Samstag, 10. Mai 2025

Digitale ZwillingeStadtentwicklung trotz Fachkräftemangel

[07.07.2023] Ob Wohnraumbedarf oder Klimawandel – Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Fotorealistische digitale Zwillinge machen wichtige Informationen auch technisch weniger versierten Planern und Entscheidern zugänglich. Die Vereinfachung von Prozessen beschleunigt die Entwicklung und wirkt Fachkräftemangel entgegen.
Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse

Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse, sondern können auch bei konkreten Bauprojekten Unterstützung bieten.

Aktive Baustelle in Utrecht (Niederlande). Reality-Capture-Daten der Stadt wurden mit dem BIM-Modell des Architekturbüros kombiniert. Der Baufortschritt kann anhand der Planungs- und Entwurfsdaten geprüft werden.

(Bildquelle: ESRI)

Wohl die meisten Menschen wünschen sich qualitativ hochwertige Lebensräume, in denen es bezahlbaren Wohnraum und eine gute Infrastruktur mit Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten gibt. Doch die Realität sieht vielerorts anders aus: Eine Studie des interdisziplinär forschenden Eduard Pestel Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE hat ergeben, dass aktuell deutschlandweit über 700.000 Wohnungen fehlen – das größte Wohnungsdefizit seit 20 Jahren. Diesen Mangel auszugleichen, ist alles andere als leicht. Die benötigten Rohstoffe sind knapp und kostspielig, darüber hinaus fehlt es in der Planung wie im Bau an Fachkräften. Deren Expertise ist aber essenziell, um die Lebensqualität in Städten und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen – auch dann, wenn die Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels in neuen Risiken wie etwa Hitzewellen oder Überschwemmungen resultieren.
Städteplaner, Behörden und Bauunternehmen stehen deshalb vor der gemeinsamen Aufgabe, Lösungen zu finden, die zu den anstehenden Veränderungen passen und die Lebensqualität vor Ort erhalten. Um informiert zu entscheiden und effizient zu handeln, sind intelligente Technologien nicht mehr wegzudenken. Einer dieser smarten Ansätze sind digitale Zwillinge – virtuelle Dubletten der realen Welt, mit der sich physische Objekte wie Bäume oder unterirdische Leitungen ebenso abbilden lassen wie Prozesse, Wechselbeziehungen oder Verhaltensweisen. Solche auf Geo-Informationssystemen basierenden digitalen Zwillinge kommen bereits in vielen Städten zum Einsatz.

Komplexe Daten in Beziehung setzen

Alle wichtigen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Versorgungsleitungen, Materialien und Wetter in einen gemeinsamen Kontext zu setzen und damit zu planen, ist unabdingbar, wenn sich Städte für die Zukunft rüsten wollen. Solche Faktoren entscheiden nicht nur maßgeblich darüber, ob Nachbarschaften bezahlbar sind, sondern spielen auch im Klimawandel eine wichtige Rolle. Das Umweltbundesamt geht beispielsweise davon aus, dass sich in Küstennähe die Anzahl extremer Niederschläge bereits im Jahr 2040 verdoppelt haben wird. Auch steigende Temperaturen werden zunehmend zum Problem, wenn versiegelte Oberflächen die Hitze über Nacht speichern und Wärmeinseln entstehen.
Mithilfe eines Digitale Zwillings lässt sich simulieren, wie sich solche Wetterextreme auf Städte und Gemeinden auswirken. Risikobereiche werden erkennbar und es ist möglich, Gegenmaßnahmen zu planen. Grünflächen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie wirken zum einen wie ein großer Schwamm, der Regen aufnimmt. Zum anderen helfen sie nachweislich dabei, die Umgebung abzukühlen.

Fachkräftemangel bremst Zukunftsentwicklung

Das Gute: Immer mehr Städte und Gemeinden investieren in Smart-City-Projekte, deren Ziel darin besteht, urbane Räume nachhaltiger, effizienter und sozial inklusiver zu gestalten. Seit 2019 beteiligt sich auch der Bund an dieser Entwicklung und will Fördermittel in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro bereitstellen, um deutsche Städte moderner und widerstandsfähiger zu gestalten. Doch wie in vielen Branchen könnte auch hier der Fachkräftemangel die hohen Ambitionen zum Scheitern bringen: Beispielsweise sind im Bauamt der Stadt Hannover aktuell fast 20 Prozent der Stellen unbesetzt. Auch auf den Baustellen spitzt sich der Mangel immer weiter zu. Bis 2035 könnten hier bis zu 250.000 Arbeitskräfte fehlen, wie eine Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft ergibt. Die verfügbaren Fachkräfte sind demnach schon jetzt völlig überlastet. Ihnen bleibt neben ihren täglichen Aufgaben kaum Zeit, sich Kenntnisse für den Umgang mit modernen Technologien anzueignen.
Dass der Lebenswert von Städten sinkt, weil Städteplanerinnen und -planer, Bauunternehmen und Behörden den aktuellen Herausforderungen aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels nicht gewachsen sind, ist nicht hinnehmbar. Stattdessen sollten alle wichtigen Informationsebenen so dargestellt werden, dass sie auch von technisch weniger versierten Planungsverantwortlichen nachvollzogen werden können.

