Donnerstag, 27. November 2025

Open-Source-SoftwarePotenziale heben

[27.11.2025] Große Tech-Unternehmen bestimmen den deutschen Digitalmarkt – auch in der Verwaltung. Dadurch sind Abhängigkeiten entstanden, aus denen sich die öffentliche Hand schrittweise lösen muss. Dies betrifft auch Kommunen. Das ZenDiS unterstützt bei der Umsetzung.
Sieben Hände halten je ein großes Puzzleteil, das mit den anderen Puzzleteilen verbunden werden soll.

Als zentrale Plattform ermöglicht openCode die Zusammenarbeit an Open-Source-Projekten in der Verwaltung.

(Bildquelle: InfiniteFlow/stock.adobe.com)

Digitale Souveränität ist ein strategisches Ziel von nationaler und europä­ischer Bedeutung. Daran lässt das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) keinen Zweifel. Der aktuelle Koalitionsvertrag benennt mit der verstärkten Nutzung quelloffener Software ein wichtiges Werkzeug, um diesem Ziel näher zu kommen. Das Thema betrifft nicht nur den Bund. Auch Länder und Kommunen müssen digital souveräner werden. Open-Source-Lösungen für Fachverfahren stehen schon bereit, ebenso wie quelloffene KI-Assistenzen zur Effizienzsteigerung. Doch wie kommt man in die Umsetzung?

Digitale Souveränität meint die Fähigkeit eines Staats oder einer Organisation, digitale Infrastrukturen und Dienste selbstständig, selbstbestimmt und sicher zu gestalten, zu betreiben und weiterzuentwickeln – ohne unkontrollierbare Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern oder Drittstaaten. Solche Abhängigkeiten existieren in der deutschen Verwaltung derzeit im kritischen Maß. Mit ihrer Größe und Marktmacht haben vor allem die US-amerikanischen Tech-Unternehmen in den vergangenen Jahren ein Oligopol geschaffen. Das führt zu Lock-in-Effekten und einem Kontrollverlust bei Daten(schutz), Prozessen, Betriebslogiken und Sicherheit. Auch eine kommerzielle Abhängigkeit ist längst entstanden: Behörden müssen einseitig veränderte Vertragsbestimmungen akzeptieren. 2024 summierten sich allein beim Bund die Ausgaben für Software, Lizenzen und IT-Dienstleistungen auf 1,2 Milliarden Euro – 27 Prozent mehr als im Vorjahr.

Kritische Abhängigkeiten auflösen

Digitale Souveränität geht weit über eine reine Datensouveränität hinaus. Während mit letzterer vor allem die Kontrolle über die eigenen Daten gemeint ist, ist für eine wirkliche digitale Souveränität darüber hinaus der Zugriff auf Quellcode, Entscheidungsstrukturen und Standards, Jurisdiktion und Betreibermodelle wichtig. Eine digital souveräne Lösung muss also mehrere Bedingungen erfüllen. So sollte sie rechtssicher betrieben werden können. Unter anderem dürfen ausländische Behörden keinen Zugriff auf Daten haben. Außerdem muss es möglich sein, unkompliziert von einer zur anderen Lösung zu wechseln. Zudem sollte sie die Kontrolle auch bei Ausfall, Sperrung oder Wechsel von Dienstleistern ermöglichen und – etwa durch einsehbaren Quellcode – Transparenz bieten. Ein weiteres wichtiges Kriterium für digitale Souveränität ist, dass die Lösung durch Dienstleister oder eine Community weiterentwickelt werden kann.

Hier hilft der Bund allerdings aus: Mit dem Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung (ZenDiS) hat das Bundesministerium des Innern (BMI) im Jahr 2022 eigens eine staatliche Stelle geschaffen, die Bund, Länder und Kommunen dabei unterstützt, sich digital souveräner aufzustellen. Die Kernaufgabe: kritische Abhängigkeiten von Anbietern proprietärer Software aufzulösen. Derzeit konzentriert sich das ZenDiS da­rauf, den Einsatz von Open-Source-Software (OSS) in der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben. OSS erfüllt die Kriterien für digitale Souveränität überzeugend. So verhindert der offene Quellcode Lock-in-Effekte: Kommunen können jederzeit den Dienstleister wechseln oder mehrere Anbieter parallel beauftragen, ohne ihre Softwarebasis aufgeben zu müssen. Damit bleibt die Kontrolle selbst dann gewahrt, wenn ein Dienstleister ausfällt oder seine Dienste einstellt.

