Dienstag, 24. Juni 2025

Digitale ZwillingeStadtentwicklung trotz Fachkräftemangel

[07.07.2023] Ob Wohnraumbedarf oder Klimawandel – Städte und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen. Fotorealistische digitale Zwillinge machen wichtige Informationen auch technisch weniger versierten Planern und Entscheidern zugänglich. Die Vereinfachung von Prozessen beschleunigt die Entwicklung und wirkt Fachkräftemangel entgegen.
Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse

Digitale Zwillinge erleichtern nicht nur komplexe Planungs- und Entscheidungsprozesse, sondern können auch bei konkreten Bauprojekten Unterstützung bieten.

Aktive Baustelle in Utrecht (Niederlande). Reality-Capture-Daten der Stadt wurden mit dem BIM-Modell des Architekturbüros kombiniert. Der Baufortschritt kann anhand der Planungs- und Entwurfsdaten geprüft werden.

(Bildquelle: ESRI)

Wohl die meisten Menschen wünschen sich qualitativ hochwertige Lebensräume, in denen es bezahlbaren Wohnraum und eine gute Infrastruktur mit Bildungs-, Kultur- und Freizeitangeboten gibt. Doch die Realität sieht vielerorts anders aus: Eine Studie des interdisziplinär forschenden Eduard Pestel Instituts und des Bauforschungsinstituts ARGE hat ergeben, dass aktuell deutschlandweit über 700.000 Wohnungen fehlen – das größte Wohnungsdefizit seit 20 Jahren. Diesen Mangel auszugleichen, ist alles andere als leicht. Die benötigten Rohstoffe sind knapp und kostspielig, darüber hinaus fehlt es in der Planung wie im Bau an Fachkräften. Deren Expertise ist aber essenziell, um die Lebensqualität in Städten und Gemeinden dauerhaft sicherzustellen – auch dann, wenn die Auswirkungen des voranschreitenden Klimawandels in neuen Risiken wie etwa Hitzewellen oder Überschwemmungen resultieren.
Städteplaner, Behörden und Bauunternehmen stehen deshalb vor der gemeinsamen Aufgabe, Lösungen zu finden, die zu den anstehenden Veränderungen passen und die Lebensqualität vor Ort erhalten. Um informiert zu entscheiden und effizient zu handeln, sind intelligente Technologien nicht mehr wegzudenken. Einer dieser smarten Ansätze sind digitale Zwillinge – virtuelle Dubletten der realen Welt, mit der sich physische Objekte wie Bäume oder unterirdische Leitungen ebenso abbilden lassen wie Prozesse, Wechselbeziehungen oder Verhaltensweisen. Solche auf Geo-Informationssystemen basierenden digitalen Zwillinge kommen bereits in vielen Städten zum Einsatz.

Komplexe Daten in Beziehung setzen

Alle wichtigen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Versorgungsleitungen, Materialien und Wetter in einen gemeinsamen Kontext zu setzen und damit zu planen, ist unabdingbar, wenn sich Städte für die Zukunft rüsten wollen. Solche Faktoren entscheiden nicht nur maßgeblich darüber, ob Nachbarschaften bezahlbar sind, sondern spielen auch im Klimawandel eine wichtige Rolle. Das Umweltbundesamt geht beispielsweise davon aus, dass sich in Küstennähe die Anzahl extremer Niederschläge bereits im Jahr 2040 verdoppelt haben wird. Auch steigende Temperaturen werden zunehmend zum Problem, wenn versiegelte Oberflächen die Hitze über Nacht speichern und Wärmeinseln entstehen.
Mithilfe eines Digitale Zwillings lässt sich simulieren, wie sich solche Wetterextreme auf Städte und Gemeinden auswirken. Risikobereiche werden erkennbar und es ist möglich, Gegenmaßnahmen zu planen. Grünflächen spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie wirken zum einen wie ein großer Schwamm, der Regen aufnimmt. Zum anderen helfen sie nachweislich dabei, die Umgebung abzukühlen.

Fachkräftemangel bremst Zukunftsentwicklung

Das Gute: Immer mehr Städte und Gemeinden investieren in Smart-City-Projekte, deren Ziel darin besteht, urbane Räume nachhaltiger, effizienter und sozial inklusiver zu gestalten. Seit 2019 beteiligt sich auch der Bund an dieser Entwicklung und will Fördermittel in Höhe von insgesamt 750 Millionen Euro bereitstellen, um deutsche Städte moderner und widerstandsfähiger zu gestalten. Doch wie in vielen Branchen könnte auch hier der Fachkräftemangel die hohen Ambitionen zum Scheitern bringen: Beispielsweise sind im Bauamt der Stadt Hannover aktuell fast 20 Prozent der Stellen unbesetzt. Auch auf den Baustellen spitzt sich der Mangel immer weiter zu. Bis 2035 könnten hier bis zu 250.000 Arbeitskräfte fehlen, wie eine Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft ergibt. Die verfügbaren Fachkräfte sind demnach schon jetzt völlig überlastet. Ihnen bleibt neben ihren täglichen Aufgaben kaum Zeit, sich Kenntnisse für den Umgang mit modernen Technologien anzueignen.
Dass der Lebenswert von Städten sinkt, weil Städteplanerinnen und -planer, Bauunternehmen und Behörden den aktuellen Herausforderungen aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels nicht gewachsen sind, ist nicht hinnehmbar. Stattdessen sollten alle wichtigen Informationsebenen so dargestellt werden, dass sie auch von technisch weniger versierten Planungsverantwortlichen nachvollzogen werden können.

