InterviewNiemand ist unersetzlich

IONOS-Technikvorstand Markus Noga: Immer mehr Anwendungen und Services werden souverän auf unserer Plattform betrieben.
(Bildquelle: IONOS)
Herr Noga, in den vergangenen Monaten hat die Bedeutung von digitaler Souveränität enorm zugenommen. Teilen Sie diesen Eindruck?
Absolut. Wir erleben, dass digitale Souveränität plötzlich in vielen Bereichen an erster Stelle steht – nicht nur in der Verwaltung, sondern auch in der Wirtschaft. Die Frage, wie man Lösungen souverän und sicher betreiben kann, ohne dass jemand „das Licht ausschaltet“, beschäftigt heute viele Entscheider.
Nun gibt es Stimmen, die sagen, die großen Hyperscaler seien unersetzlich, da sie technologisch zu weit voraus seien. Was entgegnen Sie darauf?
Niemand ist unersetzlich. IONOS zeigt bereits heute, dass digitale Souveränität gelebte Realität ist. Ob in der Grundsteuer, bei Gesundheitslösungen oder bei Forschungsinstitutionen – viele Fachverfahren laufen bereits stabil und sicher in unserer Cloud.
Was verstehen Sie konkret unter digitaler Souveränität?
Für uns ist das ein Vierklang: Erstens muss die Eigentümerstruktur europäisch sein. Zweitens müssen die Daten in europäischen Rechenzentren liegen. Drittens müssen die Menschen, die den Betrieb sicherstellen, ebenfalls hier in Europa sitzen. Viertens muss der Technologiestack eigenentwickelt und beherrscht sein. Eine Kopie von hundert Millionen Zeilen fremden Codes lässt sich nicht souverän warten oder weiterentwickeln. Zwar behaupten viele Anbieter, souverän zu sein, doch wenn einer dieser Pfeiler fehlt, ist die Lösung am Ende nicht wirklich souverän.
Sie betonen die Bedeutung von Standorten und Resilienz. Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Im Frühjahr ist in Spanien und Portugal landesweit der Strom ausgefallen. Unsere Infrastruktur in Spanien lief trotzdem weiter. Wir verfügen über eine unterbrechungsfreie Stromversorgung sowie über Batterien und Dieselgeneratoren. In diesem Fall hat unser Team sogar kurzfristig zusätzliche Dieselvorräte organisiert. Das zeigt, wie wichtig die Standortwahl und das Notfallmanagement sind. Dasselbe gilt für redundante Glasfaseranbindungen. Selbst wenn Leitungen beschädigt werden, stellen wir den Betrieb über mehrere unabhängige Wege sicher.
Gerade der öffentliche Sektor ist ein wichtiger Treiber für souveräne Lösungen. Wie positioniert sich IONOS in diesem Bereich?
Wir verzeichnen einen starken Anstieg an Anfragen und Projekten. IONOS ist heute bereits Partner von IT.NRW, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und verschiedenen Landesrechenzentren. Zudem haben wir einen zentralen Auftrag des ITZBund gewonnen. Mittlerweile laufen echte Herzstücke der digitalen Verwaltung auf unserer Cloud.
Die US-amerikanischen Hyperscaler werben häufig mit Größenvorteilen und technologischer Führerschaft. Wie wollen Sie sich davon abgrenzen?
Wir kommentieren Wettbewerber nicht im Detail. Wichtig ist jedoch: Echte Souveränität gibt es nur mit einer europäischen Eigentümerstruktur, europäischen Datenstandorten, europäischen Mitarbeitenden und einem eigenen Stack. Wir setzen seit Langem stark auf Open-Source-Technologien wie Kubernetes, PostgreSQL und Kafka und haben darauf unsere Plattform aufgebaut. Für spezielle Nischenbedarfe, die noch nicht abgedeckt sind, gibt es fast immer passende Open-Source-Lösungen, die wir integrieren können. So lassen sich 80 Prozent aller Anforderungen direkt erfüllen. Für die übrigen 20 Prozent gibt es erprobte Migrations- und Integrationswege.
Welche neuen Entwicklungen gibt es aktuell?
Wir haben gerade SUSE Linux Enterprise in unser Portfolio aufgenommen, eine in Deutschland entwickelte Linux-Distribution, die Kunden nun souverän in unserer Cloud betreiben können. Daneben verzeichnen wir Wachstum bei Partnerlösungen wie Red Hat Enterprise Linux. Es zeigt sich: Immer mehr Anwendungen und Services werden souverän auf unserer Plattform betrieben.
Wo steht IONOS in fünf Jahren, wenn Sie nach vorne blicken?
Vorhersagen sind immer schwierig – schließlich gab es vor fünf Jahren noch keine brauchbare Chat-KI. Ich bin jedoch sicher, dass wir unseren Kundenkreis vergrößern, neue Standorte eröffnen und unser Service-Portfolio erweitern werden. Die Nachfrage nach Souveränität wächst rasant, und diese Nachfrage wollen wir bedienen.
Bundesagentur für Arbeit: Pilot in der Delos Cloud
[18.09.2025] Die Bundesagentur für Arbeit möchte prüfen, ob die Delos Cloud ihre IT-Landschaft modernisieren kann und zugleich die Sicherheits- und Datenschutzanforderungen erfüllt. In einem strukturierten Projekt werden die Leistungsfähigkeit, die Wirtschaftlichkeit sowie rechtliche Fragen der Plattform getestet. mehr...
Whitepaper: Souveränitäts-Washing bei Clouddiensten
[02.09.2025] Ist eine Cloud souverän, nur weil die Server in Europa stehen? Auf diese Frage geht ein neues Whitepaper des Zentrums für Digitale Souveränität (ZenDiS) ein. Es erklärt die Problematik des sogenannten Souveränitäts-Washing und gibt Kriterien für tatsächlich souveräne Lösungen an die Hand. mehr...
OSBA/ZenDIS: Open-Source-Wettbewerb sucht Publikumsliebling
[02.09.2025] Wie kann Open Source die Verwaltung effizienter machen? Ein neuer Wettbewerb unter dem Motto „Moderne Verwaltung. Innovation. Digitale Souveränität“ sucht die besten Lösungen. Im Oktober soll auch ein Publikumspreis verliehen werden. Das öffentliche Voting startet jetzt. mehr...
Digitale Souveränität: Volle Kontrolle
[12.08.2025] Digitale Souveränität ist derzeit eines der meistdiskutierten Themen im Bereich der öffentlichen IT. Kommune21 hat mit Peter Ganten von Univention über die Illusion von Souveränität, Open Source und die tatsächliche Kontrolle über IT-Systeme gesprochen. mehr...
Cloud-Lösungen: Vollständige Kontrolle ist eine Illusion
[09.07.2025] Für Behörden und regulierte Branchen gewinnen souveräne Cloud-Lösungen an Bedeutung. Doch was genau bedeutet Souveränität in der Cloud? Jochen Malinowski von Accenture gab auf einer Presseveranstaltung einen Überblick über verschiedene Ansätze – von der Public Cloud mit Einschränkungen bis hin zu vollständig isolierten Rechenzentren. mehr...
Digitalstrategie: Vier Layer für digitale Souveränität
[07.07.2025] Die Münchner CDO Laura Dornheim erklärt im ZDF-Interview, worauf es bei digitaler Souveränität ankommt. Die Stadt setzt auf eigene IT-Infrastruktur, Open Source und digitale Teilhabe. Doch es bleiben Herausforderungen – etwa bei offenen Daten. mehr...