Digitale Zwillinge verkürzen Entscheidungsprozesse

Genau hier setzen fotorealistische digitale Zwillinge an. Drohnen, Flugzeuge und Satelliten sammeln Bilddaten, die automatisiert zu wirklichkeitsgetreuen Abbildern von Baustellen, Wohnvierteln oder ganzen Städten berechnet werden. Zusammen mit weiteren Daten wie Katastervermessungen, Versorgungsnetzen, Gebäudeinformationsmodellen und Echtzeit-Sensordaten werden die Bilder zu vollwertigen und vor allem leicht verständlichen digitalen Abbildern der Stadt.
#bild2 Für diejenigen, die an der Gestaltung unserer Städte und Gemeinden beteiligt sind, bedeutet eine solche Technologie, dass sie weniger Transferleistung erbringen müssen. Durch die fotorealistische Darstellung können Daten aus allen Fachbereichen in eine räumliche Beziehung gebracht werden. Kombiniert mit weiteren Datenquellen lassen sich vergangene Szenarien analysieren und die potenziellen Auswirkungen auf die Zukunft bestimmen. So bleibt nichts im Verborgenen, was für die Städte der Zukunft eine Rolle spielt. Gleichzeitig haben die beteiligten Fachkräfte mehr Zeit, die tatsächliche Umsetzung voranzutreiben, anstatt sich an technischen Details aufzuhalten, für die ihnen mitunter Kenntnisse fehlen.
Fotorealistische digitale Zwillinge sind ein gutes Beispiel dafür, wie komplexe Prozesse technologiegestützt effizienter, verständlicher und zugänglicher gestaltet werden können. Insbesondere bei der Stadtplanung müssen unterschiedlichste Dimensionen und Daten miteinander in Beziehung gebracht werden. Manuell ist das nahezu unmöglich, selbst für erfahrenes Fachpersonal. Mithilfe digitaler Zwillinge können Projekte so modelliert und umgesetzt werden, dass alle Beteiligten über denselben Wissensstand verfügen – und deshalb an einem Strang ziehen können, wenn es um die Zukunft lebenswerter Städte geht.

Konrad Wenzel ist Director des Esri R&D Center, Christoph Zonsius ist Head of Sales State & Local Government bei Esri Deutschland.




Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Porträtaufnahme von Professor Dr. Schachtner.
interview

Smart City und E-Government: Ganzheitlich denken

[08.05.2025] Eine NEGZ-Studie hat die Synergieeffekte zwischen Smart City und E-Government in den Blick genommen. Studienautor Christian Schachtner, Professor an der Hochschule RheinMain, erläutert die Ergebnisse. mehr...

Scan-Fahrzeug auf dem Parkplatz der Uni Hohenheim.

Baden-Württemberg: Parkraumkontrolle mit Scan-Fahrzeug

[08.05.2025] Als erstes Bundesland ermöglicht Baden-Württemberg den Einsatz von Scan-Fahrzeugen zur digitalen Parkraumkontrolle. Um die Einführung in den Kommunen zu erleichtern, wird ein Pilotversuch auf den Parkplätzen der Universität Hohenheim durchgeführt. mehr...

Franziska Pöhlmann (Projektleiterin FichtelApp), Lena Ostermeyer (Projektmitarbeiterin FichtelApp), Landrat Peter Berek.

Kreis Wunsiedel: FichtelApp besonders nutzerfreundlich

[08.05.2025] Im Smart‑City‑App‑Vergleich des Bundesinstituts für Bau‑, Stadt‑ und Raumforschung (BBSR) hat die FichtelApp des Landkreises Wunsiedel hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit den ersten Platz belegt. mehr...

Geschäftsmann hält Puzzle mit virtuellem Symbol.

Data Governance Wegweiser: Praxisnahe Anleitung für Kommunen

[06.05.2025] Mit dem Data Governance Wegweiser steht den Kommunen nun ein Werkzeugkasten für den strategischen Umgang mit Daten zur Verfügung. Er thematisiert die rechtlichen Unsicherheiten sowie unklaren Zuständigkeiten, Strukturen und Prozesse, die oft verhindern, dass Digitalisierungsprojekte aus der Planungsphase herauskommen. mehr...

Ein Mann und eine Frau wandern im Fichtelgebirge

Kreis Wunsiedel: Fichtelgebirge als digitale Modellregion

[06.05.2025] Von einem Ideenwettbewerb, bei dem Start-ups digitale Lösungen für die Stadtentwicklung pilotieren, sollen die Kommunen im Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge profitieren. Gesucht wurden unter anderem Lösungen für die smarte Müllerfassung, die intelligente Buchung kommunaler Sporthallen oder eine Augmented-Reality-Anwendung für Wanderwege. mehr...

Fahrrad an dem ein Umweltsensor befestigt ist.

