InterviewThemen der Zukunft im Blick

Thomas Wieland
(Bildquelle: Metropolregion Rhein-Neckar GmbH)
Herr Wieland, worin liegen bei der Digitalisierung die Hauptunterschiede zwischen der Metropolregion Rhein-Neckar (MRN) und dem Landkreis Bergstraße, wo Sie zuvor tätig waren?
Der Landkreis Bergstraße ist als moderne Verwaltung stark in aktuelle Themen der Digitalisierung eingebunden und operativ ausgerichtet. Die Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS), mobiles Arbeiten für 1.500 Beschäftigte – das sind die gegenwärtigen Themen im Landkreis, der ja den hessischen Teil der Metropolregion abdeckt. Die MRN zielt dagegen viel stärker auf die Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und öffentlicher Verwaltung ab. Die MRN ist ein Intermediär und Beschleuniger. Unsere Aufgabe ist es, länderübergreifende Regionalentwicklung mit besonderem Schwerpunkt auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu betreiben.
Beim Landkreis haben Sie ein Dokumenten-Management-System eingeführt, das ja eine Grundlage für die Verwaltungsdigitalisierung ist. Wie sehen Ihre Erfahrungen aus?
Die großen Hindernisse waren nicht technischer, sondern organisatorischer Art. Verwaltung ist traditionell in Silos aufgebaut, in hierarchischen Strukturen. Die Digitalisierung ist dagegen prozessorientiert und geht im Zweifel über Abteilungen und Verwaltungsebenen hinweg. Ich sage immer: E-Government und Verwaltungsmodernisierung sind 80 Prozent Organisationsentwicklung und nur 20 Prozent Technikeinsatz. Unser Ansatz war deshalb: Die Technik muss der Strategie folgen und nicht umgekehrt. Eine Zielsetzung ist wichtig. Wir haben im Landkreis schon 2014 zusammen mit dem Fraunhofer-Institut FOKUS einen Masterplan entworfen, der beinhaltete, erst einmal die internen Prozesse zu digitalisieren, bevor wir uns der Außenöffnung widmen. Das heißt: Einscannen, Digitalisierung von Akten, Einführung eines DMS mit den entsprechenden Workflows. Als das Onlinezugangsgesetz (OZG) kam, waren wir schon gut vorbereitet. Und als die Corona-Pandemie begann, konnten wir ad hoc sehr viele Leute ins Homeoffice schicken.
Sie haben mit dem Landkreis Bergstraße auch eine Bildungsplattform aufgebaut mit Weiterbildungsangeboten für Bestandsbeschäftigte.
Die Bildungsplattform Kommunalcampus (www.kommunalcampus.net) ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit der MRN mit einem Landkreis sowie mit dem Land Hessen und den Kommunalen Spitzenverbänden in Hessen. Wir hatten einen enormen Bedarf an digitaler Qualifikation entdeckt und konnten den hessischen CIO und Staatssekretär Patrick Burghardt für die Idee einer Bildungsplattform begeistern, die wirklich einmalig ist. Schnell waren auch hier länderübergreifend zahlreiche weitere kommunale Akteure mit dabei, etwa die Stadt Ludwigshafen am Rhein. Auf unserer Plattform können Bildungsanbieter Angebote einstellen, die qualitätsgesichert sind und zudem geclustert werden. Das heißt, es gibt über 200 Kurse zu Themenbereichen wie „Digital Führen“, „Digitalisierungsprojekte gestalten“, „Smart Cities entwickeln“ oder „Digitale Transformation gestalten“. Die Kurse lassen sich relativ individuell zusammenstellen. Es wird zunächst Vorwissen mittels einer Soll-Ist-Analyse ermittelt, sodass nicht alles doppelt gelernt werden muss. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gestalten einen individuellen Lernpfad in Form von Basis- und Intensivmodulen und sind im Anschluss an einen Kurs befähigt, beispielsweise Projekt-Management durchzuführen oder in ihrer Behörden Changemanagement umzusetzen.
