Freitag, 22. August 2025

REPORTPlanung mit 3D-Brille

[13.07.2009] Beim Geodaten-Management gewinnt das Thema Visualisierung immer mehr an Bedeutung. Künftig sollen Szenarien bei der Stadtentwicklung mithilfe digitaler dreidimensionaler Modelle virtuell durchgespielt und analysiert werden können. Auch der Blick zurück ist möglich.

Die Frage beim kommunalen Geodaten-Management lautet heute nicht mehr, wie Geodaten bereitgestellt werden, sondern wie die Menge an verfügbaren Geo-Informationen produktiv genutzt werden kann. Hierbei rückt die Visualisierung von Geodaten in den Mittelpunkt des Interesses, getrieben nicht zuletzt durch populäre Internet-Angebote wie Google Earth.

Dresden in 3D

So war beispielsweise Dresden eine der ersten deutschen Städte, die ein 3D-Modell über die Visualisierungsplattform von Google öffentlich im Internet zugänglich gemacht hat. Bereits im Sommer 2005 hat die sächsische Landeshauptstadt – mit Förderung des Bundeswirtschaftsministeriums – ein Projekt zur Erstellung virtueller Stadtmodelle begonnen. Seitdem wird am Aufbau eines flächendeckenden 3D-Gebäudebestandes gearbeitet. Die erste Ausbaustufe LoD 2 (Level of Detail 2, Klötzchenmodell mit Dächern) wurde automatisch aus Gebäudegrundrissen der Automatisierten Liegenschaftskarte (ALK) und Höhen einer Laserscan-Befliegung errechnet. Weitere Grundlagen des 3D-Stadtmodells sind kommunale Geobasisdaten, wie ein Digitales Höhenmodell (aus Laserscan-Daten), Orthobilder, Vegetation, Straßenmöblierung und Bebauungspläne. Aus diesen Daten entstanden Anwendungen wie die Lärmkartierung, die Visualisierung von Verkehrsführungen und -strömen oder die Präsentation von Gewerbestandorten.

Städte in Google Earth

Dem Beispiel Dresden sind inzwischen viele andere Städte gefolgt. Berlin, Hamburg, Stuttgart oder Wiesbaden kann man virtuell besichtigen und im Ruhrgebiet arbeiten die Städte Bochum, Dortmund, Essen und die Emschergenossenschaft an 3D-Modellen für Google Earth. Google ist sehr interessiert an einer Zusammenarbeit mit den Kommunen und hat Mitte vergangenen Jahres die europaweite Initiative „Städte in 3D“ gestartet. Der Internet-Konzern bietet Unterstützung beim Aufbau dreidimensionaler Stadtmodelle in Google Earth, beispielsweise mit einer kostenlosen Software, die es erlaubt, auch topografische Besonderheiten dreidimensional zu modellieren, und Servicewerkzeugen zur Integration der Daten in Google Earth.

Der Standard CityGML

Doch die virtuelle Besichtigung von Städten im Internet ist nur die eine Seite und nützt dem amerikanischen Internet-Konzern möglicherweise mehr als den Kommunen. Der wahre Nutzen der Visualisierung von Geodaten erschließt sich erst, wenn 3D-Stadtmodelle innerhalb der Verwaltung für Planungen und Simulationen verwendet werden können. Eine Voraussetzung dafür ist inzwischen mit dem Standard CityGML (City Geography Markup Language) geschaffen worden.
CityGML wurde in fünfjähriger Arbeit von der Special Interest Group 3D der Geodateninfrastruktur Nordrhein-Westfalen (GDI NRW) entwickelt und hat sich mittlerweile international als Datenmodellierungs- und Datenaustauschstandard durchgesetzt. Er wurde im August 2008 als offizieller Standard des Open Geospatial Consortium (OGC) verabschiedet. Der Standard basiert auf der vom World Wide Web Consortium (W3C) herausgegebenen Extensible Markup Language (XML) und ist ein Anwendungsschema der vom OGC spezifizierten Geography Markup Language (GML).
Die City Geography Markup Language stellt einen einheitlichen Rahmen für Begriffe, Objekte, Attribute und Beziehungen von Komponenten virtueller 3D-Stadtmodelle bereit. Das Besondere an dem Geodaten-Standard ist, dass die einzelnen Komponenten von 3D-Modellen damit nicht nur geometrisch-grafisch repräsentiert werden, sondern auch über eine Semantik verfügen. Dies wiederum ermöglicht die Entwicklung intelligenter Analyse- und Simulationsverfahren.