Digitale Zwillinge verkürzen Entscheidungsprozesse

Genau hier setzen fotorealistische digitale Zwillinge an. Drohnen, Flugzeuge und Satelliten sammeln Bilddaten, die automatisiert zu wirklichkeitsgetreuen Abbildern von Baustellen, Wohnvierteln oder ganzen Städten berechnet werden. Zusammen mit weiteren Daten wie Katastervermessungen, Versorgungsnetzen, Gebäudeinformationsmodellen und Echtzeit-Sensordaten werden die Bilder zu vollwertigen und vor allem leicht verständlichen digitalen Abbildern der Stadt.
#bild2 Für diejenigen, die an der Gestaltung unserer Städte und Gemeinden beteiligt sind, bedeutet eine solche Technologie, dass sie weniger Transferleistung erbringen müssen. Durch die fotorealistische Darstellung können Daten aus allen Fachbereichen in eine räumliche Beziehung gebracht werden. Kombiniert mit weiteren Datenquellen lassen sich vergangene Szenarien analysieren und die potenziellen Auswirkungen auf die Zukunft bestimmen. So bleibt nichts im Verborgenen, was für die Städte der Zukunft eine Rolle spielt. Gleichzeitig haben die beteiligten Fachkräfte mehr Zeit, die tatsächliche Umsetzung voranzutreiben, anstatt sich an technischen Details aufzuhalten, für die ihnen mitunter Kenntnisse fehlen.
Fotorealistische digitale Zwillinge sind ein gutes Beispiel dafür, wie komplexe Prozesse technologiegestützt effizienter, verständlicher und zugänglicher gestaltet werden können. Insbesondere bei der Stadtplanung müssen unterschiedlichste Dimensionen und Daten miteinander in Beziehung gebracht werden. Manuell ist das nahezu unmöglich, selbst für erfahrenes Fachpersonal. Mithilfe digitaler Zwillinge können Projekte so modelliert und umgesetzt werden, dass alle Beteiligten über denselben Wissensstand verfügen – und deshalb an einem Strang ziehen können, wenn es um die Zukunft lebenswerter Städte geht.

Konrad Wenzel ist Director des Esri R&D Center, Christoph Zonsius ist Head of Sales State & Local Government bei Esri Deutschland.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Smart City
Grafik zeigt eine ländliche Landschaft umgeben von Bergen, darüber schweben unterschiedliche Symbole zu Temperatur, Niederschlag, Mobilität, Straßen und ähnliches die miteinander verbunden sind.

Innovation trifft Praxis: Digitale Teilhabe auf dem Land

[24.06.2025] Mit praxisnahen Vorträgen, Good Practices, Technik-Demonstrationen und Diskussionsrunden soll am 25. Juni in Schimberg ersichtlich werden, wie die Digitalisierung abseits der großen Städte gelingt. Die Veranstaltung kann kostenlos und online im Livestream oder vor Ort besucht werden. mehr...

Drei Personen sitzen vor einem Banner, das die Eröffnung des Smart Region Hub in Bad Nauheim ankündigt.

Bad Nauheim: Hessens dritter Smart Region Hub

[24.06.2025] Ende Juni eröffnet mit Digital.im.Puls der dritte Smart Region Hub in Hessen. Mit smarten Technologien macht er in Bad Nauheim digitale Anwendungsbeispiele im Stadtleben ersichtlich und soll als Ort der Ideen, des Austauschs und der Zusammenarbeit fungieren. mehr...

Vektorgrafik, die mehrere Personen zeigt, die an einem Tisch sitzend miteinander diskutieren, teilweise mit Laptopeinsatz.

Digitales Duisburg: Ergebnisse der Bürgerbeteiligung

[20.06.2025] Duisburg arbeitet derzeit an der Version 2.0 des Smart-City-Masterplans der Stadt. Bis Ende Mai fand dazu eine hybride Bürgerbeteiligung statt, für die nun erste Ergebnisse vorliegen. Positiv bewertet wurden beispielsweise die DuisburgApp und der Mängelmelder. mehr...

Bürstadt / Lampertheim: Smart City interkommunal umsetzen

[20.06.2025] Den Weg zur Smart City gehen die Städte Bürstadt und Lampertheim gemeinsam. Das Projekt umfasst unter anderem Lösungen zur smarten, bedarfsgerechten Bewässerung, zur Verkehrszählung oder zur Waldbranddetektion. mehr...

