Dienstag, 23. September 2025

Social MediaAnnäherung an die Realität

[17.06.2019] Immer mehr Kommunen entdecken die Vorteile sozialer Medien für die Informationsverbreitung, die Imagepflege und den Bürgerdialog. Den Chancen der Social-Media-Nutzung stehen allerdings datenschutzrechtliche Bedenken und Risiken gegenüber.
Social Media im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Bürgerdialog.

Social Media im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Bürgerdialog.

(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)

Seit März bietet die Gemeinde Muldestausee in Sachsen-Anhalt eine WhatsApp-Sprechstunde mit Bürgermeister Ferid Giebler an. Die Kommune hat 12.000 Einwohner in 13 Ortschaften, die der Bürgermeister regelmäßig zur Vorort-Sprechstunde aufsucht. Die zusätzliche Online-Sprechstunde dienstags zwischen 14 und 18 Uhr wird gut angenommen. Zwei bis drei Anliegen gibt es pro Termin. Darüber hinaus betreibt die Gemeinde eine Facebook-Seite mit mehr als 2.250 Abonnenten und postet dort alle amtlichen Informationen. Ferid Giebler besitzt in seiner Funktion als Bürgermeister zudem einen Facebook-Account unter eigenem Namen. Hier beschreibt und bewertet er Gemeindeereignisse aus persönlicher Sicht. Mit einem Instagram-Account spricht Giebler darüber hinaus junge Menschen an, die sich von Facebook nicht mehr repräsentiert fühlen. „Soziale Medien sind die Lebenswirklichkeit, in der wir alle leben“, sagt Giebler. „Man kann über Social Media in einen Dialog mit den Bürgern treten, und sie sind ein zusätzlicher Kommunikationskanal.“
Immer mehr Kommunen sind in den sozialen Medien präsent. Meistens stecken dahinter engagierte Verwaltungsmitarbeiter, die Social Media in ihren Kommunen vorantreiben oder ihre Vorgesetzten von der Funktion sozialer Medien überzeugen. So wie in Baden-Baden, wo Oberbürgermeisterin Margret Mergen alle 14 Tage eine einstündige Bürgersprechstunde per WhatsApp anbietet, nachdem sie von jüngeren Kollegen auf den damit einhergehenden Nutzen hingewiesen wurden.

Studie zur Nutzung von Social Media

Wie nutzen Kommunen Social Media? Schon im Jahr 2016 haben die Beratungsfirma Cassini, die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) und die Universität Kassel eine Studie unter diesem Titel herausgegeben. 64 Prozent der deutschen Kommunen waren zu der Zeit in den sozialen Medien präsent, vor allem in Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter – ein Viertel davon seit mehr als vier Jahren. Genutzt werden soziale Medien vor allem zur Informationsverbreitung, Imagepflege und für den Bürgerdialog. So wird über die Arbeit der Stadtverwaltung, über Veranstaltungen, die Arbeit von Beteiligungsprojekten, Aktivitäten von Vereinen und kommunalpolitische Themen berichtet. In größeren Kommunen sind die Social-Media-Auftritte meist den Pressestellen angeschlossen, in kleineren oft direkt dem Bürgermeisterbüro.
Wie erfolgreich solche Social-Media-Aktivitäten sind, hängt nicht zuletzt von der Ernsthaftigkeit ab, mit der sie betrieben werden. Und vor allem von der Reaktionszeit. Bei einer WhatsApp-Sprechstunde mit festen Zeiten dürfen die Bürger von der unmittelbaren Beantwortung ihrer Anliegen ausgehen. Bei einem Facebook-Beitrag ist eine längere Frist erlaubt. 65 Prozent der Kommunen geben an, innerhalb eines Tages zu antworten, knapp 25 Prozent sogar innerhalb einer Stunde (während der klassischen Öffnungszeiten). Kommunen, die Social Media gar nicht nutzen, nennen mehrheitlich mangelnde Ressourcen als Grund, gefolgt von ungeklärten Rechtsfragen etwa beim Datenschutz, mangelnder Kontrolle über die Inhalte sowie ungeklärten Sicherheitsfragen.