Modellierung komplexer 3D-Geodaten

Wissenschaftlich begleitet wird das Thema 3D-Modellierung unter anderem vom Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik. Die Integration komplexer Daten auf Visualisierungsebene bildet einen zentralen Gegenstand der Arbeit des Fachgebiets Computergrafische Systeme, das von Professor Jürgen Döllner geleitet wird. Erforscht werden leistungsfähige innovative Verfahren und Strategien für die Visualisierung komplexer 3D-Geodaten. Welche Aspekte die Modellierung komplexer 3D-Geodaten beinhaltet, beschreibt Döllner so:
Geländemodelle: Als Grundlage virtueller 3D-Raummodelle werden hochaufgelöste digitale Geländemodelle benötigt. Durch Level-of-Detail-Techniken wird die geometrische Komplexität der Geländemodelle für die Visualisierung reduziert.
Georeferenzierte Texturen: Sie bilden ein grundlegendes Mittel zur Visualisierung von raumbezogenen 2D-Rasterdaten und 2D-Vektordaten in virtuellen 3D-Raummodellen. Rasterdaten werden dazu in einer vom Digitalen Geländemodell (DGM) unabhängigen Level-of-Detail-Struktur aufbereitet, sodass etwa Luftbilder mit mehreren 100 GB in Echtzeit visualisierbar sind. Vektordaten können ebenfalls gleichberechtigt als Informationslayer auf das DGM projiziert werden, wobei deren Rasterisierung sicht- und distanzabhängig in Echtzeit erfolgen kann.
Gebäudemodelle: Gebäude werden in Anlehnung an CityGML in folgende Detaillierungsgrade unterteilt: LoD 1 (Blockmodelle), LoD 2 (einfache Geometrie-Modelle mit Dachformen), LoD 3 (detaillierte Geometrie-Modelle) und LoD 4 (Architekturmodelle mit Innenraummodellierung). Echtzeit-Rendering-Verfahren (Berechnung von Bildern aus 3D-Modellen) stellen dabei sicher, dass die Gebäudedarstellung praktisch nicht mehr bezüglich der Geometrie- und Texturmenge limitiert ist. Für die Erfassung der 3D-Ausgangsdaten werden im Allgemeinen Laserscan- und Photogrammetrie-Verfahren verwendet.
Umgebungsmodelle: Sie bezeichnen die Modelle des Straßen- und Freiflächenraums und modellieren im Allgemeinen Wege, Straßen, Treppen, Mauern, Ufer oder Kanäle.
Vegetationsmodelle: Sie repräsentieren die Vegetation in einem 3D-Raummodell. Ausgangspunkt bildet eine 3D-Pflanzenmodellbibliothek, die Pflanzen in verschiedenen Wachstums- und Jahreszeitzuständen enthält.

Initiative Digital City

Ein Stadtmodell mit diesen Merkmalen, das zudem alle relevanten Daten einer Kommune in digitaler Form enthält, bietet enorme Möglichkeiten. Wie diese beispielsweise für die Stadtplanung und -entwicklung aussehen, will der CAD- und GIS-Spezialist Autodesk mit der Initiative Digital City aufzeigen. In den Städten Salzburg, Incheon (Südkorea) und Vancouver (Kanada) unterstützt Autodesk die Entwicklung eines vollständig digitalen und simulationsfähigen 3D-Stadtmodells. Ziel der Projekte ist es, alle relevanten Aspekte der Städte digital abzubilden, um städtebauliche Maßnahmen und geplante Stadtentwicklungen noch vor ihrer Umsetzung erlebbar zu machen. Indem Auswirkungen eines Vorhabens vorab simuliert, analysiert und visualisiert werden, sollen Verantwortliche in der Stadtverwaltung, Stadtplaner, Versorgungsunternehmen sowie die Öffentlichkeit fundierte Entscheidungen bezüglich bevorstehender Projekte treffen können. Zunächst wird in den Städten ein umfangreiches digitales Modell erstellt. Danach werden Infrastruktur- sowie CAD-, GIS- und Gebäudedaten in ein detailgetreues, realitätsnahes 3D-Modell integriert und mit realistischen Visualisierungen, Analyse- und Simulationswerkzeugen kombiniert.

Heidelberg plant virtuell

Auch die Stadt Heidelberg baut an einem 3D-Modell, welches weit über das hinausgeht, was Google Earth bietet. Die notwendigen Basisdaten der 3D-Visualisierung, also Geländehöhe, Höhenangaben der Gebäude, Dachform und Aufbau ebenso wie die Geländetextur werden auf Basis der einheitlichen Geodatenbasis der Stadt im Smallword GIS erfasst und gepflegt. Bei der Erfassung der notwendigen Information zur Gebäudekubatur bei der Stadt Heidelberg werden bewusst einfache Methoden der Datenerfassung auf Basis des Smallworld GIS eingesetzt und auf den Einsatz komplexer 3D-CAD-Werkzeuge verzichtet. Eine CityGML-konforme Ein- und Ausgabeoption sorgt dafür, dass Daten von externen Anbietern übernommen und auch Daten des Stadtmodells an Kunden wie beispielsweise Architekturbüros gegeben werden können. Bald können auch in Heidelberg Planungen virtuell in den verschiedensten Szenarien durchgespielt und in ihren Wirkungen analysiert werden, noch bevor ins Stadtbild eingegriffen wird.

Kostenlose Open Source Software

Inzwischen gibt es sogar eine kostenlose Open Source Software für die Verarbeitung und Speicherung von virtuellen 3D-Stadtmodellen. Das Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik (IGG) der Technischen Universität Berlin hat die Lösung entwickelt. Das Paket besteht aus einer 3D-Geodatenbank, einem CityGML-Importer/Exporter und einer Java-Programmbibliothek zur Verarbeitung von 3D-Stadtmodellen in CityGML. Die 3D-Geodatenbank war nach Angaben des IGG beim Aufbau des virtuellen Stadtmodells von Berlin entwickelt worden und wird zur Speicherung und für das Management des 3D-Modells der Stadt eingesetzt. Die Anwendung steht jetzt auf der Website des IGG zum kostenlosen Download zur Verfügung.

Köln in der Antike

Noch ist es Zukunftsmusik, dass Planungen virtuell durchgespielt und analysiert werden können. Wem das zu unsicher ist, der kann auch in die Vergangenheit blicken. Wie Köln vor 2.000 Jahren aussah, zeigt eine 3D-Rekonstruktion der Stadt zur Römerzeit. Erstmals ist es damit gelungen, in einer Echtzeitanwendung die komplette Stadt zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt virtuell sichtbar und begehbar zu machen. Dabei wird zumindest eines deutlich: Köln war schon in der Antike eine großartige Stadt.





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