InterviewCloud und Marktplatz

govdigital-Vorstand Martin Schallbruch
(Bildquelle: Ole Heinrich/govdigital eG)
Herr Schallbruch, Sie waren IT-Direktor beim Bund, danach Direktor an der European School of Management und Technology in Berlin und Dozent am Karlsruher Institut für Technologie. Bei govdigital sind Sie wieder mit der praktischen Umsetzung befasst. Was reizt Sie an der kommunalen Welt?
Ich habe lange die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung im Bund mit organisiert und dann eine Auszeit von der Verwaltungsdigitalisierung genommen und ein Buch mit dem Titel „Schwacher Staat im Netz“ geschrieben, in dem ich die ersten zwanzig Jahre meines Berufslebens verarbeitet habe. Dadurch habe ich Abstand gewonnen und neue Perspektiven. Den Ansatz von govdigital, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung über einen Marktplatz in die Fläche zu bringen, halte ich für richtungsweisend. Auch finde ich es spannend, dass die Kommunen jetzt in einem Maße bereit sind zu kooperieren, wie es das vorher nie gab. Unsere Mitglieder wollen intensiv zusammenarbeiten. Daher glaube ich, dass gerade auf der kommunalen Ebene ein Pragmatismus vorherrscht, der überaus hilfreich ist, dem Bürger möglichst schnell, gute digitale Leistungen anzubieten.
govdigital hat vom IT-Planungsrat den Zuschlag für die Umsetzung eines Marktplatzes für Eine-für-Alle-Lösungen erhalten. Wie viele Mittel stehen der Genossenschaft dafür zur Verfügung?
Der EfA-Marktplatz ist ein Projekt des IT-Planungsrates und wird durch das Digitalisierungsbudget der Föderalen IT-Kooperation, FITKO, finanziert. Unsere Genossenschaft hatte ein Vorprojekt durchgeführt, mit dem wir untersuchten, wie wir die Reichweite der EfA-Leistungen in die Kommunen hinein erhöhen können. Mit der Möglichkeit der Inhouse-Vergabe durch unsere kommunalen Träger ist die govdigital-Genossenschaft mit einer relativ großen Reichweite ausgestattet. Das war der Grund, warum der IT-Planungsrat uns beauftragt hat.
Muss jede Kommune Mitglied bei govdigital sein, um an der Inhouse-Vergabe teilzunehmen?
Was die Mitgliedschaft angeht, richten wir uns nicht vorrangig an Kommunen, sondern an die kommunalen IT-Dienstleister, deren Träger ja die Kommunen sind. Diese erfüllen damit das wichtige Kontrollkriterium des europäischen Rechts. Das bedeutet, dass man bei uns Inhouse-fähig beauftragen kann, wenn man ein Träger eines Mitglieds der govdigital ist. Auf diese Weise erreichen wir mehr als 70 Prozent aller Kommunen.
Was ist der aktuelle Stand beim EfA-Marktplatz?
Auf dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung in Berlin hatten wir den Marktplatz in Form eines Schaufensters vorgestellt (wir berichteten). Dort befinden sich beispielsweise EfA-Leistungen wie Aufenthaltstitel, digitaler Bauantrag, Führerscheinantrag oder Mutterschutzmitteilung. Inzwischen haben wir die Bereitstellungsprozesse sukzessive realisiert, sodass die IT-Dienstleister ihre Angebote in den Marktplatz einstellen können. Im nächsten Schritt werden die Nutzungsprozesse umgesetzt, wodurch eine Kommune eine Leistung bestellen kann. Im November dieses Jahres wird man dann rechtlich verbindlich bestellen können und auch eine Rechnung erhalten. Das Preismodell für EfA-Leistungen ist ja erst im August festgelegt worden, und wir müssen das nun programmieren. Ziel ist eine automatische Fakturierung, sodass keine Rechnungen mehr ausgedruckt werden, sondern alles digital erfolgt.
Gibt es weitere Pläne?
