KornwestheimBäume smart bewässern

Mit einer smarten Bewässerung lässt sich Trockenstress bei Stadtbäumen einfacher vermeiden.
(Bildquelle: pellinni / 123rf.com)
Zeitungsberichte über massenhaft vertrocknete Bäume in verschiedenen deutschen Kommunen und die Abgabe von Gießkannen an die Bewohner, um dem entgegenzuwirken, haben bei mm-lab nach dem Dürrejahr 2018 einen Denkprozess angestoßen: Wie könnten Kommunen bei der Pflege des städtischen Baumbestands unterstützt werden? Das auf innovative Telematikanwendungen spezialisierte Unternehmen erarbeitete daraufhin eine Lösung. Die Idee: Daten aus dem kommunalen Anwendungsbereich sollen analysiert und kombiniert werden, um eine ressourcenschonende und bedarfsorientierte, mobile Bewässerung zu ermöglichen. Dazu sollten rund um vorhandene Software weitere Komponenten zu einem System zusammengeführt werden.
Der Startschuss für die „Smarte mobile Bewässerung von Stadtbäumen“ fiel im Juli 2020, zunächst auf eigenes Risiko. Mittlerweile wird das Vorhaben im Rahmen eines vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten ZIM-Projekts (Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) entwickelt. Die umfangreiche Lösung wird das Portfolio von mm-lab passend ergänzen, das bereits den Winterdienst, die Stadtreinigung, die Entsorgung und weitere kommunale Prozesse adressiert. Das Know-how zu garten- und städtebaulichen Themen bringen die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim und die Stadt Kornwestheim in das Vorhaben ein.
Gießfahrzeuge nehmen Fahrt auf
Nach knapp einem Jahr Entwicklungszeit nahm das Bewässerungsprojekt im Mai 2021 im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt auf: Ein Gießfahrzeug der Kommune wird technologisch aufgerüstet und unterstützt die Testphase des Gesamtsystems. Abgegebene Wassermengen werden pro Baum aufgezeichnet, sodass nicht nur die Gießhistorie des Baums, sondern auch Wirksamkeitsanalysen und andere Verbesserungen erfasst werden können. An mehreren Standorten messen zudem Bodenfeuchtesensoren, wie viel Wasser den Bäumen in verschiedenen Tiefen zur Verfügung steht. Junge Bäume, deren Wurzel noch nicht voll ausgeprägt ist, sind besonders anfällig für Trockenstress. Die rechtzeitige Vorhersage von gefährlicher Trockenheit im Bereich der Wurzel soll der Stadtgärtnerei dabei helfen, zielgerichtet und mit der optimalen Wassermenge zu gießen.
Arthur Teuber ist Produkt-Manager bei mm-lab und Projektleiter des Kornwestheimer Vorhabens. Er aktiviert die Übertragung der Sensordaten im LoRaWAN-Netzwerk der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, die das Projekt nicht nur mit ihrer LoRaWAN-Infrastruktur, sondern auch mit eigenen Sensoren unterstützen. Die mm-lab Entwicklungsmannschaft kombiniert die Daten der verschiedenen Sensorstandorte mit Daten des Deutschen Wetterdienstes sowie dem Baumkataster der Stadtgärtnerei. Letzteres stellt Informationen zu Art, Alter, Größe und Standort der Kornwestheimer Bäume bereit. „Ohne das Fachwissen und die Erfahrung der Mitarbeiter der Stadtgärtnerei wären wir aufgeschmissen“, sagt Arthur Teuber. Neben den Informationen der Stadtgärtnerei hat mm-lab inzwischen ein umfangreiches Netzwerk zu Sensorlieferanten und wissenschaftlichen Instituten hergestellt, für die die Konsequenzen des Klimawandels Gegenstand von Forschung und Entwicklung sind.
System führt zu Bäumen mit besonders großem Durst
Die von der Software ermittelte Auswahl der zu gießenden Bäume und anderer Anpflanzungen sowie die berechnete Gießmenge fließen nach Bestätigung oder Änderung durch die Stadtgärtnerei in einen automatisierten Tourenplanungsprozess ein. Die Tourenplanung berücksichtigt die Wassertankkapazität des Gießfahrzeugs, sodass der Spritverbrauch und CO2-Ausstoß möglichst gering bleiben. Zum Nachtanken wird der Fahrer rechtzeitig zu einem passenden Hydranten geführt.
Mithilfe der optimierten Touren führt das System die Gießfahrzeuge zu denjenigen Bäumen mit besonders großem Durst. Via Tablet wird dem Fahrer der Weg gezeigt, auf Basis einer besonders genauen Satellitenposition der richtige Baum identifiziert und die abzugebende Wassermenge gesteuert. „Wir hoffen, mit unserer Entwicklung dazu beizutragen, dass weniger Bäume in den immer heißer und trockener werdenden Sommern absterben“, sagt Arthur Teuber. „Denn gesunde Bäume sind wichtig für unser Stadtklima. Sie kühlen ihr Umfeld durch Verdunstung, binden Feinstaub und beschatten unsere Wege.“
Andere Kommunen signalisieren Interesse
Eine besondere Herausforderung der bedarfsorientierten Bewässerung ist das komplexe Wechselspiel von Niederschlägen, Temperatur, Luftfeuchte, Wind und verschiedenen Bodendaten. Diese Daten sind von Ort zu Ort unterschiedlich und sowohl rückblickend als auch für Vorhersagen relevant. Die notwendige Anpassbarkeit an die spezifische Umgebung einer Kommune war eine wesentliche Erkenntnis im Entwicklungsprozess der Bewässerungslösung. Unterschiedliche vertragliche Regelungen von Kommunen bei der Anpflanzung und Pflege von Jungbäumen mussten ebenso in der Software adressiert werden wie die Implementierung anpassbarer Gießstrategien. Mittlerweile stößt die im baden-württembergischen Kornwestheim erarbeitete Lösung auf das Interesse anderer Kommunen. „Ansprechend ist vor allem der gesamtheitliche und durchgängige Lösungsansatz“, sagt Arthur Teuber. „Da wir bereits eingeführte und getestete Komponenten erweitern und mit neuen Verfahren integrieren, können wir überzeugende Präsentationen bei Interessenten durchführen und sind bislang durchweg auf Begeisterung gestoßen.“ Er fügt hinzu: „Wir sind noch offen für Leuchtturmprojekte mit weiteren Kommunen, die sich mit mm-lab den Zukunftsthemen Klimawandel und Digitalisierung stellen möchten.“
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe August 2021 von Kommune21 erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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