Arnsberg: Sensoren sammeln Umweltdaten

[05.05.2025] Lokale Umweltdaten, mit denen sich klimatische Entwicklungen nachvollziehen lassen, sind eine wertvolle Grundlage für die Stadtentwicklung. In Arnsberg werden solche Informationen künftig in einem Klimadashboard gebündelt. Bei der Erhebung der Daten mittels Sensoren nimmt die Stadt die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger in Anspruch. mehr...

Fünf Personen stehen um den Reinigungsroboter – ein kniehohes kastenförmiges Gerät – versammelt, der auf einer Wiese im Park aufgestellt ist.

Mannheim: Grünflächen smart reinigen

[02.05.2025] Ob ein autonomer Roboter die Reinigung öffentlicher Grünflächen übernehmen kann, will die Stadt Mannheim herausfinden. Sechs Monate lang testet sie nun ein solches Gerät, das kleinteiligen Müll wie Zigarettenstummel oder Kronkorken erkennen kann. Bevor es den Unrat einsammelt, meldet es diesen georeferenziert. mehr...

Pepper, der humanoide Roboter, steht in einem Vortragsraum, im Hintergrund sind ein Sprecher und Zuhörer zu sehen.

Hanau: Roadshow im Sinne der Bürgerbeteiligung

[02.05.2025] Mit einer Roadshow zur Smart City wendet sich die Stadt Hanau an ihre Bürgerinnen und Bürger. Zum einen will sie in diesem Rahmen die in Hanau bereits vorhandenen smarten Lösungen sichtbar machen. Zum anderen will sie die Meinungen, Anregungen und Impulse der Bürgerschaft dazu aufnehmen. mehr...

Screenshot aus dem 3D-Viewer mit dem digitalen Stadtmodell Arnsbergs.

Arnsberg: 3D-Stadtmodell mit neuen Funktionen

[30.04.2025] Die Stadt Arnsberg hat ihren Digitalen Zwilling erweitert: Neu integriert sind eine 3D-Solarpotenzialanalyse und die Visualisierung beantragter Windkraftanlagen. Ziel ist es, nachhaltige Energieprojekte gezielt zu fördern und zu unterstützen. mehr...

Die Personengruppe steht vor dem Schild einer Rettungszufahrt, die mit einem KI-Kamerasensor ausgestattet ist.

Friedrichshafen: LoRaWAN liefert wertvolle Daten

[29.04.2025] Mit LoRaWAN arbeitet jetzt die Stadt Friedrichshafen. Ergänzt um KI-gestützte Kamerasensoren überwacht sie damit beispielsweise den Belegungszustand von Rettungszufahrten. Auch den Standort von Rettungsringen am Bodenseeufer oder den Verbleib mobiler Stadtmöbel kann sie damit einfach und datenschutzkonform nachvollziehen. mehr...

Das VIAA-Projektteam der Hansestadt Lübeck steht um einen Multitouchtisch versammelt.
bericht

Lübeck: VIAA setzt neue Maßstäbe

[28.04.2025] Die Stadt Lübeck beschreitet mit ihrem vom Bund geförderten Verkehrsprojekt neue Wege. Die Kombination aus moderner Technologie, datenbasierter Analyse und praxisnahen Testfeldern ermöglicht eine flexible, nachhaltige und zukunftssichere Verkehrssteuerung. mehr...

Panoramaansicht der Innenstadt von Jena

Jena: Smarter und vernetzter

[25.04.2025] Im Rahmen des Smart-City-Projekts der Stadt Jena sind bereits zahlreiche innovative Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt worden – vom Umweltschutz über digitale Teilhabe bis hin zu Gesundheitsversorgung und Mobilität. mehr...

Luftaufnahme von Regensburg.

Regensburg: Verbessertes Verkehrsmanagement

[24.04.2025] Mit einem umfassend modernisierten Verkehrsmanagementsystem arbeitet jetzt die Stadt Regensburg. Herzstück ist der erneuerte zentrale Verkehrsrechner. Auch wurden Ampelanlagen modernisiert, Umweltsensoren installiert und ein digitales Qualitätsmanagement eingerichtet. mehr...

Svenja Schönert, Robin Eisbach, Sebastian Klein und Dennis Ignasiak stehen vor einem großen Bildschirm plus Whiteboard, auf denen jeweils ein Screenshot der Datenplattform der Smart City Menden zu sehen sind.

Menden: Digitaler Zwilling veröffentlicht

[23.04.2025] Einen Digitalen Zwilling der Stadt bietet jetzt die Smart City Menden an. Die neue Onlineplattform zeigt lokale Umwelt- und Klimadaten in Echtzeit an und bietet damit praktische Funktionen für den Alltag – vom Hochwasserschutz mithilfe von Live-Pegeldaten bis hin zum digitalen Besuch eines 3D-Stadtmodells. mehr...

Duisburg: Smart City sucht Bürgerideen

[17.04.2025] Ihren Smart-City-Masterplan will die Stadt Duisburg gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern weiterentwickeln. Noch bis Ende Mai können diese ihre Ideen online einbringen. Die Stadt will alle Vorschläge sichten, bewerten und, sofern möglich, in den neuen Masterplan einbringen. mehr...