„Digitalisierung ist prozessorientiert. Die Technik muss der Strategie folgen und nicht umgekehrt.“
Mit welchen neuen Themen sind Sie bei der MRN befasst?
Mit einem ganzen Portfolio von Themen. Wir haben hier beispielsweise die OZG-Modellkommunen, die bestimmte Themenfelder wie Digitale Stadtgesellschaft, Digitaler Straßenraum oder das Megathema Bauen und Planen abdecken. Wenn eine Ampelkoalition in Berlin 400.000 Wohnungen pro Jahr auf den Markt bringen will, ist das zwar leicht gesagt, am Ende sind es aber die Kommunen, die es umsetzen müssen – von der Ausweisung eines Baugebiets bis zum Baugenehmigungsprozess. Das ist ein sehr komplexes Thema, weil viele Stakeholder eingebunden sind – Bauherren, Architekten, Behörden. Bei der Digitalisierung steht immer ein Effizienzgewinn im Vordergrund, die Prozesse müssen effizient gestaltet und zeitlich verkürzt werden. Man kann mit Digitalisierung viel erreichen, das Land Baden-Württemberg ist gemeinsam mit der MRN Vorreiter in diesem Themenfeld.
Wie ist der aktuelle Stand beim OZG-Themenfeld Digitaler Straßenraum? Welche Prozesse sind hier bereits digitalisiert?
Wir haben uns dabei zunächst auf das Backoffice konzentriert. Wenn zum Beispiel ein Telekommunikationsanbieter ein Glasfaserkabel verlegen will und eine Straßentiefbaumaßnahme plant, dann sind so genannte verkehrsrechtliche Anordnungen erforderlich – Parkverbotsschilder oder eine Umleitung. Das soll nun einheitlich schon in den Kommunalverwaltungen als digitaler Prozess gestaltet und in Geo-Informationssystemen zur Verfügung gestellt werden. Wenn dann im Schwerlastverkehr eine bestimmte Route geplant wird, ist gleich zu sehen, ob eine Straße nicht benutzt werden kann. Das OZG wird dagegen schon bei der Antragstellung relevant, im Frontoffice. In meinem Beispiel reicht der Telekommunikationsanbieter digital einen Antrag ein, der innerhalb der Behörden elektronisch weiterbearbeitet wird.
Inwiefern verbindet die MRN Theorie und Praxis?
Wir legen einen starken Fokus auf Wissenschaft und Forschung und blicken damit in die nahe und teilweise auch ferne Zukunft der Digitalisierung. Wir befassen uns jetzt schon mit Blockchain, künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Das ist ja der nächste Schritt: Über die Registermodernisierung kann man eine Verschränkung von Daten erreichen, sodass Prozesse und sogar Entscheidungen automatisiert ablaufen. Die meisten Kommunalverwaltungen haben das gegenwärtig noch nicht im Blick. Unsere Aufgabe bei der MRN liegt also darin, die Themen der Zukunft anzugehen, von denen wir glauben, dass sie in fünf oder zehn Jahren für die Kommunalverwaltung relevant sein werden. Auf der mittleren Ebene haben wir eine länderübergreifende kooperative Funktion und sind Labor und Erprobungsraum. Wenn eines unserer Bundesländer eine gute Idee für die Weiterentwicklung von E-Government-Prozessen hat und einen Erprobungsraum benötigt, nehmen daran unsere Pilotkommunen teil. War der Erprobungsraum erfolgreich, können wir den Roll-out organisieren. Wir entwickeln also Konzepte, wie man von den theoretischen Erkenntnissen und der erfolgreichen Erprobung zur Anwendung in der Fläche gelangt. Exemplarisch mit der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer und im Rahmen des kooperativen Modellvorhabens mit den drei Länder-CIOs wollen wir das künftig noch stärker fokussieren als bisher. Denn das ist ja die eigentliche Transformation.
https://metropolatlas.digitale-mrn.de
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März 2022 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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