Plattform für offene Softwarelösungen

Ein weiterer Vorteil ist die Transparenz, die durch den einsehbaren Quellcode entsteht. So können Sicherheit und mögliche Risiken gut eingeschätzt werden. Schließlich bietet Open Source auch ein hohes Maß an Gestaltbarkeit: Die Lösungen sind anpassbar, erweiterbar und lassen sich nachhaltig einsetzen.

Eine zentrale Plattform für die Zusammenarbeit an Open-Source-Projekten in der Verwaltung ist openCode.de. Die Plattform bündelt offene Softwareprojekte, bietet Werkzeuge zur Zusammenarbeit und schafft Raum für Austausch. Neben einer integrierten Plattform für den gesamten Softwareentwicklungszyklus, dem GitLab, gibt es ein durchsuchbares Softwareverzeichnis sowie ein Diskussionsforum. Damit wird ein Netzwerk geschaffen, in dem Verwaltungen und Entwickler rechtssicher gemeinsam an Lösungen arbeiten, voneinander lernen und Ergebnisse für alle nutzbar machen können – auch über föderale Ebenen hinweg. Auf openCode liegen schon heute viele quelloffene Projekte, die kostenlos zur Nachnutzung bereitstehen. Mehr als 8.500 Nutzende sind auf der Plattform in über 3.600 Projekten aktiv.

Lösungen für Kommunen

Auch für Kommunen stehen einige Projekte mit Strahlkraft auf openCode.de bereit. Einige Beispiele: Der Gesundheitsamt-Lotse (GA-Lotse) ist ein modernes Fachverfahren für Gesundheitsämter, das kommunale Aufgaben im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) effizienter und digital souverän abbildet. Initiiert vom Gesundheitsamt Frankfurt am Main und mit Unterstützung des Landes Hessen umgesetzt, bündelt die Plattform zentrale Prozesse des ÖGD – etwa Einschulungsuntersuchungen, Hygienebegehungen oder andere wiederkehrende Verfahren – in einer einheitlichen, modularen Lösung. Mit dem GA-Lotsen können Gesundheitsämter ihre Arbeitsschritte digital abwickeln, Daten sicher verarbeiten und medienbruchfrei dokumentieren. Recht bekannt ist die KI-Assistenz F13: Ursprünglich als Prototyp der baden-württembergischen Landesverwaltung entwickelt, bietet F13 Funktionen wie Chat-Assistent, Dokumentenzusammenfassung und Rechercheunterstützung. Seit Juli 2025 ist F13 als Open-Source-Projekt auf openCode verfügbar – Quellcode, Community-Entwicklung und Weitergabe sind vollständig offen gestaltet, inklusive aktiver Wartung nach openCode-Standards.

Katalog erläutert die wichtigsten Lizenzen

Mit quelloffenen Angeboten können Verwaltungen effizienter werden und gleichzeitig Vorgaben des OZG erfüllen. Trotzdem fällt der Einstieg in Open-Source-Software auf Verwaltungsebene schwer. Es stellen sich Fragen nach den richtigen Betriebs­modellen sowie der Gestaltung der Vergabeverfahren, wenn Open-Source-Lizenzen in der Softwarebeschaffung berücksichtigt werden sollen. Auch hier unterstützt das Zentrum für Digitale Souveränität. So gibt es auf openCode einen kuratierten Katalog an Open-Source-Lizenzen. Darin sind die wichtigsten Lizenzen erläutert – samt rechtlicher Hinweise, welche Pflichten und Freiheiten mit der Nutzung verbunden sind. Damit soll verhindert werden, dass widersprüchliche Lizenzen eingesetzt werden. Zusätzlich vergibt openCode Qualitätssiegel für Software. Dabei werden die ­Aspekte Wartung, Nutzung und Sicherheit für Nutzende zertifiziert und durch entsprechende Badges gekennzeichnet. Damit lässt sich gut identifizieren, welche Projekte für den Einsatz im eigenen Bereich geeignet sind.

Open Source ist ein wirksames Werkzeug, um dem politischen Ziel der digitalen Souveränität näherzukommen. Die Voraussetzungen und Angebote für den Einstieg in Open-Source-Lizenzen sind geschaffen. Diese müssen nun genutzt werden – mit seinen Angeboten, vor allem openCode, kann das ZenDiS hierbei unterstützen.

Lutz Niemeyer ist Kommunikationsmanager beim Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung GmbH (ZenDiS).




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