Die Vektorgrafik zeigt Personen, die mithilfe von Technik Statistikdiagramme und -grafiken analysieren.

Mönchengladbach: Neues Stadtlabor startet

[17.06.2025] Mönchengladbach eröffnet jetzt das stadtlabor.mg, ein Citizen Lab, das als zentraler Ort für digitale Bildung, das gemeinsame Forschen und die digitale Teilhabe dienen soll. In Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern sollen hier digitale Lösungen für die Stadt entwickelt und getestet werden. mehr...

Ein Modell der Sensoren, die für die smarte Baumbewässerung im Palmengarten genutzt werden

Frankfurt am Main: Bäume werden smart bewässert

[16.06.2025] Das Grünflächenamt der Stadt Frankfurt am Main, der Palmengarten und das Fraunhofer-Institut FIT arbeiten aktuell an einer smarten Lösung für eine bedarfsgerechte Bewässerung von Bäumen. Das Projekt soll als Blaupause für andere Kommunen bundesweit dienen. mehr...

Baumkataster Emmerich Ausschnitt

Emmerich: Digitales Baumkataster

[13.06.2025] 
Wie alt ist der Baum vor der eigenen Haustür? Die Stadt Emmerich am Rhein hat die Daten zu rund 8.500 Straßenbäumen jetzt in einem digitalen Baumkataster online verfügbar gemacht – mitsamt Angaben zu Standort, Baumart, Alter oder Kronendurchmesser. mehr...

Studie: Datenplattformen im Vergleich

[11.06.2025] Eine neue Veröffentlichung aus der Begleitforschung der Modellprojekte Smart Cities (MPSC) nimmt Urbane Datenplattformen (UDP) in den Blick. Ein Marktüberblick und ein Kriterienkatalog sollen Kommunen helfen, die für sie passende Lösung zu finden. 
 mehr...

Vektorgrafik einer Smart City.

dataMatters: 25 Städte an urbanOS angeschlossen

[11.06.2025] Das Kölner Start-up dataMatters hat ein Pilotprogramm gestartet, in dessen Rahmen Kommunen die Smart-City-Lösung umfassend in einem frühen Testbetrieb erproben können. Städte, Landkreise und Gemeinden erhalten dabei bis zu 50 Sensoren, Zugriff auf KI-gestützte Datenanalyse und das Dashboard. mehr...

Grafik zur Funktionsweise des Projekts ScwarmMessRad

Aachen: SchwarmMessRad sammelt Umweltdaten

[10.06.2025] Die von der Stadt Aachen verliehenen Lastenräder sammeln ab sofort in Echtzeit verschiedene Umweltdaten. Die im Rahmen des Projekts SchwarmMessRad gewonnenen Erkenntnisse will die Stadt unter anderem nutzen, um die Stadtplanung zu optimieren und Klimaanpassungsmaßnahmen voranzutreiben. mehr...

Lars Terme vom Grünflächenamt steht auf einer Hubleiter neben einem Baum mit Sensor.

Dortmund: Sensoren für die Stadtbaumpflege

[03.06.2025] Ob smarte Technik das Dortmunder Grünflächenamt bei der Baumpflege unterstützen kann, soll ein Modellprojekt zeigen. Mehrere Stadtbäume sind dafür mit Sensoren ausgestattet worden, welche die Feuchtigkeit in den Baumkronen messen. mehr...

disy-florest-digitale-starkregenvorsorge-smartapp-datenerfassung

Katastrophenschutz: Mit FloReST fit für Starkregen

[02.06.2025] 
Im Rahmen des Projeks FloReST wurde eine neue Lösung für die digitale Starkregenvorsorge entwickelt. Diese basiert auf der Software disy Cadenza und verknüpft Bürgerbeteiligung, Datenanalyse und 3D-Visualisierung. mehr...

Aachen: Smart City Hackathon

[30.05.2025] In Aachen wurde erstmals ein Smart City Hackathon Premiere durchgeführt. In multidisziplinären Teams wurden konkrete Lösungsansätze für zentrale Herausforderungen der smarten Stadtentwicklung erarbeitet. mehr...

BSI: Sicherheit für urbane Datenplattformen

[20.05.2025] Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat eine Richtlinie rund um die Sicherheit urbaner Datenplattformen veröffentlicht. Kommunen werden unterstützt, Sicherheitsaspekte frühzeitig mitzudenken und Risiken systematisch zu adressieren – für eine sichere, smarte Stadtentwicklung. mehr...

Diagramm, dass die Funktionsweise von urbanOS zeigt.

urbanOS: Betriebssystem für smarte Städte

[20.05.2025] Das Betriebssystem urbanOS des Kölner Start-ups dataMatters soll Städte beim digitalen Infrastrukturmanagement unterstützen – mit föderierter KI, hohem Datenschutz und flexibler Anbindung. Erste Pilotprojekte laufen in über 20 Kommunen. mehr...