Wir haben dem IT-Planungsrat vorgeschlagen, den Marktplatz über OZG- und EfA-Leistungen hinaus für eine ganze Reihe von anderen Leistungen für die öffentliche Verwaltung zu öffnen. Das können Fachverfahren sein oder ein digitaler Arbeitsplatz. Das heißt, im kommenden Jahr soll der EfA-Marktplatz die Rolle als zentraler Marktplatz für digitale Leistungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung übernehmen.
„Der EfA-Marktplatz soll künftig die Rolle als zentraler Marktplatz für digitale Leistungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung übernehmen.“
Inwieweit hängt der Erfolg des Marktplatzes vom aktuellen Cloud-Projekt für die öffentliche Verwaltung ab?
Aus unserer Sicht wird das zwangsläufig zusammenlaufen. Ob das nun OZG-Leistungen sind, Fachdienste oder Basis-Anwendungen wie der souveräne Arbeitsplatz – all das wird mittel- und langfristig als Cloud-Dienst bereitgestellt werden. Der Marktplatz für EfA-Leistungen und das Cloud-Service-Portal wachsen so sukzessive zusammen. Meine persönliche Vision wäre, dass wir in einigen Jahren eine zentrale Shop-Lösung vorfinden, über die man alle digitalen Dienste als Software as a Service bei sofortiger Bereitstellung buchen kann. Die dahinter liegenden Infrastrukturen müssen dann allerdings so leistungsstark sein, dass man sie leicht skalieren und für weitere Kunden bereitstellen kann.
Angesichts einiger Alleingänge könnte der Eindruck entstehen, dass nicht mehr alle Länder hinter dem EfA-Prinzip stehen und die Digitalisierung selbst in die Hand nehmen. Stimmt das?
Das Gefühl habe ich nicht. Länder wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen bemühen sich, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in ihrem Land möglichst optimal zu organisieren. Sie haben auch etwas früher damit angefangen als andere Länder. Ich war auf mehreren OZG-Veranstaltungen in Sachsen und Niedersachsen und habe mit nahezu allen Ländern gesprochen. Alle sind massiv damit beschäftigt, EfA-Leistungen bei sich auszurollen und eine OZG-Umsetzung herzustellen. Dass ein anderer Eindruck entstehen könnte, rührt vielleicht daher, dass man sich von politisch gesetzten Zielen und Fristen verabschiedet und sagt: Wir setzen es jetzt einfach in der Geschwindigkeit um, wie wir es hinkriegen. Ich kenne kein Land, das mit der OZG-Umsetzung aufhören und das EfA-Prinzip nicht mehr nutzen will.
govdigital ist in weiteren Bereichen aktiv, etwa bei Blockchain und künstlicher Intelligenz. Das digitale Schulzeugnis hat einen Negativpreis erhalten, den Big-Brother-Award. Ist Blockchain im öffentlichen Sektor tot?
Nein. In anderen europäischen Ländern existieren viele Blockchain-Anwendungen. Aber in Deutschland kommen die meisten Projekte in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich kaum über einen Pilotstatus hinaus. Wir als govdigital bieten unseren Mitgliedern eine eigene sichere Blockchain-Infrastruktur an, die in den Rechenzentren von sechs Mitgliedern betrieben wird. Wir wollen bei neuen Technologien, und das gilt auch für die künstliche Intelligenz, ausloten, ob sich damit jedes einzelne Mitgliedshaus beschäftigen muss oder ob nicht besser die Genossenschaft dafür zuständig ist. Insofern sind Gemeinschaftsprojekte gerade in der Phase, in der man noch sucht und ausprobiert, unheimlich wichtig. Beim digitalen Schulzeugnis haben wir die Blockchain-Infrastruktur bereitgestellt, den Service aber nicht selbst entwickelt. Übrigens gibt es in der European Blockchain Service Infrastruktur (EBSI) ebenfalls Apps für digitale Schulzeugnisse, die in anderen Ländern angewendet werden. Es ist also durchaus verbreitet, dass man eine Blockchain für die Verifizierung von Zeugnissen nutzt. Natürlich kann man das technisch auch anders realisieren. Deswegen finde ich es gut, wenn wir Dinge ausprobieren und dabei technologieoffen vorgehen.
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