Richtlinie zur Nutzung von Social Media

Datenschutzbehörden haben sich bei der Social-Media-Nutzung durch öffentliche Stellen stets restriktiv gezeigt. Die meisten Kommunen hat das wenig berührt. Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink stellte 2017 ernüchtert eine „erschreckend geringe Resonanz“ fest. Mit einer Richtlinie zur Nutzung sozialer Medien durch öffentliche Stellen sollte eine Annäherung an die Realität unternommen werden. Die Richtlinie fordert von öffentlichen Stellen ein klares Nutzungskonzept. Zweck, Art und Umfang des Einsatzes sozialer Medien müssen darin beschrieben und die redaktionelle und technische Betreuung festgelegt werden. Außerdem müssen öffentliche Stellen das Telemediengesetz beachten und sowohl ein Impressum als auch eine eigene Datenschutzerklärung ausweisen. Insgesamt sind sie zur Datensparsamkeit angehalten und dazu, die fehlenden Widerspruchsmöglichkeiten der amerikanischen Plattformen durch aktive Aufklärung auszugleichen.
Kommunen realisieren dies oft in Form von Guidelines, mit denen sie auf die Regeln der von ihnen genutzten sozialen Medien aufmerksam machen und beispielsweise deren AGBs veröffentlichen oder verlinken. Auch die Netiquette – die Umgangsformen im digitalen Raum – wird in solchen Guidelines thematisiert und darauf hingewiesen, dass Chat-Verläufe und Sprachnachrichten protokolliert und unter Umständen strafrechtlich relevant werden können. Für kommunale WhatsApp-Gruppen ist eine Zustimmung zur Datenschutzerklärung notwendig. Dies wird häufig dadurch realisiert, dass ein Chat-Verlauf erst mit einem bestimmten Stichwort, beispielsweise „Anmeldung“, beginnt, welches auf der kommunalen Web-Seite unter den Guidelines genannt wird.
Persönliche Daten wie Telefonnummern und Namen behandeln die Kommunen vertraulich und löschen sie auf Wunsch wieder. Vielerorts wird für WhatsApp ein eigenes Smartphone nur für diesen Zweck genutzt, auf dem keinerlei Kontakte gespeichert sind. Denn die Geschäftsmodelle von Facebook, WhatsApp und Instagram sehen vor, Nutzerdaten und ganze Adressbücher auszulesen und für Werbezwecke auszuwerten. Dies allerdings untersagt die Europä­i­sche Datenschutz-Grundverordnung.

Mehr Chancen als Gefahren

Neustadt in Mittelhessen hat aus Datenschutzgründen seine Facebook-Aktivitäten eingestellt – auch aus Angst vor Abmahnungen. Da Facebook über seinen Statistikdienst Insights detaillierte Informationen über die Nutzer und deren Verwendung von Inhalten erhebt, haben die Neustädter zunächst die Kommentarfunktion auf ihrer Facebook-Seite abgestellt, damit nicht unfreiwillig Daten über die Bürger gespeichert werden können. Später gab man den Account dann ganz auf.
Einige Anwälte sprechen von einer Grauzone, auch die Datenschutzbeauftragten schließen sich nicht immer den Empfehlungen der Landesbehörden an. Die Kommunen sehen in der Nutzung sozialer Medien offenbar mehr Chancen als Gefahren. Neustadt konzentriert sich jetzt ganz auf WhatsApp.

Helmut Merschmann




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Social Media
Instagram-Kanal der Stadt Oldenburg auf Handy in der Hand angezeigt

Oldenburg: Feedback zu Instagram

[19.09.2025] Die Stadt Oldenburg fragt ihre Nutzer nach Feedback zum städtischen Instagram-Auftritt. Die Teilnahme an der Online-Umfrage ist bis Ende September möglich. mehr...

Eine Hand hält ein Smartphone, auf dessen Bildschirm der neue WhatsApp-Kanal der Wissenschaftsstadt Darmstadt mit Informationen zu Veranstaltungen, Freizeitangeboten und Verkehrshinweisen angezeigt wird.

Darmstadt: Erfolgreiche Kommunikationsstrategie

[15.09.2025] 
Sozialen Medien kommt im Kommunikationsmix der Stadt Darmstadt eine wichtige Rolle zu. Um die Social-Media-Präsenz auszubauen, ist zum Beispiel die Einführung weiterer Kanäle wie LinkedIn oder TikTok geplant. Zudem will die Stadt einen Newsroom etablieren. mehr...

Mannheim: Feuerwehr startet auf Social Media

[12.09.2025] Auf Instagram und Facebook ist jetzt die Feuerwehr Mannheim vertreten. Darüber werden Sofortmeldungen bei Gefahrensituationen sowie Einsatzberichte und Einblicke in den Alltag der Feuerwehr geteilt. Informationen zu Einstellungsverfahren und Ausbildungsmöglichkeiten runden das Angebot ab. mehr...

Screenshot TikTok-Kanal Hannover

Hannover: Kanal für die junge Community

[04.09.2025] Über einen eigenen Kanal auf TikTok verfügt jetzt Niedersachsens Landeshauptstadt. Hannover hat sich für einen offiziellen Kanal auf der Plattform entschieden, um in den Austausch mit jungen Menschen zu kommen. mehr...

