StudieWie E-Government gelingt

Estland ist digitales Vorbild in Europa.
(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)
Während Estland oder Österreich ein relativ breites E-Government-Angebot bereitstellen, gehört Deutschland neben den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich zu den Ländern mit größerem Nachholbedarf. Das zeigt ein vom Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation herausgegebenes Länder-Ranking. In der Studie sind sieben europäische Länder berücksichtigt worden, die sich für einen Vergleich eignen. Estland, Deutschland, die Niederlande, Österreich, Spanien, die Türkei und das Vereinigte Königreich wurden eruiert.
Auch die Dienste sind laut dem Autor, Thomas Zefferer vom Zentrum für sichere Informationstechnologie, so ausgewählt worden, dass ein fairer Vergleich möglich ist: Existiert eine landesweite eID-Lösung, über die sich Bürger bei E-Government-Diensten eindeutig identifizieren können? Können die Bürger bei E-Government-Verfahren qualifizierte elektronische Signaturen erstellen? Können Bürger steuerbezogene Verfahren online abwickeln? Gibt es E-Government-Dienste, die Eltern bei der Registrierung ihres Kindes unterstützen? Unterstützen E-Government-Dienste die Bürger bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen? Können die Bürger Kopien beziehungsweise Duplikate von Standesurkunden anfordern? Unterstützen E-Government-Dienste die Bürger bei Angelegenheiten rund um Wohnen und Umzug?Können die Bürger digital ein Unternehmen gründen?
Signifikante Unterschiede
Über ein eID-System verfügen im Wesentlichen alle untersuchten Länder. Ebenfalls werden in allen Ländern Dienste zur elektronischen Abwicklung von Steuerangelegenheiten angeboten. Bei der Nutzungshäufigkeit zeigen sich aber deutliche Unterschiede. Zefferer verweist auf Zahlen von Eurostat, wonach im Jahr 2013 in Deutschland nur 35 Prozent der E-Government-Nutzer von der elektronischen Steuererklärung Gebrauch machten. In Österreich und Estland waren es hingegen 60 beziehungsweise 82 Prozent. Die qualifizierte elektronische Signatur bieten außer den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich alle Staaten an. Im Bereich Sozialleistungen stellen außer den Niederlanden ebenfalls alle untersuchten Länder Online-Dienste bereit. Die Anzahl der Angebote unterscheide sich aber mitunter signifikant. Deutschland etwa biete mit der Abfragemöglichkeit persönlicher Kindergeldinformationen lediglich einen eingeschränkten Service aus dem Bereich der Sozialleistungen an.
Zudem sind in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarländern Bürgerdienste rund um die Themen Wohnsitz, Umzug oder die Gründung von Unternehmen bislang nicht online verfügbar. Die vollständig elektronische Meldung einer Geburt ist nur in Estland möglich, dem Vorreiter bei der Digitalisierung öffentlicher Services. Die dortigen Erfolgsbedingungen und deren Übertragbarkeit auf andere Staaten beleuchtet das Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation in einem gesonderten Bericht. Darin geben die Autoren Sebastian Rieger, Fellow am Vodafone Institut, und David Deißner, Leiter Strategie und Programme am Vodafone Institut, auch Empfehlungen für politische Entscheidungsträger. Der Bericht basiert auf Hintergrundgesprächen mit estnischen E-Government-Experten aus Regierung, Ministerien, Unternehmen und Wissenschaft.
Digitaler Vorreiter Estland
Estland verfügt laut dem Report über eine hoch entwickelte digitale Infrastruktur, die von den Bürgern sowie den Unternehmen mit großer Selbstverständlichkeit genutzt wird. Zusätzlich habe das Land eine Vielzahl von Online-Verwaltungsangeboten entwickelt, die zum Teil mehrere Behördengänge bündeln und deutliche Zeitersparnisse ermöglichen. Im Rahmen der Digitalisierung wurden zudem Prozesse verschlankt und Verantwortlichkeiten neu geordnet.
