei Blindgängerfunden gesicherte Informationen bekommen.
Heute hat die Stadt Kassel mit ihren 208.000 Einwohnerinnen und Einwohnern allein bei Facebook 50.000 Follower. Hinzu kommen fast 40.000 auf Instagram. Dort hat die Berufsfeuerwehr mit eigenem Kanal noch mal mehr als 17.000, KasselKultur hat 6.500 Follower. Zudem gibt es 4.300 Abonnenten auf TikTok, 1.600 auf YouTube und 1.800 bei LinkedIn.
Video 138.000 Mal angeklickt
TikTok ist der jüngste Zugang im Kasseler Social-Media-Portfolio. Seit 2024 ist die Stadt auf der Plattform aktiv – und die Erfahrungen sind bislang positiv. Mit TikTok erreicht Kassel nun auch Menschen unter 25 Jahren und ist in Zeiten von Fake News auch für junge Leute eine verlässliche Informationsquelle. TikTok bietet die Möglichkeit, komplexe Themen auf kreative und unterhaltsame Weise zu vermitteln. Beispiele sind Recruiting Videos mit Trendsounds, Damals-Heute-Aufnahmen mit Material aus dem Stadtarchiv, die Neujahrsansprache des Oberbürgermeisters in Jugendsprache oder eine Serie zur Quartiersentwicklung mit einer sympathischen Moderatorin. Das erfolgreichste Video wurde 138.000 Mal aufgerufen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, den richtigen Ton zu finden und Inhalte in wenigen Sekunden visuell ansprechend zu vermitteln. Dabei hilft seit Jahresbeginn ein Videograph im Team der städtischen Onlinekommunikation. Der Datenschutz wird dabei nicht vernachlässigt – der Account wird von einem Handy aus betreut, das keinen Zugriff aufs städtische Betriebssystem hat.
Für die Stadt Kassel ist Social Media heute ein unverzichtbarer Baustein der Kommunikation. Die Plattformen bieten die Möglichkeit, die Menschen schnell und direkt zu informieren, und können auch das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation mit der Stadt stärken. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Transparenz. Social Media ermöglicht es, politische Entscheidungen, Bauprojekte oder Umweltmaßnahmen nachvollziehbar und verständlich darzustellen und Verwaltungshandeln zu erklären.
Kassel App in Arbeit
Allerdings ist sich die Stadt Kassel auch bewusst, dass die Algorithmen der großen Plattformen Gefahren für den allgemeinen, demokratischen Diskurs bergen. Die großen Betreiber setzen in ihrem Gewinnstreben auf emotionalisierende Inhalte, um Menschen möglichst lange auf ihren Plattformen zu binden. So stärken sie Polarisierungsakteure und Echokammern. Komplexe, im Verwaltungshandeln abgewogene Entscheidungen sind vergleichsweise nüchtern – und entsprechend weniger interessant für den Algorithmus. Durch gute Aufbereitung lässt sich dem ein Stück entgegenwirken, solche Inhalte werden aber nur selten die Werte von vermeintlichen Skandalen oder Katzenvideos erreichen. Hier setzt sich die Stadt Kassel über den Städtetag bei deutschen und europäischen Gesetzgebern dafür ein, bei der Rahmensetzung für Plattformbetreiber nachzubessern. Gleichzeitig entwickelt die Stadt gerade eine Kassel App, um künftig unabhängiger von Plattformen direkt mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren zu können.
Systematische Onlinekommunikation
Die digitale Kommunikation entwickelt sich ständig weiter, und so auch die Social-Media-Strategie der Stadt Kassel. Einst war beispielsweise Twitter wesentlicher Bestandteil der städtischen Onlinekommunikation, heute ist der städtische Account auf X inaktiv gestellt. Übrigens: Um die missbräuchliche Nutzung des Kassel-Namens zu verhindern, löscht die Stadt ihr Konto nicht. Bei neuen, potenziell relevanten Medien wie Bluesky, Discord oder Pixelfed sichert sich die Stadt ebenfalls frühzeitig ein aussagekräftiges Handle. Immer wichtiger wird zudem die Zusammenarbeit mit regionalen Influencern – gemeinsam mit der Tourismustochter Kassel Marketing – und der Aufbau eines Amtfluencer-Netzwerks auf LinkedIn im Sinne einer starken Arbeitgebermarke.
Social Media passiert bei der Stadt Kassel heute nicht mehr nebenher. Vielmehr wird die Onlinekommunikation im Team täglich und systematisch im Newsroom besprochen. Mit Kreativität, Offenheit und einem klaren Fokus auf die Bedürfnisse der Menschen wird Kassel auch in Zukunft erfolgreich im digitalen Raum agieren. Denn eines ist klar: Likes allein machen keine Stadt besser – aber sie können bei aller berechtigten Kritik helfen, den Dialog zu fördern, Transparenz zu schaffen und die Gemeinschaft zu stärken.
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