Ein Mann filmt eine junge Frau vor dem Kasseler Rathaus.
bericht

Kassel: Vom Experiment zur Strategie

[27.08.2025] Soziale Medien sind in Kassel längst ein zentraler Bestandteil der Stadtkommunikation. Dabei liked und shared die Stadt auf verschiedenen Kanälen – und erreicht mit kreativen und unterhaltsamen Videos über TikTok auch eine jüngere Zielgruppe. mehr...

Ein Mann bedient ein Smartphone, über dem unterschiedliche Emojis schweben.
bericht

Social Media: Amtfluencer als Megatrend

[14.08.2025] Amtfluencer machen Behörden und Kommunen in sozialen Medien sichtbar. Sie berichten persönlich, glaubwürdig und oftmals aus freien Stücken über ihren Berufsalltag – und vermitteln so höchst erfolgreich zwischen Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürgern. mehr...

Mönchengladbach: Stadt-News bei WhatsApp

[11.08.2025] Die Stadt Mönchengladbach startet einen WhatsApp-Kanal, über den wichtige Ankündigungen, Verkehrshinweise und Service-Angebote direkt aufs Smartphone gesendet werden. Der Kanal ist aktuell im Verifizierungsverfahren, kann aber schon abonniert werden. mehr...

Junge Menschen stehen vor dem Stuttgarter Rathaus. In der Hand halten sie ein Smartphone mit dem TikTok Logo und dem Account-Namen @stadt.stuttgart darauf.

Stuttgart: TikTok‐Kanal gestartet

[07.08.2025] Die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart erweitert ihre Social‐Media‐Kommunikation und ist ab sofort auch auf TikTok vertreten. Die Beiträge für die Plattform werden von der Onlineredaktion gemeinsam mit jungen Mitarbeitenden aus verschiedenen Ämtern erstellt. mehr...

Screenshot des Instagram-Kanals visitpforzheim.de

Pforzheim: Goldstadt per Instagram erleben

[01.08.2025] Mit einem eigens dafür eingerichteten Instagram-Kanal will Pforzheim auf die touristischen Highlights der Stadt aufmerksam machen. Unter dem Motto Goldstadt erleben bietet visitpforzheim.de Interessierten unter anderem Veranstaltungshinweise, Tourenvorschläge oder hochwertige Bilder an. mehr...

Screenshot der Social-Media-Wall auf der Website des Kreises Heilbronn

Kreis Heilbronn: Social-Media-Wall eingerichtet

[29.07.2025] Eine Social-Media-Wall hat der Kreis Heilbronn auf seiner Website eingerichtet. Damit können alle Interessierten die Aktivitäten der Kommune in den sozialen Medien verfolgen – auch ohne eigenen Facebook- oder Instagram-Account. mehr...

Heidelberg: Mit WhatsApp mehr erreichen

[13.05.2025] Die Stadt Heidelberg ergänzt ihr Social-Media-Angebot um den Messenger-Dienst WhatsApp. Im Kanal erhalten die Bürgerinnen und Bürger tagesaktuelle Nachrichten ebenso wie Eilmeldungen oder einen Themenüberblick zur aktuellen Stadtblattausgabe. mehr...

Screenshot des WhatsApp-Kanals des Ennepe-Ruhr-Kreises.

Ennepe-Ruhr-Kreis: WhatsApp-Kanal gestartet

[08.05.2025] Seine App ergänzend bietet der Ennepe-Ruhr-Kreis nun auch einen WhatsApp-Kanal an. Er informiert hier über Neuigkeiten, Warnmeldungen und Veranstaltungshinweise. Auch soll der Kanal eine wichtige Rolle in Krisensituationen spielen. mehr...

Screenshot der Social Wall der Stadt Minden

Minden: Social Wall bündelt städtische Kanäle

[17.04.2025] Was die Stadt Minden in den sozialen Medien veröffentlicht, lässt sich jetzt auch ohne eigenes Konto auf den jeweiligen Plattformen erfahren. Möglich macht das die neue Social Wall auf der städtischen Homepage. mehr...

raufsicht auf einen Sitzungssaal mit runer Sitzanordnung, überlagert vom YouTube-Play-Button.

Mannheim: Stadtgremien streamen

[04.04.2025] Mannheim streamt Gemeinderatssitzungen jetzt live auf YouTube – mit Untertiteln und Übersetzung in Gebärdensprache. Die Stadt will so Barrieren abbauen und politische Teilhabe sowie Bürgernähe stärken. mehr...

Bremerhaven: X-Kanal stillgelegt

[24.03.2025] Die Stadt Bremerhaven legt ihren Kommunikationskanal auf der zunehmend umstrittenen Social-Media-Plattform X still. Einer der Gründe ist die dort schrumpfende Follower-Zahl. Die Stadt kritisiert aber auch die ungefilterte Verbreitung von Desinformation auf X. mehr...