Um die Nutzung digitaler Dienste zu fördern, empfehlen die Autoren, Anreize zu setzen und Belohnungen zu vergeben. Vorgeschlagen wird etwa ein Online-Bonus in Form einer schnelleren Bearbeitung von behördlichen Vorgängen. „Das Ziel ist, Anreizsysteme direkt in E-Government-Projekte einzubetten und die Vorteile, die für den Bürger entstehen, herauszustellen“, sagt Siim Sikkut, Berater für digitale Strategien in der estnischen Regierungskanzlei. Die Vorzüge der digitalen Angebote müssen im Lebensalltag der Bürger unmittelbar ersichtlich sein und von den staatlichen Stellen klar kommuniziert werden. Deutliche Zeitersparnisse und weniger Kosten seien hier wirkungsvolle Argumente. So ermöglicht die digitale Unterschrift in Estland eine Zeitersparnis im Wert von zwei Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts. Digitale Angebote werden außerdem attraktiver, wenn die Bürger sie über verschiedene Zugangswege erreichen können. Zusätzliche Kosten für den Bürger sollten grundsätzlich vermieden werden. Im Report wird als Beispiel das estnische Bürgerportal eesti.ee angeführt. Dieses bündelt nicht nur einen Großteil der Behördenangebote, sondern ist auch über drei parallele Zugänge erreichbar. Neben der Authentifizierung per Ausweis und Mobilfunkgerät, können die Bürger über die Login-Verfahren der großen estnischen Bankhäuser auf das Portal zugreifen.
Höchstmaß an Transparenz
Den Sicherheitsbedenken auf der Nutzerseite lässt sich laut dem Report am Besten mit einem Höchstmaß an Transparenz und Kontrolle durch den Bürger begegnen. Die Akzeptanz von staatlichen Online-Angeboten steige, wenn nachvollziehbar ist, wann und aus welchem Grund Behörden Daten eingesehen und verarbeitet haben. So können Bürger in Estland beispielsweise online prüfen, wann die Polizei über das Kfz-Kennzeichen ihre Daten abgefragt hat. Auch Bearbeitungsstände können im Internet eingesehen werden. Wenn Online-Behördenangebote datensparsam arbeiten, erhöht das ebenfalls das Vertrauen auf Bürgerseite.
Der Aufbau einer digitalen Infrastruktur wird als zentrale Voraussetzung für einen effektiven und kontrollierten Informationsaustausch zwischen Bürgern und Verwaltungseinheiten genannt. In Estland werden digitale Services dezentral über Datenstraßen anstatt über große staatliche Datenbanken bereitgestellt. Das verringert nicht nur die Anfälligkeit bei Angriffen. Die Datenbestände verbleiben bei den unterschiedlichen Verwaltungseinheiten. Jedes Ministerium behält dadurch die Kontrolle und Verantwortung über die eigenen Datenbestände, was die Kooperation zwischen den Behörden erleichtert. Beispielsweise wird dadurch das teilweise automatische Ausfüllen der Steuererklärung ermöglicht. Ebenso werden beim Online-Antrag auf Elterngeld die Daten automatisch aus dem Familienministerium, dem Sozialversicherungsfond und der Datenbank des Krankenhauses, in dem das Kind geboren wurde, zusammengezogen.
Nicht zuletzt empfiehlt der Report die Kooperation mit dem privaten Sektor, um dessen Potenziale zu nutzen. Der Bericht unterstreicht außerdem die hohe Relevanz einer grenzübergreifend anschlussfähigen, digitalen Infrastruktur in Europa. Die elektronische Unterschrift und die Nutzung bestimmter Behördengänge über Landesgrenzen hinweg reduziere angesichts zunehmender Mobilität den Bürokratieaufwand und die Kosten für Unternehmen und Bürger. Auch aufseiten nationaler Behörden sinke dadurch der Arbeitsaufwand.
Dieser Beitrag ist in der April-Ausgabe von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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